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Sample Packs
Eine neue Form des Albums?

Viele Musiker arbeiten mit sogenannten Sample Libraries, die vor allem Firmen bisher verkauft haben. Nun entdecken namhafte Produzenten wie SOPHIE, Deadmau5 oder Boys Noize den Markt und verkaufen ihre Ur-Tracks als Sample Packs. Ist das bloß ein weiteres Marketing-Tool oder sind diese Samples Packs sogar das neue Album?

Von Ina Plodroch | 28.09.2017
    Der deutsche Musikproduzent Boys Noize, aka Alexander Ridha beim Ultra Music Festival in Miami, Florida im März 2011.
    Der deutsche Musikproduzent Boys Noize, aka Alexander Ridha beim Ultra Music Festival in Miami, Florida. (picture alliance / dpa / Steve C Mitchell)
    Im Sommer letzten Jahres hat der DJ und Produzent Alexander Ridha als Boys Noize das Album "Mayday" veröffentlicht.
    "Für mich ist das Album, bleibt’s weiterhin ein wichtiger Bestandteil als Musiker."
    Genau wie die Verschleierung seiner Stimme – die möchte er nämlich nicht offenbaren und hat deshalb das Interview mit Auto-Tune verfremdet. Ein Album ist für Boys Noize:
    "Die beste Plattform, so einen Zeitraum, ein Gefühl oder eine Idee festzuhalten."
    Aber ein bisschen frustrierend findet er es schon, fast ein Jahr Arbeit in die 13 Tracks des Albums gesteckt zu haben.
    "Wenn man dann sieht wiederum, dass man mit einem einzigen Song denselben Impact hat, dann denkt man schon mal drüber nach, ob es wirklich nötig ist."
    Arbeit mit Samples nichts Ungewöhnliches mehr
    Viele Produzenten und DJs bringen schon lange keine Alben mehr heraus, sondern versuchen, ihren Veröffentlichungstakt mit einzelnen Tracks stetig zu erhöhen. Viel hilft viel. Weil Alexander Ridha aber nicht auf das Album als Kunstform verzichten will, hat er es nun erweitert.
    "Und ich habe sozusagen ein Sample Pack, was die einzelnen Elemente meines Albums zur Verfügung stellt, veröffentlicht."
    210 Samples: Snare, Drum Loop, Kick und so weiter – mal nur eine Sekunde lang. Ist das also eine neue Form des Formats Album – keine Songs mehr, sondern nur der eigene Klangstempel für die Jungproduzenten?
    Für elektronische Musiker ist die Arbeit mit Samples nichts Ungewöhnliches. Auch Stefanie Grawe aus Köln, die als Gray auflegt und produziert, spielt die Sounds, mit denen sie dann im Schnittprogramm am Laptop arbeitet, in einem Studio selbst ein. Ab und an nutzt sie aber auch Samples von Firmen oder anderen Produzenten.
    "Also ich würde das benutzen teilweise, nicht komplett. Und wenn es nur ein Sample ist, was mich irgendwie reizt, dann würde ich es aber teilweise auch verfremden."
    Kleine Einnahmequelle in finanzschwachen Zeiten
    Für erfahrene Produzenten, die nicht nur ein bisschen rumspielen, ist so ein Sample Pack von einem bekannten Produzenten wie Boys Noize, also eher nichts. Aber:
    "Es gibt natürlich die, das ist ja auch gerade in der jüngeren Generation so. Die sagen: 'Ich will jetzt klingen wie Boys Noize oder Skrillex.' Das ist für die total toll, weil es auch ein guter Lernprozess ist."
    Dass Produzenten ihre Fans damit gut erreichen können, haben auch andere entdeckt: Deadmau5, SOPHIE oder das Londoner Label PC Music haben die Bausteine ihrer Tracks als Sample-Pakete herausgebracht.
    "Das soll nicht heißen: Kauft mein Album, aber es ist ein Reminder, dass es das auch gibt."
    Ein bisschen Marketing, aber auch eine kleine Einnahmequelle in Zeiten, in denen das Album immer noch viel Arbeit kostet, aber wenig Geld einbringt.
    "Aber gleichzeitig dachte ich auch, dass es echt cool ist, den jungen Produzenten einen Einblick zu geben, wie ich produziere, was da für Sounds zu hören sind."
    Notenheft zum Album
    Musik wird transparenter. Produzenten teilen viele Aspekte ihrer Arbeit und ihres Lebens in den sozialen Netzwerken. Warum also nicht auch die sezierten Bestandteile eines Tracks?
    "Heutzutage ist es wirklich so, dass viele junge Produzenten, die damals vielleicht vor 20 Jahren zur Gitarre oder zum Piano gegriffen hätten, heutzutage einfach Musikprogramme haben und dann direkt produzieren können."
    Deshalb ist so ein Sample-Pack ein bisschen wie das Notenheft zum Album. Und eine Möglichkeit, den eigenen Sound-Stempel an junge Produzenten weiterzugeben. Sie könnten auch das uralte Albumformat als starren Rahmen für festgelegte Songs, die immer gleich abgespielt werden, aufweichen: Vielleicht wird Popmusik interaktiver –, genau wie es eine App von Björk auch schon andeutet – weg von Songs und Alben, hin zu Versionen oder Bauteilen, aus denen der Fan etwas Eigenes erschafft.