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Saarbrückens Kampf gegen Prostitution

In Deutschland wird wieder über Prostitution diskutiert - angetrieben von Alice Schwarzer. Auch in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sind die Arbeitsbedingungen in der Branche ein Thema. Saarbrücken geht beim Kampf gegen Prostitution bereits voran - mit prominenten Unterstützerinnen.

Von Tonia Koch | 14.11.2013
    Der Skandal trägt viele Namen und hat viele Gesichter. Junge Frauen, zunehmend aus den Ländern Südosteuropas, die der Armut entfliehen möchten. Sie stehen hierzulande an Straßen oder warten in Bordellen, Clubs und privaten Räumen auf ihre Freier. Wie viele, weiß niemand so genau. Wie viele davon sich freiwillig prostituieren oder dazu gezwungen werden, auch dazu gibt es keine verlässlichen Angaben. Denn für die Prostituierten gibt es keine Meldepflicht und für die Betriebe keine Erlaubnispflicht. Ohne diesen Rahmen aber fehle es an wirksamen Kontrollmöglichkeiten, sagt die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz.

    "Das ist das ganz große Problem. Da es legal ist, wird sehr wenig erfasst, auch die Begleitkriminalität, die man oft erkennen kann. Es liegen keine verlässlichen Zahlen vor, es sind in aller Regel alles Schätzungen."

    Geschätzt bieten in Saarbrücken etwa tausend Frauen und Männer Sexdienste in 110 angezeigten Rotlichtbetrieben an. Viel mehr wissen die Behörden nicht. Die Prostitutionsstätten müssen nicht um Erlaubnis bitten und Konzessionen nachfragen wie etwa Gaststätten.

    "Es ist in der heutigen Zeit schwieriger, eine Imbissbude zu betreiben als ein Bordell. Es ist in der Regel ein Gewerbebetrieb und dadurch ist es anzeigepflichtig nur. Und da es keine Erlaubnispflicht gibt, hat auch das Gewerbeaufsichtsamt keine Möglichkeit in den Betrieb rein zu gehen, zu kontrollieren, in die Bücher zu schauen oder sonstiges sich anzuschauen."

    Die Saarbrücker Oberbürgermeisterin fürchtet bald noch mehr Prostitution im Stadtgebiet. Und das hängt an der unmittelbaren Nachbarschaft zu Frankreich. Die französische Regierung plant, das ohnehin schon strenge Prostitutionsgesetz weiter zu verschärfen. Weder Bordelle noch der Straßenstrich sind bei den Nachbarn erlaubt, und künftig sollen Freier nach schwedischem Vorbild dafür bestraft werden, wenn sie für sexuelle Dienstleistungen bezahlen. Unschöne Aussichten für die Kommunen entlang der Grenze. Charlotte Britz:

    "Wenn jetzt in Frankreich das schwedische Modell greifen wird und in Deutschland nicht, dann bekommen wir einen Verdrängungswettbewerb vom einen ins andere Land, deshalb brauchen wir eine europäische Regelung."

    Davon aber ist Europa meilenweit entfernt. Das spielt nicht nur der organisierten Kriminalität, den Menschenhändlern in die Hände, sondern auch findigen Unternehmern wie dem schwäbischen Sexclub-Betreiber Jürgen Rudloff. Für sein neuestes Projekt eines Großbordells hat er sich die saarländische Landeshauptstadt bewusst ausgesucht, sagte er gegenüber der ARD.

    "Ich sehe natürlich solche Geschäfte logischerweise auch betriebswirtschaftlich in erster Linie. Und Saarbrücken, die Entfernung zu Frankreich und Luxemburg, ist für mich ein Standort, wo ich mir vorstellen kann, dass mit dieser Art von Bordell ich ein recht erfolgreiches Geschäft machen kann."

    Rudloffs Geschäftsidee ist einfach: Er vermietet Zimmer an die Prostituierten und sorgt für die Infrastruktur in seinen Clubs. Von allem anderen will er nichts wissen. Ob die Damen sich in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechtes freiwillig bei ihm einmieten, einen Zuhälter im Rücken haben oder gar eine Organisation, die dafür sorgt, dass die Zimmer stets ausgebucht sind, das überprüfe er nicht. Das sei die Aufgabe der staatlichen Ordnungsbehörden, betont er, wo immer er danach gefragt wird. Die Ordnungshüter aber brauchen neue Gesetze, um genau diese Aufgaben auch wahrnehmen zu können. Dafür will sich die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU einsetzen.

    "Es gibt Dinge, die wir relativ schnell regeln können - das, was wir auf Landesebene selbst machen können - und es gibt Dinge, die sind abhängig davon, dass auf Bundesebene das Gesetz geändert wird, und da werden wir mit allem Nachdruck daran arbeiten, dass das möglichst schnell dazu kommt."

    Gemeinsam mit der Stadt prüft das Land zum Beispiel eine Ausweitung der Sperrbezirksverordnung sowie die Einführung einer Erotiksteuer. Auf Bundesebene hat die Arbeitsgruppe Familie und Frauen in den Koalitionsverhandlungen bereits ihre Hausaufgaben gemacht. Gefordert wird die Vergabe von Konzessionen an Bordelle, Clubs oder Salons, eine Verschärfung des Strafrechtes, um diejenigen Freier belangen zu können, die wissentlich die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen, sowie eine wirksame Unterstützung der Opfer von Menschenhandel. Schließlich soll auch die Polizei wieder mehr Rechte bekommen, sagt die saarländische Vorsitzende der Frauen-union, Anja Wagner-Scheid.

    "Wir setzen uns ein, insbesondere für Frauen, die gezwungenermaßen der Prostitution nachgehen und die Opfer von Menschenhandel sind. Denen müssen wir Hilfe zukommen lassen, und das geht nur, wenn die Polizei anlassunabhängig kontrollieren kann."

    In Bayern geht das, im Saarland nicht. Wünschenswert wäre jedoch eine bundeseinheitliche Regel, so Wagner-Scheid. Der Forderungskatalog der Unionsfrauen wird am Wochenende auf dem Bundesdelegiertentag in Ludwigshafen verabschiedet. Eine generelle Bestrafung der Freier, wie es bereits in Schweden der Fall ist und wie es Frankreich plant, fordere die Frauenunion nicht, sagt ihre stellvertretende Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

    "Ich sehe weniger die Lösung im Verbot der Prostitution, sondern ich halte es für notwendig, dass wir in der Gesellschaft über die Frage des Stellenwerts der Prostitution reden. Mir ist zum Beispiel wichtig, dass etwa über Erscheinungen wie Flatrate-Bordell und alles, was damit zusammenhängt, dass das in der Gesellschaft als das benannt wird, was es ist: ein Ausdruck von Menschenverachtung. Das würde ich mir wünschen, dass wir hier eine gesellschaftliche Ächtung erhalten."

    In diesem Sinne möchte Kramp-Karrenbauer auch die Unterzeichnung von Alice Schwarzers Appell verstanden wissen. Sie hat ihn genauso unterschrieben wie die Saarbrücker SPD- Oberbürgermeisterin. Das hat ihr in den eigenen Reihen – vor allem seitens einiger Männer – herbe Kritik eingetragen. Aber Annegret Kramp-Karrenbauer steht dazu. Der Aufruf der Frauenzeitschrift Emma, Prostitution zu verbieten, habe aufgerüttelt und eine notwendige gesellschaftliche Diskussion in Gang gesetzt.