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"Sachlich, ernsthaft, konzentriert, aber eben auch ergebnisoffen"

Nach einem ersten Sondierungsgespräch sagt Andreas Pinkwart, FDP-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, es sei noch zu früh, um die Chancen für Koalitionsverhandlungen zu bestimmen. Gleichzeitig betonte er, eine Öffnung seiner Partei für andere Bündnisse als mit der CDU sei notwendig.

Andreas Pinkwart im Gespräch mit Silvia Engels | 09.06.2010
    Silvia Engels: Das Spitzenpersonal von FDP und Grünen in Nordrhein-Westfalen verbindet seit Jahren eine tiefe Abneigung. Wer deshalb geglaubt hatte, dass die gestrigen Sondierungsgespräche zwischen SPD, FDP und den Grünen rund um eine Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen schnell scheitern würden, sah sich getäuscht. Die Streitereien der Vergangenheit wurden offenbar an die Seite geschoben; über Inhalte wurde bis tief in die Nacht gesprochen. Am Donnerstag soll es weitergehen.

    Am Donnerstag sollen die Gespräche weitergehen, aber das Stichwort ist schon gefallen. Eine langjährige Abneigung herrscht zwischen Grünen und FDP in Nordrhein-Westfalen. Vor den Landtagswahlen hatten zum Beispiel die Grünen-Abgeordneten Becker und Priggen folgendes über die FDP gesagt:

    O-Ton Horst Becker: Ich halte sie innerhalb der Parlamente für einen extremen marktradikalen Rand und insofern ist sie genau der Gegenpol zu der Linken.

    O-Ton Reiner Priggen: Diese, sage ich mal, marktradikale FDP, die braucht doch nun kein Mensch mehr.

    Engels: Am Telefon ist nun der FDP-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Andreas Pinkwart. Guten Morgen, Herr Pinkwart.

    Andreas Pinkwart: Ja. Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Für diese alten Sätze der Grünen wollten Sie eigentlich im Vorfeld der Sondierung eine Entschuldigung. Haben Sie die bekommen?

    Pinkwart: Wir haben am Anfang genau über die Vergangenheit gesprochen, über Verletzungen, die ja auch wechselseitig stattgefunden haben, und Frau Löhrmann hat für die Grünen ganz deutlich gemacht – und das war für mich auch von zentraler Bedeutung -, dass wir hier als demokratische Parteien zusammenkommen, und hat damit auch die Grundlage dafür geschaffen, dass wir auf dieser Gesprächsgrundlage erst uns mit den Sachthemen ja auch so lange und so intensiv haben auseinandersetzen können. Es ist völlig klar, dass dieserlei Äußerungen, wie wir sie eben hier gehört haben, völlig daneben lagen, und die Tatsache, dass wir gestern so lange zusammensaßen, zeigt ja auch, dass die Grünen dieserlei Bewertung offensichtlich nicht mehr vornehmen.

    Engels: Herr Pinkwart, umgekehrt haben Sie über die Grünen in Nordrhein-Westfalen einmal gesagt – ich zitiere -, "sie ruinieren unser Land, wenn man sie nur lässt". Ruiniert nun die FDP gemeinsam mit Rot und Grün?

    Pinkwart: Das ist genau ein solcher zugespitzter Satz, der in der Wahlkampfzeit gesagt worden ist, wie die anderen Sätze auch, die Sie eben zitiert haben. Wir haben gesagt, das ist eine Sprache, die wir vermeiden sollten im wechselseitigen Umgang, und haben uns bescheinigt, dass wir in Zukunft anders miteinander umgehen wollen.

    Engels: Dann schauen wir auf die Inhalte. Was haben sie denn gestern vorangebracht? Beispielsweise bei der Bildung knackt es ja. Gemeinschaftsschulen sagt Rot-Grün, Gymnasium sagt die FDP.

    Pinkwart: Ja, nun, wir sind die verschiedenen Positionen durchgegangen, in der Schulpolitik, im Bereich der Vorschule. Gerade im Bereich der Schule – Sie sprechen es an – gibt es unterschiedliche Überlegungen, wie wir das Schulsystem weiterentwickeln können. Wir, die Liberalen, setzen hier auf Schulvielfalt und individuelle Förderung und das haben wir ausgetauscht. Wir haben da noch keine gemeinsame Lösung erarbeiten können, sondern wir haben die Positionen ausgetauscht. Man wird sehen müssen, ob daraus auch eine Brücke gebaut werden kann oder nicht. Das ist im Moment sicherlich einer der besonders schwierigen Punkte.

    Engels: Am Donnerstag wird weitersondiert. Nun haben sie schon über sieben Stunden miteinander gesprochen. Da sind Sie ja als politisch erfahrener, versierter FDP-Politiker auch in der Lage, eine Einschätzung abzugeben, ob Sie Koalitionsverhandlungen für wahrscheinlich halten.

    Pinkwart: Das ist noch viel zu früh. Wir sind ja in Sondierungen und das haben ja gestern Abend im Nachgang sowohl Frau Kraft als auch Frau Löhrmann und ich deutlich gemacht, das sind sehr gute Gespräche gewesen, sehr sachlich, ernsthaft, konzentriert, aber eben auch ergebnisoffen.

    Das liegt auch daran, dass in wichtigen Sachfragen die drei Parteien doch zum Teil sehr unterschiedliche Ansätze auch haben, und das muss man ausloten. Man muss auch fragen, wie das konkret umgesetzt werden soll, was sich der Einzelne in seinem Programm vorgenommen hat und wo es Schnittmengen geben könnte, wo es auch vielleicht intelligente Lösungen geben könnte, und das bedarf dann schon der intensiven Erörterung.

    Wichtig ist für mich zunächst, dass wir das so intensiv haben in guter Atmosphäre tun können. Das ist sicherlich ein Gewinn, unabhängig vom Ausgang der Sondierungen, für alle drei Parteien, ich glaube auch für die parlamentarische Demokratie, dass Parteien, die über viele Jahre durch ihre verschiedenen Rollen, Opposition und Regierung, in einem intensiven Konflikt auch standen, am Tisch gemeinsam um die Themen der Zukunft für dieses Land ringen können.

    Engels: Ist das auch ein Signal für Land und Bund, dass sich die Liberalen generell nach jahrelanger Fixierung auf die Union wieder der SPD zuwenden?

    Pinkwart: Es ist auf jeden Fall ein Signal der Offenheit den anderen Parteien gegenüber, gerade auch der SPD. Ich halte das auch für dringend notwendig, dass die demokratischen Parteien untereinander gesprächsfähiger werden, gerade in einem Fünf-Parteien-System, in dem, wie wir es jetzt hier in Nordrhein-Westfalen gesehen haben, Zweierkonstellationen es schwer haben, auch Mehrheiten zu erringen, und wir haben eine Situation, wo wir unsere Wunschkonstellation nicht haben bestätigt sehen können durch den Wähler, wo aber auch Rot-Grün keine eigene Mehrheit gefunden hat, und dann müssen Parteien aufeinander zugehen können. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger zurecht von uns. Insofern ist es gut, wenn gerade auch die FDP als Gestaltungskraft in der politischen Mitte ihren Beitrag dazu leistet.

    Engels: Gerade Parteichef Guido Westerwelle hat ja die FDP lange Zeit an der Seite der Union festgetäut. Nun wächst auch in der FDP die Kritik an ihm, er lasse sich in Sachen Bundespräsidentennominierung und Gesundheitsreform vorführen, so lautet der Vorwurf. Teilen Sie ihn?

    Pinkwart: Wir haben die Entscheidung, was die Bundespräsidentenwahl anbetrifft, im Präsidium vorbereitet, dem ich angehöre, und wir haben das sehr verantwortungsvoll gemacht, vor allen Dingen Guido Westerwelle als unser Bundesvorsitzender. Es ist so, dass Union und FDP eine Mehrheit in der Bundesversammlung haben, und es ist dann auch die Aufgabe dieser Parteien nach unserer Verfassung, das verantwortungsvoll vorzubereiten. Durch den Vorschlag Christian Wulff ist das geschehen, ich unterstütze ihn, auch die nordrhein-westfälische FDP tut das, indem wir das im Landesvorstand auch am Sonntagabend beschlossen haben. Ich halte das für richtig, dass wir einen guten Vorschlag haben. Ich begrüße auch sehr, dass wir einen anderen guten Vorschlag haben werden mit Herrn Gauck, eine auch ebenfalls herausragende Persönlichkeit, und das hat uns auch immer in Deutschland gut getan.

    Engels: Nun kritisiert die CSU ja derzeit in harten Worten die FDP und der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn droht heute im "Rheinischen Merkur" indirekt mit dem Entzug der FDP-Unterstützung für den Unionskandidaten Wulff, wenn die Kritik der Union an den Liberalen weitergehe. Was folgern Sie daraus?

    Pinkwart: Ich sage das, was ich zum Bundespräsidenten eben gesagt habe, zur Bundespräsidentenwahl.

    Engels: Aber kann das passieren?

    Pinkwart: Losgelöst von den anderen Fragestellungen, und das sind wir dem hohen Staatsamt auch schuldig. Aber ich sage ebenso klar, wir müssen in der Berliner Koalition gemeinsam zu vernünftigen Lösungen kommen, und ich begrüße es sehr, dass die Haushaltsklausur des Kabinetts deutlich macht, Union und FDP wollen in schwieriger Zeit für Deutschland kraftvoll handeln, das ist auch notwendig, und es muss natürlich so sein, dass die Union auch mit der notwendigen Geschlossenheit auftritt, und das ist auch von der Bundeskanzlerin sicherzustellen, dass CDU und CSU gemeinsam dann auch die Verabredungen, die sie mit der FDP getroffen haben, zur Umsetzung bringen werden.

    Engels: Andreas Pinkwart, FDP-Landeschef von Nordrhein-Westfalen. Vielen Dank für dieses Gespräch.

    Pinkwart: Ganz herzlichen Dank!
    Nach den Sondierungsgesprächen über eine mögliche Ampelkoalition
    Nach den Sondierungsgesprächen über eine mögliche Ampelkoalition (AP)