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Sachsen
Kontinuierliche Kürzungen an sächsischen Hochschulen

In Sachsen laufen Studierende und Institutsleiter der Universität Leipzig gegen ihr eigenes Rektorat und die Landesregierung Sturm. Aus Geldmangel sollen das Archäologische und das Theaterwissenschaftliche Institut geschlossen, über 1.000 Stellen im Bundesland eingespart werden.

Von Ronny Arnold | 25.02.2014
    16 blaue Stühle in der Leipziger Innenstadt, darauf 16 schweigende Theaterwissenschaftler. Ihre Performance, ein stiller Protest. Irritierten Passanten drückt Eva Döhne vom Fachschaftsrat Flyer in die Hand und eine Postkarte: Theaterwissenschaft Leipzig bleibt.
    "Das ist eine Art von Bildungspolitik die gemacht wird, wo gesagt wird: Wir kürzen in der Bildung. Und gerade in Sachsen, wo Städte wie Dresden und Leipzig gerade florieren, wo junge Leute dahin ziehen und studieren wollen. Da wünsche ich ihnen mal ganz, ganz viel Erfolg."
    Ihr Institut soll geschlossen werden, eingespart aus Kostengründen. Ob im Sommer noch Neueinschreibungen möglich sind, weiß derzeit keiner so genau. Die Info kam plötzlich, so Eva Döhne.
    "Das Rektorat hat das ziemlich hinterhältig, überfallartig uns mitgeteilt. Es gab davor keine Gespräche und jetzt sind eben Semesterferien, das ist ja auch strategisch so vom Rektorat gedacht, man hofft, dass es nicht so laut wird. Aber das Gegenteil ist der Fall, die Stimmung ist relativ gut und wir planen ganz stark ins neue Semester einzusteigen."
    "Weder hinterhältig noch überfallartig"
    Im Rektorat wehrt man sich. Die Schließung sei weder hinterhältig noch überfallartig geplant worden, betont Rektorin Beate Schücking.
    "Es ist den ganz normalen Weg gegangen, über den Dekan zu dem entsprechenden Institutsdirektor. Wir haben Profillinien der Universität in einem aufwendigen Verfahren erarbeitet, die sind jetzt vom Senat beschlossen. Und es gibt auch gar keine Alternative dazu, wenn an der Universität so viele Stellen eingespart werden müssen. Die Theaterwissenschaften werden für uns ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können."
    Seit Jahren wird an den sächsischen Hochschulen kontinuierlich gekürzt, allein die Uni Leipzig hat in den letzten zwei Jahrzehnten über 500 Stellen verloren. Und das trotz steigender Studierendenzahlen. Die jetzigen Einschnitte, beschlossen vom Landtag und auf die kommenden sieben Jahre verteilt, fordern sachsenweit einen Abbau von insgesamt 1042 Stellen. Alle Hochschulen im Freistaat sind betroffen: die TU Chemnitz allein in den nächsten zwei Jahren mit 28 Stellen, die TU Freiberg verliert 19 Stellen, die TU Dresden theoretisch über 60. Im Moment sind die Kürzungen hier ausgesetzt, dank dem Titel der Exzellenz-Uni. Die Leipziger Universität muss bis 2020 mindestens 172 Stellen abbauen. Was da mit der Theaterwissenschaft und auch den Archäologen passiere, so Schücking, sei erst der Anfang.
    Abbau von über 1000 Stellen
    "Wir sind jetzt bei 72 Stellen, die wir eingespart haben. Es werden noch erheblich mehr Stellen auf uns zukommen und so sind wir gezwungen, das gesamte Sparpotenzial in die Waagschale zu werfen. Und ich befürchte, nicht einmal das wird zum Schluss reichen."
    Am Ende müsse sie womöglich nicht nur Institute schließen, sondern ganze Fakultäten. Im Dresdner Wissenschaftsministerium, dem SMWK, verkauft man den Stellenabbau als zwingenden Schritt. 2019 läuft der Solidarpakt aus, zusätzlich wollen die Länder ausgeglichene Haushalte präsentieren. Alle müssten sparen, so SMWK-Sprecherin Annett Hofmann, demzufolge auch die Hochschulen.
    "Wir schauen auf zurückgehende Bevölkerungszahlen, zurückgehende Einnahmen des Staates. Die Staatsregierung hat sich zu einem gewissen Stellenabbau verpflichtet, das betrifft die Justiz, die Polizei, in der Verwaltung. Jetzt sind die Hochschulen dabei, unter 70 Stellen pro Jahr abzubauen, alle sächsischen Hochschulen. Es gibt kein Spardiktat, sondern wir statten die Hochschulen mit langfristiger Planungssicherheit aus."
    Tatsächlich haben die Rektoren in Dresden, Chemnitz und Leipzig den Kürzungen zugestimmt, zumindest bis 2016. Die Rektoren wollten finanzielle Sicherheit, nun müssen sie im Gegenzug Stellen liefern. Und sie bekommen vom Ministerium befristete Überlastmittel, um Studiengänge mit besonders hohen Studierendenzahlen zu finanzieren. Das alles kaschiere allerdings nur die zukünftigen Probleme über 2017 hinaus, so Beate Schücking. Bildung und Wissenschaft seien bislang eine der großen Stärken Ostdeutschlands – genau das setze man nun aufs Spiel.
    "Frage, in welchem Umfang sich die ostdeutschen Länder Bildung leisten können"
    "Die Frage wird sein, in welchem Umfang werden sich die ostdeutschen Länder Bildung und Wissenschaft zukünftig leisten können, wollen, sollen. Das sind politische Entscheidungen. Und wenn der Landtagsbeschluss nicht korrigiert wird, dann wird es für viele Bereiche der Uni Leipzig, aber auch anderer Hochschulen hier im Lande, sehr traurig aussehen."