Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Salzburger Festspiele
Viel Luft nach oben

Die Inszenierung der Oper "der Rosenkavalier" von Richard Strauß auf den Salzburger Festspielen ist dürftig. Das liegt nicht an der gesanglichen Ausgestaltung: Sowohl der Sopran, die Sopranistin, als auch jegliche weiteren Rollendebütanten strahlen. Die Bühne und die Inszenierung sind das Problem.

Von Christoph Schmitz | 02.08.2014
    Probe des Rosenkavaliers im Großen Salzburger Festspielhauses vor der Premiere am 1. August.
    Probe des Rosenkavaliers im Großen Salzburger Festspielhauses vor der Premiere am 1. August. (picture alliance / dpa / Barbara Gindl)
    Franz Welser-Möst am Pult geht mit den Wiener Philharmonikern in die Vollen. Üppig, süffig, trunken, verschwenderisch schießt er die Klangfontänen aus dem Graben. Für alles Komische, Ironische, Schrille und Schmierige haben die Musiker viel Sinn und breiten es genüsslich aus.
    Aber auch schönheitsselig lässt Welser-Möst es funkeln, das Lob der Ehe, das Glück der jungen Liebe, das metaphysische Einverständnis mit der Schöpfung. Manchmal kann Welser-Möst sehr leise werden und zusammen mit dem Orchester selbst ein Hörender und Lauschender, etwa wenn die Marschallin das "sonderbar Ding" der Zeit bedenkt.
    "Die Zeit, die ist ein sonderbar' Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber auf einmal, da spürt man nichts als sie. Sie ist um uns herum, sie ist auch in uns drinnen."
    Die musikalische Seite
    Die bulgarische Sopranistin Krassimira Stoyanova singt die Marschallin mit schönem dunklen Timbre und verleiht der verblühenden Frau die tiefe Melancholie des Abschieds. Dennoch spürt man, dass Krassimira Stoyanova in dieser Rolle debütiert. Ausgereift wirkt sie für den traurigen Abgesang noch nicht so ganz. Aber das ist nicht das Problem auf der musikalischen Seite. Doch ein Problem gibt es in der Tat. Das betrifft auch nicht den strahlenden Sopran des Octavian.
    "Ja, ist sie da? Dann will ich sie halten, dass sie mir nicht wieder entkommt."
    Sophie Koch singt und spielt die Hosenrolle leicht und jugendlich.
    Das Problem ist auch nicht der sabbernde, selbstgefällige, elitäre und ungehobelte Baron Ochs auf Lerchenau.
    "Da lieg' ich. Was einem Kavalier nit all's passieren kann in dieser Wiener Stadt."
    Günther Groissböck, ebenfalls Rollendebütant, verleiht seinem Baron Ochs mit stimmlicher Wucht sämtliche Facetten des überheblichen Schleimers. Das musikalische Problem dieses "Rosenkavaliers" ist, dass Franz Welser-Möst das Orchester zwar sehr gut, aber oft viel zu laut spielen lässt und damit die guten Sänger immer wieder übertönt. Sophie:
    "Herrgott im Himmel! Ich weiß, der Stolz ist eine schwere Sünd'."
    Reines Ausstattungstheater
    Die Bühne des Großen Festspielhauses ist riesig und stimmlich schwer zu füllen. Darauf nimmt Welser-Möst keine Rücksicht, was umso dringender gewesen wäre, da das Orchester sehr hoch sitzt und sein Klang mit Wucht das Große Festspielhaus flutet. Bühne und Inszenierung sind dagegen weniger spektakulär, gelinde gesagt.
    Regiealtmeister Harry Kupfer hat die Geschichte aus dem 18. Jahrhundert in die Zeit der Uraufführung des „Rosenkavalier" verlegt, also um das Jahr 1911. Wiener Stadtansichten im Nebel, Parkanlagen, Paläste, Prunksäle werden auf die Rückwand projiziert. Über den schwarzglänzenden Lackboden werden die Kulissen verschoben: Portale, Spiegel, große Betten, marmorne Zwischenwände, der Budenzauber des Prater. Das alles sieht meistens sehr edel aus. Eine Designwelt, deren Oberflächenluxus allerdings reines Ausstattungstheater bleibt und dem gedankenlosen Genuss dienen soll.
    Ein dürftiges Ergebnis
    Hinzu kommen eine meist konventionelle Figurenchoreografie und ein abgestandener Boulevardkomödienwitz. Szenisch ist das ein dürftiges Ergebnis, ebenso dürftig wie die Auftaktpremiere des "Don Giovanni" in der Regie von Sven-Eric Bechtolf und ebenso schlicht wie die Uraufführung von Marc-André Dalbavies Oper "Charlotte Salomon", die ja eher eine Geschichts- und Zitatenrevue für die Jugend ist als ein eigenständiges Stück Musikdrama. Bei den Salzburger Festspielen gibt es noch viel Luft nach oben.