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Salman Shoval: Palästinenser sind nicht kompromissbereit

Auch der zehnmonatige Siedlungsbaustopp im Jahr 2010 habe die Palästinenser nicht an den Verhandlungstisch gebracht, sagt der ehemalige Botschafter Israels in den USA, Salman Shoval. Das sei der Beweis, dass sie keine Friedensverhandlungen wollten.

Salman Shoval im Gespräch mit Peter Kapern | 20.09.2011
    Peter Kapern: Der Versuch, einen Staat zu gründen und international anerkennen zu lassen, ist bestimmt schon mal unter besseren Rahmenbedingungen abgelaufen als dieser. Am Freitag will Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Vollmitgliedschaft Palästinas bei den Vereinten Nationen beantragen, ein Schritt, der vielen Politikern auf der Welt die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Israel droht mit der Aufkündigung der mit den Palästinensern geschlossenen Verträge, die USA drohen mit dem Veto und der Europäischen Union droht wieder einmal die Spaltung. Am Telefon bei uns nun Salman Shoval, der frühere Botschafter Israels in den USA. Guten Morgen, Herr Shoval.

    Salman Shoval: Guten Morgen, Herr Kapern.

    Kapern: Herr Shoval, es gibt in New York offenbar Versuche, in allerletzter Minute die Eskalation zu verhindern, die ein Antrag der Palästinenser im Sicherheitsrat mit sich bringen würde. Das Nahostquartett arbeitet offenbar an einem Plan, die Beratungen über den Aufnahmeantrag der Palästinenser bei den Vereinten Nationen hinauszuzögern und die Zeit, die das einbringen würde, für neue Friedensverhandlungen zu nutzen. Welche Erfolgsaussichten geben Sie diesem Projekt?

    Shoval: Leider wenige, denn die palästinensische Führung hat eigentlich beschlossen - und nicht nur heute, ich würde sagen, schon längere Zeit strategisch beschlossen -, keine Verhandlungen mit Israel zu führen, und sie hoffen, dass ihr Ziel durch die UNO erreicht wird, ohne irgendwelche Kompromisse mit Israel zu machen. Wenn man etwas erreichen will, Frieden zum Beispiel und einen Staat, dann müssen Kompromisse sein. Beide Seiten müssen bereit sein, etwas aufzugeben, etwas nachzugeben. Bei den Palästinensern gibt es das heute nicht und sie hoffen, dass durch eine Mehrheit in der General Assembly bei der UNO, vielleicht auch im Sicherheitsrat, ein Staat gegründet wird, ohne irgendwelche Kompromisse mit Israel zu machen, was Grenzen anbetrifft, was Sicherheit anbetrifft, was Flüchtlinge anbetrifft, was Jerusalem anbetrifft, und das geht eigentlich nicht. Die Amerikaner, ich glaube auch die Europäer versuchen noch, die Palästinenser dazu zu bringen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, aber wie die Chancen sind, die Chancen sind leider gering.

    Kapern: Aber Herr Shoval, die Palästinenser wissen doch, dass spätestens im Sicherheitsrat die Blockade durch das Veto der Vereinigten Staaten von Amerika droht. Warum sollten sie dann tatsächlich ...

    Shoval: Hoffentlich auch ohne Veto! Es ist noch nicht klar, ob es wirklich im Sicherheitsrat eine Mehrheit gibt für den palästinensischen Antrag. Vielleicht wird das Veto sogar nicht nötig sein.

    Kapern: So oder so, der palästinensische Antrag wird im Sicherheitsrat scheitern. Das heißt also, so wie Sie es gerade geschildert haben, können doch die Palästinenser gar nicht auf die Karte setzen, dass ihr Staat wirklich im Sicherheitsrat anerkannt werden kann?

    Shoval: Das stimmt. Aber wissen Sie, manchmal sind Leute, würde ich sagen, in einem bestimmten Sinne nicht immer sehr logisch und nicht immer sehr rationell. Sie denken, dass durch irgendeine Erklärung in der General Assembly ein symbolischer Sieg erreicht werden wird, das heißt kein richtiger Staat, aber irgendwie wird der Name, wird das Wort "Staat" doch da figurieren. Und dann werden sie sagen, ja, wir sind heute Halbmitglieder bei der UNO, wir werden Mitglieder in verschiedenen anderen Organisationen werden, vielleicht auch im internationalen Gerichtshof in Den Haag, dann können wir vielleicht die israelischen Soldaten und Minister dort irgendwie anklagen, und das könnte natürlich auch eine Stimmung in den Gebieten, in den palästinensischen Gebieten aufrufen, wo wir wieder Terroranschläge sehen werden. Die Bevölkerung würde sagen, ja, wir sind zwar bei der UNO gescheitert, aber jetzt wollen wir wieder terroristischen Druck auf Israel ausüben. Es könnte dazu kommen, ich hoffe nicht.

    Kapern: Das könnte aber doch bedeuten, dass Israel allen Anlass hat, eine solche Situation zu vermeiden. Das heißt, der israelische Premierminister Netanjahu wäre doch vielleicht gut beraten, einen Stopp des Siedlungsbaus anzubieten, damit die Palästinenser doch noch vor Antragstellung auf Friedensverhandlungen eingehen?

    Shoval: Wir sollten ein gutes Gedächtnis haben. Schauen Sie, es ist nicht so lange her, wo Israel zehn Monate den Siedlungsbau überhaupt gestoppt hat, und trotzdem sind die Palästinenser nicht an den Verhandlungstisch zurückgekommen. Das ist wirklich der eigentliche Beweis, dass sie keine Verhandlungen wollen. Es ist auch für sie schwer. Für einen Mann wie Abu Masen, der eine Rolle in der palästinensischen und arabischen Geschichte spielen wird, ist es schwer zu sagen, ja, wir geben das auf, wir geben anderes auf. Aber ohne das können Verhandlungen sowieso nie gelingen.

    Kapern: Der zehnmonatige Siedlungsbaustopp liegt aber doch nun schon einige Zeit zurück. Lohnte nicht ein neuer Versuch?

    Shoval: Schauen Sie, erstens mal sprechen wir nicht nur von Siedlungsbau. Eigentlich man baut seit Jahren keine neuen Siedlungen. Sie sprechen auch über Jerusalem. Aber das sind Vorbedingungen. Das heißt, erst macht ihr alles was wir wollen, dann sind wir bereit, mit euch zu sprechen. Das sind eben die Punkte, die besprochen werden müssen! Man kann nicht sagen, erst mal akzeptiert ihr unsere Bedingungen, dann setzen wir uns vielleicht an den Tisch. Worüber will man dann überhaupt sprechen?

    Kapern: Wenn die Vereinigten Staaten tatsächlich am Ende des Tages mit ihrem Veto diesen palästinensischen Antrag blockieren müssen, dann wird großer diplomatischer Schaden für die USA befürchtet in der arabischen Welt. Wäre das ein Preis, der nicht zu hoch wäre, auch im Interesse Israels?

    Shoval: Schauen Sie, unser Interesse und ich glaube das Interesse Europas ist ein erfolgreiches Amerika und ein starkes Amerika. Es sind sowieso Probleme im Mittleren Osten, eine dunkle Wolke zieht über den Mittleren Osten. Was man vor einigen Monaten als Arabischen Frühling beschrieben hat, entpuppt sich als vielleicht ein möglicher langer und dunkler Winter. Und wenn man ansieht, was sich in Syrien abspielt, was sich in Ägypten erst vorige Woche in Kairo abgespielt hat bei der israelischen Botschaft und so weiter, das sind natürlich schlimme Probleme und ernste Probleme für Amerika wie auch für Israel. Die Frage ist, ob man durch einen falschen Schritt diese Situation erleichtern kann, oder vielleicht gerade im Gegenteil.

    Kapern: Salman Shoval war das, der frühere Botschafter Israels in den USA, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Shoval, ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

    Shoval: Vielen Dank, auch Ihnen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.