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Ryanair-Chef: Lufthansa wird das vermasseln

Lufthansa plant die Billigfluglinie Germanwings auszubauen. Den Konkurrenten Ryanair schockt das nicht. Bei der Lufthansa hätte es bisher nicht funktioniert, einen Billigflieger zu betreiben und das würde sich auch jetzt nicht ändern, sagt Ryanair-Firmenchef Michael O'Leary.

Michael O'Leary im Gespräch Benjamin Hammer | 22.10.2012
    Benjamin Hammer: Wir sind in der Firmenzentrale von Ryanair in Dublin. Und der Eingangsbereich ist etwas staubig, die Sofas dreckig und da ist eine kaputte Jalousie. Ist das der Unterschied zu Lufthansa – mit einem strahlenden Hauptquartier in Frankfurt?

    Michael O'Leary: Das ist unfair da nur Lufthansa zu nehmen. Es geht auch um British Airways, KLM und all die anderen. Die haben wundervolle Paläste als Zentralen, wo die Manager völlig losgelöst sind von der Realität. Bei Ryanair haben wir nicht so viel Geld für die Zentrale verschwendet. Übrigens: Der Empfangsbereich ist nicht staubig, der ist sauber, aber wir waren eben sparsam. Ryanair gibt es, damit Fliegen für die Europäer billiger wird. Nicht, damit ein Manager in einem Marmorpalast in irgendeinem Wald wohnt.

    Hammer: Aber mit Ryanair zu fliegen kann sehr anstrengend sein. Wenn man von einem Flughafen fliegt, den Sie Düsseldorf Weeze nennen, dann befindet der sich in Wahrheit 80 Kilometer von Düsseldorf entfernt. Es dauert also erst einmal ziemlich lange dort hinzukommen. Und wenn man dann angekommen ist und seine Bordkarte vergessen hat, dann kassiert Ryanair von mir eine Bearbeitungsgebühr von 60 Euro pro Ticket. Sie lieben Ihre Kunden nicht wirklich, oder?

    O'Leary: Ich liebe meine Kunden, ich habe 80 Millionen Kunden in diesem Jahr. Wir geben unseren Kunden, was Lufthansa nicht bietet: günstige Tarife, pünktliche Flüge, keine Streiks und neue Flugzeuge. Ich glaube die Leute mögen Lufthansa einfach nicht, weil sie wissen, dass sie abgezockt werden mit hohen Tarifen. Und jetzt ändern sie ihre Strategie. Sie stärken Germanwings - und sogar Lufthansa gibt zu: Das wird dann immer noch nicht billig.

    Hammer: Was halten Sie denn von diesem Vorstoß, Ryanair ein bisschen zu kopieren und die Firmentochter Germanwings zu stärken. Haben Sie Angst?

    O'Leary: Das ist doch großartig. Jedes Mal, wenn Lufthansa versucht hat, einen Billigflieger zu betreiben, haben sie es vermasselt. Und das wird auch jetzt passieren. Du kannst nicht Germanwings betreiben und damit werben, dass es günstig ist, aber nicht billig. Kein Zweifel Lufthansa bietet einen tollen Service. Aber man muss sehr reich oder ein Geschäftsmann sein, um sich das leisten zu können.

    Hammer: Aber es gibt doch Flüge mit Lufthansa von Köln nach Barcelona oder nach München für 99 Euro hin und zurück. Und da ist ein Gepäckstück inklusive, ich bekomme etwas zu trinken und muss nicht zu Provinzflughäfen wie Hahn oder Weeze reisen.

    O'Leary: Ja, aber wenn Du nach Hahn oder Weeze gehst, dann bekommst Du den Flug für 19 Euro und zahlst drei Euro für den Drink. Und bei Lufthansa gibt's vielleicht nur zwei Plätze zu den guten Preisen.

    Hammer: Lassen Sie uns über Ihre Sicherheit sprechen. Billig fliegen und sicher fliegen, da gibt es doch einen Zusammenhang. Die Leute können vielleicht billig mit Ihnen fliegen aber in den letzten Wochen scheint es da einige Kompromisse bei der Sicherheit gegeben zu haben. Gleich drei Ryanair-Flieger mussten in Valencia notlanden, einer davon hatte eine Tankfüllung unter den gesetzlichen Bestimmungen. Und in den letzten Wochen gab es immer wieder Meldungen über technische Probleme. Sparen Sie zu viel?

    O'Leary: Nein! Wenn Sie sich unsere Statistik der letzten 28 Jahre anschauen, die ist herausragend. Schauen Sie sich die Erklärung der irischen und spanischen Verkehrsministerien an. Darin steht, dass Ryanair zu den sichersten Airlines gehört. Und was die Vorfälle von Valencia betrifft: Alle drei Flugzeuge wurden ausreichend betankt. Sie mussten einfach umgeleitet werden, wegen des Wetters über Madrid. Zwei der Flieger hätten noch über 30 Minuten fliegen können, eine Maschine noch 29 Minuten. Niemand war in Gefahr. Und die offiziellen Untersuchungen bestätigen, dass sich Ryanair-Piloten an die geltenden EU-Regeln halten. Du kannst nicht so einfach auf 80 Millionen Passagiere wachsen und 1500 Flüge pro Tag, wenn Du es nicht sicher machst. Und das haben wir jetzt seit 28 Jahren getan.

    Hammer: Aber Sie üben doch Druck aus auf die Piloten, nicht zu viel Kerosin zu tanken!

    O'Leary: Das stimmt absolut nicht. Wir haben unsere Piloten niemals unter Druck gesetzt. Jeder Kapitän entscheidet bei uns selbst, wie viel er tankt. Alles, worum wir bitten, ist das, wenn Du mehr tankst, als eigentlich berechnet wurde, dann sag uns einfach warum! Meistens geht es da um Verspätungen oder das Wetter. Piloten wurden bei uns noch nie unter Druck gesetzt.

    Hammer: Es gibt einen Piloten, der anonym einer irischen Tageszeitung gesagt hat: Seine Autorität wird ihm von Ryanair weggenommen, und wenn er sich zu erkennen gäbe, dann bekäme er große Probleme.

    O'Leary: Das ist doch nur ein angeblicher anonymer Pilot, produziert von einer Tageszeitung. Was der Pilot eigentlich gesagt hat, ist das: Es gibt bei uns eine Liste, wie viel Sprit welcher Pilot verbraucht hat. Und wenn Du da herausragst, dann musst Du zum Gespräch zu O'Leary. In meinen 26 Jahren bei Ryanair musste noch nie ein Pilot wegen so einer Sache zu mir. Ich habe doch ohnehin keine Ahnung vom Fliegen. Diese Vorwürfe sind einfach Schwachsinn.

    Hammer: Lassen Sie uns jetzt noch auf Irland schauen. Wie konnte das eigentlich passieren? Dass ein Land mit Erfolgsstorys wie Ryanair wirtschaftlich so tief gefallen ist.

    O'Leary: Wir haben einfach ziemlich doofe Politiker gewählt. Dann belohnen wir sie auch noch. Wir wählen sie wieder, weil sie uns das sagen, was wir hören wollen. Und dadurch hatten wir diese Immobilienblase und die Bankenblase. Jeder in Irland dachte, er habe die Wirtschaft neu erfunden. Und die Blase ist eben geplatzt. Das hätte nicht passieren können, wenn die EU-Defizitregeln eingehalten worden wären.

    Hammer: Eine Menge von dem was Sie sagen, klingt nach dem Ruf nach einer freien Wirtschaft. War nicht genau das Irlands Problem? Das Fehlen von Regulierung?

    O'Leary: Jeder unregulierte Kapitalismus wird aus dem Ruder laufen. Ja, die Regulierung hat hier ohne Zweifel versagt. Es gab ja Regeln auf EU-Ebene und auch in Irland. Aber das wurde nicht genug überwacht. Hoffentlich lernen wir aus den Fehlern. Das Problem ist, dass uns viele Regeln gar nicht schützen, sie schaffen nur Jobs für nutzlose Beamte. Wir müssen effektiver werden. Die deutsche Wirtschaft hat gezeigt, wie das geht – in dem sie wettbewerbsfähig ist.

    Hammer: Ryanair ist stark gewachsen in den letzten Jahren, Sie haben 300 Flugzeuge und sind eine der größten Airlines der Welt. Wo wollen Sie in zehn Jahren stehen?

    O'Leary: In zehn Jahren möchte ich an einem Strand auf den Bahamas sein, als Pensionär mit viel Geld und schönen jungen Damen um mich herum. Leider passiert das wohl nicht. Also in fünf Jahren wollen wir von 80 auf 120 oder 130 Millionen Passagiere wachsen, wir wollen unseren Durchschnittstarif auf 30 Euro pro Flug senken. Und wenn wir das schaffen, dann wachsen wir weiter. In jedem Land Europas gibt es nur Raum für zwei Fluggesellschaften: Es gibt die etablierten Anbieter wie Lufthansa, die sind für die reichen Leute. Und dann gibt es Ryanair. Wir sind wie Lidl und Aldi – für ganz Europa.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.