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Sachsen-Anhalt
AfD verteilt fremdenfeindliche Fragebögen an Schulen

In Sachsen-Anhalt haben AfD-Landtagsabgeordnete Fragebögen an Schüler verteilt - sie hätten Hinweise erhalten, dass ausländische Kinder Mitschüler beleidigten und verprügelten. Lehrergewerkschaft und Bildungsminister kritisieren die Aktion: Die AfD versuche, minderjährige Schüler zu manipulieren und aufzuhetzen.

Von Stephan Schulz | 06.04.2018
    Hans-Thomas Tillschneider, AfD-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, steht am 03.12.2017 beim Bundesparteitag der Alternative für Deutschland im HCC Hannover Congress Centrum in Hannover am Rednerpulzt und spricht.
    Hans-Thomas-Tillschneider, AfD-Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt, hat die Fragebogen-Aktion gemeinsam mit seinem Parteifreund Jan Wenzel Schmidt inititiiert (dpa / Hauke-Christian Dittrich)
    Die Grundschule Kastanienallee in der Saalestadt Halle. Hier werden Kinder aus 26 Nationen unterrichtet. Am Dienstag hatten zwei AfD-Landtagsabgeordnete vor der Schule Fragebögen verteilt. Sie wollten von Drittklässlern wissen, ob es Prügeleien, Erpressungen und Vergewaltigungen - begangen von Ausländern - an der Schule oder in deren Nähe gegeben habe. Doris Forster, die Schulleiterin, spricht von plumper, geschmackloser Agitation. Sie ärgert sich über die AfD-Politiker.
    "Wir haben ein Problem, das liegt daran, dass uns die Schüler von Anfang an, wenn sie herkommen, erst mal nicht verstehen. Das ist aber auch das einzige Problem. Ansonsten haben wir hier 310 Kinder, die eine Sozialkompetenz haben, wie sie sie suchen an anderen Schulen. Natürlich hauen die sich auch mal. Das ist ganz natürlich. Das hat ihre Generation, das hat meine Generation getan und das tun unsere Kinder. Aber nicht so, dass die Fragen der AfD zu beantworten wären."
    Keinen Beleg für AfD-Behauptung an der Hallenser Schule
    Zumal die Schüler mit den Fragen der AfD-Landtagspolitiker wenig anfangen können. Es gebe zwar ab und an Raufereien auf dem Schulhof - mehr aber auch nicht.
    "Vielleicht haben mich schon ein paar beleidigt, das ja, aber so angegriffen, so richtig geschlagen oder so, geprügelt nicht wirklich, nee!"
    "Es ist doch egal, was man für eine Hautfarbe hat oder so. Manche denken, nur weil man eine andere Hautfarbe hat ist man gewalttätiger, aber das machen alle."
    "Wir sind alle Menschen und wir gehören alle zusammen. Wir bezeichnen uns alle wie Brüder und Schwestern."
    An dieser Schule findet die AfD also keinen Beleg für ihre Behauptung, dass von ausländischen Kindern immer wieder Straftaten verübt würden. Sie stammt von den AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas-Tillschneider und Jan Wenzel Schmidt.
    Tillschneider und Schmidt planen weitere Aktionen
    Tillschneider gehört zur Patriotischen Plattform der AfD. Er gilt als Rechtsaußen. Sein Abgeordnetenbüro befindet sich im Haus der rechtsextremen Identitären Bewegung in Halle.
    Jan-Wenzel Schmidt ist des Landsvorsitzende der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD. Er rechtfertigt das Verteilen der Fragebögen vor Schulen. Seit Monaten erhalte die AfD Hinweise, dass ausländische Kinder ihre Mitschüler beleidigten, erpressten und verprügelten. Mit der Fragebogen-Aktion will Jan-Wenzel Schmidt Beweise sammeln.
    "Es sind noch weitere Aktionen geplant. Wir wollen natürlich mehrere Schulen nehmen, damit wir auch eine große Zahl haben und auch viele Daten haben und eben nicht nur an einer konkreten Schule das festmachen."
    Bildungsminister: AfD will "Drittklässler agitieren"
    Kein Verständnis für das Vorgehen der AfD-Politiker hat Eva Gerth, die Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW in Sachsen-Anhalt. Sie sprach davon, dass die AfD bewusst versuche, minderjährige Schüler zu verängstigen und zu manipulieren.
    Deutliche Wort fand auch Bildungsminister Marco Tullner: "Erstens ist es, glaube ich, wichtig zu betonen, dass in Schulen parteipolitische Aktivitäten nicht stattzufinden haben. Das war jetzt vor der Schule, das kann man gut oder schlecht finden. Ich finde es ausdrücklich ziemlich daneben, Drittklässler plump zu agitieren. Und ich würde mich dementsprechend auch immer positionieren, dass ich sowas nicht gut finde und darauf achten werde, dass es in Schulen jedenfalls nicht stattfindet."
    Die AfD-Kampagne gehe zudem an der Realität vorbei, sagt Bildungsminister Marko Tullner.
    "Fakt ist eins, wenn damit der Eindruck erweckt werden soll, dass es Probleme an Schulen gibt, dann verweise ich auf die Statistiken. Die Zahlen von Gewaltdelikten gehen zurück bei steigenden Schülerzahlen."
    Auch die Lehrer und Schüler der Grundschule Kastanienalle in Halle haben andere Sorgen. Sie wünschen sich einen schöneren Schulhof, eine neue Fassade und mehr Pädagogen. Solche Themen spart der AfD-Schülerfragebogen aber aus.