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Russlands grüne Ideen

Umwelt. - Auch Russland unterzeichnete das Protokoll von

Von Volker Mrasek | 09.06.2008
    Russland ist der größte Flächenstaat der Erde. Doch es hat lediglich 150 Millionen Einwohner – nicht einmal doppelt so viele wie Deutschland. Etwa die Hälfte seines Territoriums sind Tundra, Steppe und Gebirge. Und fast 40 Prozent Wald, insbesondere Nadelwald ...

    "In Sibirien herrschen Lärchen vor, im Nordwesten des Landes Kiefern und Fichten, im Fernen Osten Zedern und Zirbelkiefern."

    Michael Gytarsky, Forst-Ingenieur am Moskauer Institut für Globales Klima und Ökologie. Die heimischen Wälder spielen eine entscheidende Rolle in der Klimaschutzstrategie Russlands. In Bonn stellte Gytarski das nationale Wald-Klima-Konzept jetzt erstmals im Detail vor, gemeinsam mit anderen Moskauer Forstexperten. Unter ihnen der stellvertretende Direktor des Zentrums für Forstökologie und –produktivität, Dmitry Zamalodchikov:

    "Die russischen Wälder besitzen ein enormes Potential, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Das nationale Amt für Forstwirtschaft hat ein Projekt gestartet, bei dem Ödland mit Wäldern aufgeforstet wird. Außerdem gibt es ein Programm, das sich Waldenergie nennt. Sein Ziel ist es, Erntereste für die Energieerzeugung einzusetzen."

    Die Neuanpflanzungen auf bisher waldfreien Flächen nennen die russischen Forstexperten Kohlenstoff-Absorptions-Plantagen. Weil die Bäume, während sie wachsen, Kohlendioxid benötigen und das Treibhausgas der Außenluft entziehen – ein klimakühlender Effekt! Michael Gytarsky:

    "Wir sind an einer nachhaltigen Forstwirtschaft interessiert. Deswegen pflanzen wir nicht irgendwelche schnell wachsenden Hölzer an, sondern die gebietstypischen Baumarten. Und das an Standorten, an denen seit mindestens 50 Jahren kein Wald gestanden hat. Auf Böden, die nicht besonders fruchtbar sind, so dass keine Konkurrenz zur Landwirtschaft entsteht. Das Programm soll bis 2017 laufen."

    Die ersten beiden Plantagen wurden bereits angelegt, auf einer noch bescheidenen Fläche von 3500 Hektar. Doch weitere 20 sollen folgen, mit Schwerpunkt im Westen des Landes. In knapp zehn Jahren könnten Russlands Wald-Klima-Plantagen dann auf über 100.000 Hektar angewachsen sein. Das ist jedenfalls der Plan des nationalen Amtes für Forstwirtschaft. Nach den Worten von Dmitry Zamolodchikov will das Land für die Zeit nach 2012 gewappnet sein:

    "Russland wird seine Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll bis 2012 erfüllen. Aber man muss sehen, dass unsere Wirtschaft weiterhin kräftig wächst. Und damit auch ihre Treibhausgas-Emissionen. Wenn noch stärkere Klimaschutzmaßnahmen nach 2012 nötig sein werden, dann kommt Wäldern eine immer größere Bedeutung beim Erreichen dieser Ziele zu."

    Deshalb auch das zweite Wald-Klima-Programm: Es soll damit begonnen werden, Abfälle aus der Holzernte zu verwerten. Baumstümpfe, Äste und Rinde sollen gehäckselt, zu Holz-Chips gepresst und anstelle von fossilen Energieträgern zur Wärme- und Stromerzeugung eingesetzt werden. Michael Gytarsky:

    "Die Regierung hat Vereinbarungen mit mehreren Regionen getroffen, unter anderem mit Archangelsk, Krasnojarsk und Karelien. Die Heizkessel dort sollen durch Anlagen ersetzt werden, die Holzchips verwenden. Bisher laufen sie noch mit fossilen Energieträgern wie Kohle."

    Ein Umstellungsprogramm, für das es veräußerbare Emissionszertifikate nach den Kriterien des Kyoto-Protokolls geben soll. Damit will die Regierung die Investition in Erntemaschinen und neue Anlagentechnik finanzieren. Mehrere hundert Millionen Tonnen Kohlendioxid könnten der Atmosphäre durch das Wald-Klima-Konzept am Ende Jahr für Jahr erspart werden, wie die Forstexperten in Bonn sagten. Wenn es so kommt, wäre das ein immenser Effekt: Es entspräche gut einem Sechstel der heutigen Kohlendioxid-Emissionen Rußlands.