Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Sächsischer Ministerpräsident
Kretschmer sucht den Dialog mit den Bürgern

Seit 100 Tagen ist Michael Kretschmer nun als Nachfolger von Stanislaw Tillich sächsischer Ministerpräsident. Einige Probleme des Landes konnte er schon angehen, aber viel Zeit, um die Menschen zu überzeugen, bleibt ihm bis zur nächsten Landtagswahl nicht.

Von Bastian Brandau | 22.03.2018
    Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident Sachsen, diskutiert über den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD.
    Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lädt Bürger zu "Sachsen-Geprächen" ein (dpa / Oliver Killig)
    "Ich möchte Ministerpräsident aller Sachsen sein. Ich liebe dieses Land. Ich mag die Menschen."
    Dresden, 13. Dezember. Der sächsische Landtag wählt mit den Stimmen der schwarz-roten Regierung einen neuen Ministerpräsidenten. Der langjährige CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer wird Nachfolger von Stanislaw Tillich.
    Kretschmer, 42 und gerade aus dem Bundestag herausgewählt, beruft neue Minister und Staatssekretäre. Ein langjähriger Parteifreund wird im Kultusministerium mit der wohl wichtigsten Aufgabe betraut: den dramatischen Lehrermangel in Sachsen zu bekämpfen. Seit knapp zwei Wochen steht der entsprechende Plan; was die sächsische CDU über Jahrzehnte abgelehnt hat, soll bald wieder möglich sein. Michael Kretschmer will Lehrer unter gewissen Umständen verbeamten.
    "Ich weiß, dass das manchen schwergefallen ist, und dass auch mancher mit der Verbeamtung fremdelt, aber entscheidend ist, dass wir Lehrerzimmer haben, wo gut ausgebildete Lehrer sitzen und dass die Lehrerzimmer nicht leer sind. Und mit dem Beschluss haben wir da glaube ich eine gute Grundlage geschaffen."
    Lehrermangel soll angegangen werden
    Kretschmer benenne ständig Mängel, die seine Partei an der Regierung selbst verschuldet habe, um dann Reparaturen anzukündigen, heißt es von der oppositionellen Linkspartei zur 100-Tage-Bilanz. Gegen die soziale Spaltung im Land habe er jedoch keine Rezepte präsentiert. Die schwarz-rote Landesregierung bleibe eine Ankündigungsregierung, findet auch Volkmar Zschocke von den Grünen.
    "Das steht erst mal alles nur auf dem Papier. Es wird sich jetzt zeigen, wann und wie es tatsächlich gelingen wird, tatsächlich auch wieder vor jede Schulklasse in Sachsen gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer zu bekommen."
    Ein neuer Stil hat in Dresden Einzug erhalten: Im Kabinett unter Kretschmer werde deutlich mehr diskutiert, heißt es. Kretschmer und seine Minister stellen sich regelmäßig in Diskussionsrunden der Bevölkerung. Die hat bei der Bundestagswahl die AfD zur stärksten Partei gemacht, knapp vor der CDU, die in Sachsen seit 1990 die Ministerpräsidenten stellt. Das politische Klima in Sachsen ist aufgeheizt, rassistische und fremdenfeindliche Ressentiments weiter verbreitet als anderswo. Trotz positiver wirtschaftlicher Zahlen herrscht eine diffuse Unzufriedenheit. Er könne nicht verstehen, warum die Leute das Glas heute wieder halb leer sähen, sagt Kretschmer - und will Optimismus verbreiten.
    "Wenn wir darüber sprechen, dass das Glas halb leer ist, dann müssen wir dafür etwas tun, dass es sich weiter füllt. Und es gelingt am besten, indem man etwas gemeinsam bewegt und auf den Weg bringt. Und da haben wir glaube ich genügend Vorschläge gemacht und auch genügend Initiativen angeschoben, um erst mal in den nächsten Monaten arbeiten zu können."
    AfD will Regierungspartei werden
    Viel Zeit bleibt Kretschmer nicht. Im Sommer 2019 sind Landtagswahlen. Die sächsische AfD, die inzwischen offen mit der islamfeindlichen Pegida-Bewegung kooperiert, sieht ihre Zeit gekommen. Fraktionsvorsitzender Jörg Urban, Nachfolger der ausgetretenen Frauke Petry, nennt als Ziel für die Wahl über 30 Prozent der Stimmen und will regieren. Für eine mögliche Koalition sehe er nur eine Option:
    "Realistisch gesehen nur die CDU. Aber die Hauptvoraussetzung ist, dass wir deutlich die Nase vorn haben und klar ist, wer ist die stärkste politische Kraft und gibt den Ton an."
    Michael Kretschmer hat eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen. Aber es gibt in der konservativen sächsischen CDU auch andere Meinungen. Und auch Kretschmer selbst bespielt mit Äußerungen zum Familiennachzug von Flüchtlingen oder zuletzt in der Tellkamp-Debatte immer wieder den rechten Rand. Er bediene Ressentiments, um AfD-Wähler zurückzugewinnen, sagt Grünen-Politiker Zschocke.
    "Ich glaube nicht, dass diese Strategie aufgehen wird. Denn wer letztendlich die AfD dadurch zu bekämpfen versucht, indem er sie kopiert, wird nach meiner Einschätzung scheitern."
    Michael Kretschmers Ziel ist klar: Die CDU wieder zur stärksten Kraft in Sachsen zu machen. Für eine Fortsetzung der schwarz-roten Koalition könnte es aber eng werden. Je nachdem, wie die AfD abschneidet, könnte Kretschmer 2019 eine Dreier – oder gar Viererkoalition bilden müssen, um gegen die AfD regieren zu können.