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Sammelbecken für Enttäuschte

Bei Veranstaltungen der Linken im Westen versammeln sich Friedensbewegte wie politisch heimatlose Altlinke. Auch wenn die Partei in den alten Bundesländern keine stabile Verankerung in der Bevölkerung hat, könnte sie beispielsweise bei der Landtagswahl in Hessen als Zünglein an der Waage fungieren, rangiert sie doch in den Umfragen zwischen vier und sechs Prozent.

Eine Sendung von Jacqueline Boysen, Anke Petermann, und Christina Selzer | 20.01.2008
    Gregor Gysi im Wahlkampfeinsatz in Hessen. Im großen Saal des Philipp-Scheidemann-Hauses in Kassel sitzen, hocken und stehen dicht aneinandergedrängt weit mehr als die eigentlich erwarteten fünfhundert Zuhörer. Gysi zieht sie in seinen Bann, anderthalb Stunden lang.

    "Wissen Sie: ein Rentner, der zusammengeschlagen worden ist, dem ist das völlig egal, ob der Jugendliche Türke oder Deutscher ist, verstehen Sie? Der will nicht zusammengeschlagen werden. "

    Wenn Gregor Gysi als östlicher Part der prominenten linken Führungsspitze vor das Publikum in Westdeutschland tritt, kann er sich der Neugier seines Auditoriums gewiss sein: Einige sind eigens seinetwegen gekommen. Veranstaltungen der Linken im Westen sind beileibe keine linksintellektuellen oder gar revolutionären Zirkel. Hier versammeln sich Friedensbewegte wie politisch heimatlose Altlinke. Vor allem aber Menschen mittleren Alters, denen man anmerkt, dass ihr Konto leer und die Hoffnung aufgezehrt ist. Die Anhänger und Wähler der Linken im Westen seien vielfach von Resignation oder Wut getrieben, befindet der Meinungsforscher Richard Hilmer von infratest dimap.

    "Es sind vor allem Männer, zornige Männer, die die Linkspartei wählen, vor allem vor dem Rentenalter, so etwa 45-60 Jahre, die fürchten um ihre Absicherung im Alter, die diese Verwerfungen in der Gesellschaft, auch in der Wirtschaft und diese für sich am stärksten erfahren. Und die sich stark - das ist klassische SPD-Klientel - sich aus Protest der Linken zuneigen. "

    Im Sommer des vergangenen Jahres erst hat sich die Partei mit dem raffiniert gewählten Namen "Die Linke" formiert. Doch kann sie nicht als Neugründung im eigentlichen Sinne gelten, ist sie doch nach qualvollen Fusionsparteitagen und Urabstimmungen aus der SED-Nachfolgerin PDS und der westdeutschen Protestbewegung WASG hervor gegangen. Die ungleichen Partner "Partei des Demokratischen Sozialismus" und "Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit" haben sich im Protest gegen die Reform des Arbeitsmarkts und die Auslandseinsätze der Bundeswehr zusammengefunden. Damit aber erschöpfen sich die inhaltlichen Gemeinsamkeiten der beiden auch schon.

    Den anderen Volkstribun an der Spitze der Linken, Oskar Lafontaine, ficht das nicht an, wenn er in den alten Ländern der Bundesrepublik auf Wählerfang geht

    "Wir wollen im Westen die große Mehrheit der Menschen ansprechen. Das sind die Lohnempfänger, das sind die Rentenempfänger, das sind die Empfänger sozialer Leistungen. Das sind, wenn sie so wollen, über 90 Prozent der Wählerinnen und Wähler, und wenn die ihre Interessen vertreten würden, dann hätte die Linke 90 Prozent. Davon träumen wir, aber wir hoffen, dass mehr und mehr Wähler sehen: nur eine Stimme für die Linke verbessert ihr tägliches Leben."

    Parolen wie diese stehen im Widerspruch zur Alltagstauglichkeit der Linken in Westdeutschland. So in Bremen, dem ersten westrepublikanischen Stadtstaat, in dem die Linke die 5 Prozent-Hürde überspringen konnte.

    Unruhe wollte die Linke in die Bremische Bürgerschaft bringen. Das jedenfalls hatte der Spitzenkandidat, Krankenhausbetriebsrat Peter Erlanson im Mai 2007 nach dem Wahlerfolg der Linken in Bremen angekündigt. Für Unruhe zu sorgen ist ihr auch gelungen. Doch die Fraktion macht bislang weniger durch ihre parlamentarische Arbeit von sich reden als durch negative Schlagzeilen über unprofessionelle Mitarbeiter. So mussten zum Beispiel bereits beide Fraktionsgeschäftsführer ihren Hut nehmen. Der eine, Christoph Spehr, habe sich illoyal verhalten, wie es heißt. Der andere, Manfred Steglich wurde entlassen, weil er eine junge Kollegin, die Vize-Fraktionschefin Sirvan Cakici mit liebestollen E-Mails belästigt haben soll. Zurzeit gibt es gar keinen Geschäftsführer mehr. Und die derzeitige Pressesprecherin ist schon Nummer drei. Ihre Vorgängerin warf nach drei Tagen das Handtuch, weil es ihr zu unprofessionell zuging.

    Statt sich die ganze Zeit um sich selbst zu kümmern, hätte die Linke sich besser mit ihrer Rolle als Opposition befasst, sagen viele Kritiker. Denn bislang habe sie noch nicht bewiesen, dass sie zu der parlamentarischen Arbeit fähig sei, die sie ihren Wählern versprochen habe.

    Der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst hält es zwar noch für zu früh, von einem Scheitern zu sprechen. Doch seine Analyse fällt nicht besonders positiv aus:

    "Neue Fraktion, neue Leute, das sind keine Profis gewesen, ein zusammen gewürfelter Haufen, ein Teil WASG, ein Teil Linkspartei/PDS. Das muss sich jetzt erst mal zusammenruckeln. Da sind sicher auch Anfängerfehler im Spiel. Aber der Linken fällt das Versprechen aus dem Wahlkampf auf die Füße. Man hat damals gesagt, wir sind eine ganz andere Partei, wir pflegen einen anderen Politikstil, Transparenz, wir beziehen die Basis mit ein, und jetzt fordert die Basis das ein. Aber das beißt sich mit der Professionalität, die in einem Parlament verlangt wird. "

    Ein halbes Jahr vor der Wahl in Bremen hatten die beiden damals noch selbstständigen Parteien nach schwierigen Verhandlungen zueinander gefunden. Für viele WASGler war die PDS zuvor unakzeptabel. Aber auch die WASG selbst war in Bremen nicht einheitlich vertreten: Es gab den radikalen linken Teil und den gewerkschaftlich-reformerischen, zu dem auch die jetzige Fraktionsspitze gehört.

    Dass es auch innerhalb der Basis brodelt, lässt sich in wütenden Beiträgen verschiedener Internetforen nachlesen. Einige Parteimitglieder glauben zum Beispiel, Geschäftsführer Steglich sei entlassen worden, weil dieser aus der ehemaligen PDS/ Linkspartei komme. Die Bundesspitze beobachtet das alles mit großer Sorge. Denn solche Kämpfe, so kurz vor den anstehenden Landtagswahlen, könnten die Wahlerfolge gefährden. Deshalb hat Bodo Ramelow, der Bund-Länder-Koordinator, der Partei jetzt Unterstützung an die Weser geschickt:

    Leo Stefan Schmitt, ein Vertrauter Oskar Lafontaines, soll Ordnung in die chaotische Lage bringen. Und in die Buchhaltung. Denn auch dort liegt so manches im Argen. Offiziell behaupten die Bremer, sie hätten die Hilfe von sich aus angefordert. Die Fraktionsvorsitzende Monique Troedel:

    "Ich habe im Sommer gesagt, wir brauchen Unterstützung, ganz wertfrei: an dieser und jener Ecke können wir jemanden brauchen, das haben wir auch in den ersten Wochen der Fraktionsbildung gemacht, da haben wir auch Unterstützung gehabt. Wie selbstgerecht muss ein Mensch sein, der sagt, ich bin zwar ganz neu in der Politik, aber ich kann das alleine! "

    Die Bremer Linke hat in dieser Legislaturperiode jedenfalls noch Gelegenheit, ihren Wählern zu beweisen, dass sie halten kann, was sie verspricht. Dass sie als Vorzeigeobjekt im Westen nun abschreckende Wirkung haben und die Wahlerfolge in Hessen oder Hamburg gefährden könnte, das gibt hier natürlich niemand zu.

    Dafür spart die Linke in Berlin wie in Hessen, Niedersachsen und Hamburg nicht an populistisch anmutenden Versprechungen:

    für generelle Mindestlöhne von 8 Euro 44, für niedrige Energiepreise, günstige Versicherungen, Kinderzuschläge, Reichen- und Luxussteuer - gegen Hartz IV.

    Derlei Verheißungen erzielen unterdessen auf Bundesebene eine bemerkenswerte Wirkung: Die dunkelrote Linke treibt eine SPD vor sich her, die in der Großen Koalition ohnehin nicht frei agieren kann. Und doch bewegt sich etwas in der politischen Auseinandersetzung. Dann, wenn eine Partei massenwirksam fordert, was sie vage "gerechten Lohn" oder "gute Arbeit" nennt. Wollen die übrigen Parteien in der Konkurrenz mit der Linken bestehen, so würden auch sie gezwungen, ihre Vorstellungen zur Reform des Sozialstaats unters Volk zu bringen - so die Feststellung des Politikwissenschaftlers Tobias Dürr.

    "Es liegt offenkundig auch an der Linkspartei, dass sich das gesamte politische Spektrum in Richtung traditionalistischer Sozialstaatsvorstellungen zurückentwickelt hat."

    konstatiert Dürr, Herausgeber der "Berliner Republik". Diese Zeitschrift versucht seit neun Jahren, innerparteiliche Debatten in der SPD anzustoßen und intellektuellen Wagemut der Traditionspartei zu fördern.

    "Die SPD hat sich in Hamburg in ihr aktuelles Grundsatz-Programm geschrieben: Die Qualität des Sozialstaats bemisst sich nicht an der Höhe der Transferleistungen. Dieses Denken durchzusetzen, dass es auf die Qualität von Sozialstaatlichkeit ankommt, die Wirkung, dass im 21. Jahrhundert neue Probleme entstanden sind, für die es sozialstaatlich Lösungen braucht, diese Lösungen können nicht mehr dieselben sein wie in der Industriegesellschaft. Dieser Ansatz hat es solange sehr schwer, solange Oskar Lafontaine als Bewahrer der traditionalistischen Auffassung eine wichtige Rolle spielt."

    Wohl aber lohnt der Blick auf die Wechselwirkungen zwischen den beiden Parteien, die sich dem demokratischen Sozialismus verschrieben haben. Die Rückkehr der SPD zu Forderungen nach mehr Staat und mehr staatlichen Leistungen, aber auch die wieder aufgeflammte Debatte um die Friedenspolitik der Grünen - all dies verdankten die Parteien dem Einfluss seiner Linken, findet auch Gregor Gysi.

    "Das Interessante an meiner Partei ist, dass die Wirkung ja gar nicht ist, dass wir uns mit Anträgen durchsetzen, sondern dass wir erreichen, dass die Grünen sich verändern, zum Beispiel in der Friedensfrage, dass die SPD plötzlich über Arbeitslosengeld anders diskutiert, dass selbst Frau Merkel das Wort Mindestlohn in den Mund nimmt, selbst wenn sie ihn nicht will. Das heißt, der Zeitgeist gerät durcheinander und den verändern wir - und das ist die eigentlich spannende Herausforderung."

    Damit aber dürfe sich die Linke keinesfalls zufrieden geben, muss sich der nun sechzigjährige Rechtsanwalt aus Ost-Berlin sagen lassen. Katja Kipping, mit soeben erst 30 Jahren stellvertretende Vorsitzende der Linken, möchte ihre Partei nicht als Sammelbecken für frei flottierenden Protest verstanden wissen.

    "Und wenn Protest jetzt wirklich was bewirken will, dann muss er halt so angelegt sein, dass man auch die kritischen Eliten erreicht. Ich finde, wenn sich die Linke stärker dem Thema Prekarisierung stellt, dann hat sie das Potential dazu, sowohl Protest zu leisten als auch sich nachhaltig zu verankern. "

    Diese Verankerung in der Bevölkerung, jedenfalls bei jenem Teil, der in prekären Verhältnissen lebt, ist bislang ausschließlich im Osten stabil. Nur hier hat die ehemalige PDS den Charakter einer Volkspartei, vor allem aber vermittelt sie nur hier ihren Mitgliedern und den Wählern ein politisches Heimatgefühl, bestätigt Wahlforscher Hilmer.

    "Gerade im Osten sind da auch Leute mit Bildung, die nun aber in der gesellschaftlichen Hierarchie recht weit unten gelandet sind und für sich und was dramatisch auch im Westen ist, für das abgehängte Prekariat gilt, dass es für seine Kinder relativ wenig Perspektiven sieht. "

    Genau hier will Katja Kipping die Linke noch fester verwurzeln.

    "Prekarisierung greift inzwischen weit in die Wissenseliten hinein. Man kann nur sagen, ja vom Laptop bis zum Wischmob, alles prekär heutzutage. Und da müssen wir ran. Das heißt aber auch, dass man nicht nur sagen kann einfach zurück, Sozialsystem vor Hartz IV und dann wär alles in Ordnung, das wäre genau der falsche Weg."

    Eine solche Debatte aber führen weder Gysi noch Lafontaine. Auch schlucken sie tapfer die Erkenntnisse der Meinungsforscher runter. Die sehen im Aufschwung einen Grund dafür, dass die Kampagne gegen die Agenda 2010 immer weniger wirkt. Der unbeirrbare Saarländer lässt sich davon nicht erschüttern. Katja Kipping ist nicht die einzige, die einen Mangel an Kooperation beklagt. Die heterogenen Gruppen von Gewerkschaftern, PDSlern oder ehemaligen Sozialdemokraten in der Linken pflegten weiter ihr Eigenleben.

    "Ich selber fühle mich jetzt nicht so unangenehm berührt durch einen sehr strategischen Führungsstil, weil mich das nicht so beeindruckt die alten Mechanismen des autoritären Mit-der-Faust-auf-den-Tisch-Hauen usw., aber ich glaube so alles in Allem würde es der Linken gut tun, wenn sie sich stärker an Kant erinnerte: "Habe den Mut, dich deines Verstandes ohne Führung eines anderen zu bedienen"."

    Diesem Prinzip scheint Willi van Ooyen zu folgen. Der parteilose Spitzenkandidat der Linken in Hessen führt einen engagierten Wahlkampf gegen den Ministerpräsidenten Roland Koch. Der hat eine Art neuer Rote-Socken-Kampagne aufgelegt und in der Linkspartei ein Wahlkampfthema gefunden.

    Die rangiert in Umfragen zwischen 4 und 6 Prozent. Als Zünglein an der Waage könnte sie, so fürchtet das bürgerliche Lager, Rot-Grün an die Macht hieven. Beim Wettern über die Linke läuft Roland Koch in seinen Wahlkampfreden regelmäßig zu Höchstform auf.

    "Wir müssen auch offen sagen, wer diese Leute von der Linkspartei sind. In Hessen sind das reinrassige Kommunisten, die Altkommunisten aus Offenbach und Marburg, ein paar aus den östlichen Bundesländern Zugereiste und einige, die sich in Tarnfirmen der Kommunisten hier beschäftigt haben, wie der Spitzenkandidat der Deutschen Friedensunion. Klingt toll! Ostermärsche. Klingt toll! Wann ist die Deutsche Friedensunion gegründet worden? 1957. Unmittelbar nach dem KPD-Verbot des Bundesverfassungsgerichts. Von wem ist sie bezahlt worden? Von dem Etat der Staatssicherheit der DDR. Wer dort jetzt Landesvorsitzender ist und sagt: ich war in der Bürgerbewegung, da kann ich nur lachen. Das war ein Tarnagent des Kommunismus, der nicht einmal den Mut gehabt hat, wie DKP-Leute sich dazu zu bekennen, dass sie eigentlich auf der Gehaltsrolle der DDR stehen. "

    Gemeint ist Willy van Ooyen, parteiloser Spitzenkandidat, nicht Landesvorsitzender. Nach der Rebellion gegen den Gewerkschafter Dieter Hooge und dem frühen Rücktritt des umstrittenen Altkommunisten Pit Metz hat van Ooyen die hessische Linke befriedet, vorerst jedenfalls.

    Der 60jährige gelernte Elektriker und studierte Pädagoge führt eine Frankfurter Behindertenwerkstatt. Zur langjährigen Mitgliedschaft in der Deutschen Friedensunion bekennt sich van Ooyen, fügt aber hinzu: ich habe sie 1986 geschlossen, den Parteienstatus hat die DFU damals aufgegeben.

    "Ich war lange Gesprächspartner von Martin Niemöller, die ganzen Jahre über. Wir haben sehr viele Informationen ausgetauscht. Wir haben sehr viele Aktionen geplant und die Diffamierungen, die der Verfassungsschutz und solche Organe gemacht haben - ich kenn das alles, die Freunde Ulbrichts und dgl. mehr. Das ist nicht der Stil, in dem man demokratisch miteinander umgehen sollte."

    In demokratischen Kategorien aber denke die als Linke getarnte SED nicht, sind Christdemokraten wie Kochs Fraktionschef Christian Wagner überzeugt.

    "Die Programmatik der Linkspartei ist eindeutig. Sie ist nach wie vor sozialistisch, bedeutet Verklärungen der DDR, des SED-Unrechtsregimes und deshalb kann ich hier von einer Demokratisierung nichts sehen. Die Demokratie wird ja als Vehikel benutzt. Die Linkspartei sagt, sie stellt die Systemfrage. Sie will unser rechtsstaatlich-demokratisches System verändern bis abschaffen. "

    Die eigene Basis jedoch beschreibt ihre Partei ganz anders:

    "Bunt, abwechslungsreich, entwicklungsfähig. Im Moment aber auch mit einigem Zulauf. Damit auch mit einigen Spannungen, die sich manchmal zeigen und mit Entwicklungschancen in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen.

    Als, die man als Altkommunisten bezeichnen würde, also die ab Sechzig, das ist so eine winzige Gruppe.

    Da sieht man doch große Unterschiede gegenüber dem, was früher mal der MSB Spartakus oder die DKP gemacht hat.

    Ich war dreißig Jahre SPD-Mitglied und bin eben ausgetreten aufgrund der Politik, die Schröder, Müntefering usw. gemacht haben. Also, Gregor Gysi hat 1996 ein Strategiepapier, wo er sich mit der Partei PDS ganz klar von dem Staatskommunismus, Sozialismus verabschiedet hat. Also, ich weiß nicht, ob ich sonst so in die Linke mit eingetreten wäre."

    Eine Partei, die mit dem Protest gegen die Schröderschen Sozialreformen erstarkt ist und in Hessen mittlerweile große Teile des Gewerkschaftslagers vereinnahmt. Mit dem Slogan "Original sozial" beanspruchen die Tiefroten das Copyright für den Mindestlohn und hoffen, die SPD als blassen Abklatsch zu entlarven. Linken-Vorstand Hermann Schaus.

    "Ich komme ja selbst aus den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie. Natürlich wollen wir ins soziale Lager rein. Wir wollen aber auch die Unzufriedenen gewinnen, die bisher nicht zur Wahl gegangen sind, die Hartz-IV-Empfänger, die Benachteiligten, denen wieder eine Perspektive geben."

    Erst Hessen, dann die Republik erobern, ist gemeint - die Basis applaudiert euphorisch. Sollte die Linke ins Wiesbadener Parlament einziehen, kündigt Spitzenkandidat van Ooyen an, werde sie Andrea Ypsilanti von der SPD zur Ministerpräsidentin wählen. Ohne ihr als Gegenleistung dafür eine Regierungsbeteiligung abzuverlangen:

    "Derzeit ist die SPD mit ihrer Kriegspolitik seit `98 nicht ein Bündnispartner der Friedenspolitik und sicher auch nicht der Linken in der derzeitigen Situation. Aber es kann immer wieder Zeiten und Änderungen geben, dass man dann natürlich inhaltlich rein konkret reden muss und nicht abstrakt. "

    Van Ooyen selbst redet derzeit von rot-grüner Minderheitsregierung und wechselnden Mehrheiten. Wie einst Sachsen-Anhalts früherer SPD-Regierungschef Reinhard Höppner.

    In der Stadt Berlin zeigt sich eine eher unauffällige, vor allem nicht revolutionäre Linke. Wo immer die Partei an der Regierung beteiligt ist - oder als PDS war - sind sozialromantische Vorstellungen einem nüchternen Pragmatismus gewichen. Dieser Entzauberung aber könne man vorbeugen, so Katja Kipping.

    "Die Linke muss sich heute vor allem die Idee des Citoyen der Französischen Revolution wieder zu eigen machen. "