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Saarland
Polizisten wollen Tattoos offen tragen

Junge Polizisten im Saarland fordern eine Lockerung der Kleiderordnung. Dabei geht es vor allem um Tätowierungen, die derzeit abgedeckt werden müssen. Doch der saarländische Innenminister Klaus Bouillon ist gegen sichtbar tätowierte Polizisten.

Von Tonia Koch | 14.08.2019
Polizeieinsatz im Saarland
Laut einer Studie reagiert die Bevölkerung zurückhaltend auf Tatoos - Polizisten im Saarland müssen ihre Tätowierungen vorerst weiter bedecken (imago / Becker&Bredel)
Marc Emde und Markus Sehn tragen keine sichtbaren Tattoos. Trotzdem machen sich die jungen Kommissare und Mitglieder der Deutschen Polizeigewerkschaft dafür stark, die Dienstbekleidungsvorschriften ihres Arbeitgebers zu lockern. Die Regelung, dass ein Tattoo beispielsweise auf dem Unterarm abgedeckt werden muss und es Kollegen dadurch verwehrt werde, im Sommer ein Kurzarmhemd zu tragen, sei nicht mehr zeitgemäß, findet Sehn.
Innenminister Bouillon will keine Lockerung
"In der heutigen Zeit sind Tätowierungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wie manche Leute Ohrringe tragen, sind andere tätowiert, das ist etwas völlig Normales geworden und deshalb setze ich mich dafür ein."
Ohnehin ginge der Trend hin zu mehr Tätowierung, nicht nur bei der Zivilbevölkerung, sondern auch bei den Beamten. Detaillierte Daten lägen allerdings nicht vor, ergänzt der Vorsitzende der Jungen Polizisten in den Reihen der DPolG, Marc Emde.
"Gefühlsmäßig gibt es mehr Kollegen, die tätowiert sind und immer weniger Kollegen, die nicht tätowiert sind. Das zeigt einfach den Trend. Und es ist eine Art von Diskriminierung, wenn die Polizei Saarland oder auch die Verantwortlichen der Politik hier die Augen verschließen und bei allem Weltoffen-sein-Wollen, sei es bei der Integration von Frauen, Leuten mit Migrationshintergrund oder Behinderungen - was absolut gewollt ist - und Leute halt diskriminieren durch Dienstbekleidungsvorschriften oder dadurch, dass sie gar nicht erst eingestellt werden dürfen"
Der zuständige saarländische Innenminister, Klaus Bouillon, hält diese Kritik für überzogen und sieht keine Veranlassung, der Forderung nach einer Lockerung der Kleiderordnung nachzukommen.
"Es bleibt bei den Langhemden. Im Übrigen sind es zwei, drei Tage im Jahr vielleicht, ich sehe da kein Problem und ich habe grundsätzliche Bedenken, dass das nicht so gut ankommt, das sage ich ganz offen, da ist meine Meinung"
Studie zeigt, dass Bevölkerung auf Tattoos zurückhaltend reagiert
Damit dürfte der saarländische Innenminister nicht ganz falsch liegen. Eine Studie der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz, die vergangenen Sommer veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass trotz rasanter Zunahme sichtbarer Tattoos oder etwa Piercings, die Bevölkerung darauf nach wie vor zurückhaltend reagiert. Sichtbare Tattoos gingen zu Lasten von Vertrauen und Respekt, sagt Polizeirat Raphael Schäfer, der an der Studie mitgewirkt hat.
"Eine Uniform per se führt zu einem höheren Respektlevel. Und dieser Bonus, den der Beamte durch seine Uniform erhält, den verspielt er wieder in dem er sich mit einer großflächigen Tätowierung auf dem Unterarm zeigt und dieser Bonus dadurch einfach wieder weg ist.
In der Studie waren 241 zufällig ausgewählten Testpersonen aller Altersgruppen Polizisten ohne und mit einer großflächigen Tätowierung am Unterarm gezeigt worden. Dabei habe der Anteil der jüngeren Befragten überwogen. Dass tätowierte Beamte dennoch negative Effekte in der Bevölkerung auslösen, hat die Macher der Studie überrascht, sagt Schäfer.
"Das ist genau so überraschend wie das Ergebnis , was wir auch herausfinden konnten, dass selbst die Menschen, die selber tätowiert sind in diesem ersten Eindruck gegenüber dem Tätowierten eine schlechtere Wirkung , eine negativere Konnotation damit verbinden."
Kleiderordnung für Polizeikräfte variiert je nach Bundesland
Stand jetzt, scheint die breite Gesellschaft noch nicht soweit zu sein, sichtbar tätowierten Polizeibeamten mit dem gleichen Respekt zu begegnen wie jenen, die keine Körperbilder zeigen. Und so gibt es in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Vorschriften, was erlaubt ist und was nicht. Nach wie vor existiert vielerorts die Pflicht, Tattoos abzudecken wie im Saarland. In Baden-Württemberg zum Beispiel dürfen sie gezeigt werden, aber nur vermeintlich "dezente" Motive. Und Berlin erlaubt Tattoos für Beamte in Uniform, immer vorausgesetzt diese enthalten keine sexistischen oder gewaltverherrlichenden Darstellungen. Dem Berliner Bespiel sollte auch das Saarland folgen, allein schon deshalb, um den Kreis derer, die sich eine Polizeikarriere vorstellen können, nicht unnötig einzuschränken, argumentiert Marc Emde, der Jugendvertreter der Gewerkschaft.
"Weil die Polizei Saarland oder die Politik immer noch so überheblich und arrogant ist, zu denken, sie hätte die Auswahl an Kandidaten für die Polizei, das war vor 10 Jahren so, als wir über 1.000 Bewerber auf 100 Stellen hatten inzwischen haben wir noch ein paar Hundert auf 130 Stellen, so dass wir Angst davor haben, überhaupt noch genügend Bewerber zu haben die geeignet sind."
Innenminister Klaus Bouillon hingegen sieht keinen Bewerberengpass auf die Polizei zukommen. Ob das Saarland somit seine Kleidervorschriften für Polizisten bald lockert, erscheint vorerst ungewiss.