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Salzpipeline
Entsalzung der Werra wird Jahrhundertaufgabe

Aus dem Salz- und Kali-Bergbau gelangen auch heute noch Millionen Kubikmeter Salzlauge in Weser und Werra. Und daran wird sich auf absehbare Zeit wohl auch nichts ändern. Denn die Sanierung der Flüsse soll sich noch über 60 Jahre hinziehen. Kernstück ist eine umstrittenen Pipeline, mit der die Salzabwässer bis zur Oberweser gleitet werden sollen.

Von Ludger Fittkau | 30.09.2014
    Ein Lader kippt am 01.07.2014 im Kaliwerk Werra am Standort Hera bei Philippsthal (Hessen) das abgesprengte Rohsalz in einen Brecher.
    400 Millionen Euro wird das Unternehmen "K+S" - in den nächsten Jahrzehnten in eine Verringerung der Umweltbelastung durch den Kaliabbau im Einzugsbereich der Werra investieren. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Eine Pipeline zur Nordsee für stark-salzhaltige Abwässer aus dem Kalibergbau in Osthessen und Thüringen wird es nicht geben. Stattdessen wird 2021 eine kürzere Salzpipeline von Osthessen zur Oberweser in Betrieb gehen. Damit soll die Salzbelastung vor allem des Weserzuflusses Werra in den nächsten Jahrzehnten Stück für Stück reduziert werden. Im Jahr 2075 schließlich soll die stark versalzene Werra wieder ein Fluss mit "Süßwasserqualität" sein. Dies ist das Ziel einer Vereinbarung, die die hessische Landesregierung mit dem Kasseler Unternehmen "Kali und Salz" kurz "K+S" jetzt in Wiesbaden vorlegte. Priska Hinz, Hessens grüne Umweltministerin spricht vor einer Gesamtlösung für die Salzbelastung der Werra:
    "Weil diese Gesamtlösung nicht nur das Thema umfasst, wie schaffen wir in den letzten 5 Jahren eine Verbesserung, sondern inklusive der "Ewigkeitslasten" tatsächlich eine Lösung zu erreichen mit dem Ziel: Süßwasserqualität in Werra und Weser, Erhalt der Arbeitsplätze in der Kali Produktion. Und natürlich muss auch hier insgesamt das Verursacherprinzip gelten, das heißt Investitionen seitens des Unternehmens sind notwendig."
    400 Millionen Euro wird das Unternehmen "K+S" - in den nächsten Jahrzehnten in eine Verringerung der Umweltbelastung durch den Kaliabbau im Einzugsbereich der Werra investieren. Damit werden mehrere tausend Arbeitsplätze gesichert. Auch das ist Teil des Vertrages, der jetzt mit dem Land Hessen geschlossen wurde. Norbert Steiner, Vorstandsvorsitzender von K+S:
    Im Sinne eines Kompromisses, der uns nicht leicht fällt. Aber: Es wird eine ganze Menge gewonnen für die Umwelt auf lange Sicht aber auch auf kurze Sicht und für die Wertschöpfung in Hessen und damit für uns alle.
    Die sogenannte "Weser-Werra-Anrainerkonferenz", in der Kommunen des Einzugsbereichs der Flüsse organisiert sind, hätte die Pipeline zur Nordsee ebenso bevorzugt wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – BUND. Thomas Norgall, Naturschutzreferent des hessischen BUND-Landesverbandes:
    Die Vereinbarung der Umweltministerin mit dem Unternehmen "Kali und Salz" zu dem Problem, wie man das Problem der Salzlaugen dort löst, ist für uns eine herbe Enttäuschung. Wir hatten ja gehofft, dass wir die Nordsee-Pipeline bekommen könnten, womit wir die Probleme zwar nicht komplett los gewesen wären, aber doch die Salze Richtung Nordsee verfrachtet hätte. Und die Nordsee ist ja ein Salzgewässer und da hätten dann die Salzlaugen sehr schnell völlige Verdünnung erfahren, beziehungsweise wären unterhalb der Salzgehalte dort gewesen. Jetzt bekommen wir eine Lösung, die sehr unklar ist und von der wir auch nicht wissen, kann man der wirklich trauen.
    Der BUND kritisiert nicht nur die weitere Belastung der Weser, sondern auch die sogenannte "Versenkung" von Salzlaugen in den Boden der Produktionsstandorte. Diese besonders umstrittene Entsorgungspraxis sollte eigentlich 2015 beendet werden und soll nun doch bis zur Fertigstellung der Salzleitung zur Oberweser im Jahr 2021 weiter möglich sein. Die grüne Umweltministerin Priska Hinz räumt ein, dass die "Versenkung" der salzigen Produktionsabfälle im Boden auch für sie die bittere Pille ist, die sie im Vertrag mit der Kaliindustrie schluckt:
    Der schwierigste Teil ist die Versenkung. Das sage ich ganz offen. Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten im Übergangsbereich auf die Versenkung verzichten können. Das ist aber ausgeschlossen aufgrund des Verschlechterungsverbots nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie.
    Heißt im Klartext: Bis zur Fertigstellung der Salzpipeline zum Oberlauf der Weser darf nicht mehr Kali-Lauge als bisher in die Werra eingeleitet werden. Sondern sie wird weiterhin in Thüringen und Osthessen im Boden versengt. Hessens grüne Umweltministerin erkauft sich mit dieser Umweltsünde eine langfristige Perspektive für eine deutliche Reduzierung der Salzeinleitungen in Werra und Weser.