Freitag, 29. März 2024

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Sammlung Igor Strawinsky in Basel
„Er war ein Selbstdarsteller"

Vor fünfzig Jahren starb Igor Strawinsky in New York. Sein Nachlass liegt größtenteils in Basel, bei der Paul Sacher Stiftung. Kuratorin Heidy Zimmermann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Fotos, Noten und Briefen. "Der Nachlass verrät viel über den Menschen, den Künstler, sein Leben", sagte sie im Interview.

Heidy Zimmermann im Gespräch mit Jochen Hubmacher | 05.04.2021
Der Komponist Igor Strawinsky 1927 (digital nachcoloriert)
Igor Strawinsky gehört zu den meistgespielten Komponisten des 20. Jahrhunderts. (IMAGO/Leemage)
Paul Sacher war Dirigent, Mäzen und ein großer Verehrer von Igor Strawinsky. Als der Nachlass des Komponisten 1983 in New York verkauft wurde, setzte Sacher alles daran, ihn für seine Stiftung zu gewinnen. Für 5,25 Millionen Dollar erwarb er die Sammlung, die heute in der Baseler Paul Sacher Stiftung öffentlich zugänglich ist.

"Unglaublich viele Dokumente aufbewahrt"

Über sein ganzes Leben hinweg habe Strawinsky unzählige Unterlagen gesammelt, sagt Kuratorin Heidy Zimmermann. "Nicht nur, was sein unmittelbares Komponieren und Skizzieren betraf, sondern auch die ganzen Begleitdokumente zu seinem musikalischen Leben". Dazu gehören mehrere Zehntausend Briefe, Programmhefte und Fotos von seiner Kindheit bis zu seinem Tod.
Zum 50. Todestag von Igor Strawinsky Die Biografie des Komponisten wird erlebbar mit dem neuen Strawinsky-Guide. Das Angebot wirft Schlaglichter auf ein schillerndes Leben voller Abenteuer, voller Freunde wie Feinde, voller Provokation.
Aus der ganzen Welt reisen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Basel. Denn die Stiftung lege Wert darauf, keine Dokumente zu kopieren oder zu verschicken, erklärt Zimmermann: Die Forschenden sollen vor Ort arbeiten und so in Austausch kommen.

"Schon zu Lebzeiten eine historische Figur"

Aus den Unterlagen lasse sich erkennen, dass Strawinsky sich bewusst selbst dargestellt habe. "Er ist wahrscheinlich die meist fotografierte Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts, neben Picasso", meint die Kuratorin. Auch seine öffentliche Meinung habe er wohlweislich dem jeweiligen politischen Kontext angepasst und so oft widersprüchliche Aussagen gemacht.
Ein Mann mit streng zurückgekämmten Haaren sitzt am Klavier und blickt durch eine runde Brille nach links in die Kamera. Er trägt hellgraues Jackett mit weißem Einstecktuch und schwarze Cordhose.
Igor Strawinskys Kammermusik: Laboratorium im Kleinen? Gewaltig und skandalumwittert oder elegant und salonfähig: Igor Strawinsky setzte in den großen Gattungen eine breite Ausdruckspalette ein. Die findet sich teilweise auch in seiner Kammermusik. Doch die Werke sind wenig bekannt.

Das Herzstück der Sammlung Strawinsky seien die Musikmanuskripte, sagt Heidy Zimmermann. Anhand der umfangreichen Dossiers lasse sich der Schaffensprozess des Komponisten nachvollziehen: vom ersten Notizzettel über die Entwürfe am Klavier bis hin zu den prächtig gestalteten Reinschriften.

Kreative Anverwandlung als große Stärke

Was Strawinsky so besonders mache: Ihm sei es gelungen, bestehendes musikalisches Material aufzugreifen, um es sich anzuverwandeln und etwas ganz Eigenes daraus zu machen. "Am Ende klingt es zwar wie eine russische Melodie oder wie Pergolesi, und trotzdem hört man in den ersten Minuten, es ist Strawinsky."