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Sandalenfilm als Melodram

Historischem Stoff widmet sich Regisseur Kevin Macdonalds in seinen Filmen mit Vorliebe. In seinem neuen Streifen "Der Adler der neunten Legion" geht er bis ins Jahr 140 nach Christus zurück. Ein Sandalenfilm über die Römer in Schottland, seiner Heimat.

Von Josef Schnelle | 03.03.2011
    140 nach Christus erstreckte sich das römische Reich über ganz Europa. Über ganz Europa? Keine Macht hatte Rom über den Hadrianswall hinaus , der das römische Britannien von der wilden Bergwelt Schottlands trennen sollte. In dieser Zeit siedelte Rosemary Sutcliff ihren populären Jugendroman über das Verschwinden der legendären neunten Legion an. Wahrscheinlich wurde sie von den vereinigten wilden Stämmen in einer britannischen Varus-Schlacht vollkommen aufgerieben. Selbst der Adler, das Feldzeichen jeder Legion, wurde angeblich von den Barbaren erbeutet. Die fiktive Geschichte geht so: Marcus hat sich in das unbeliebte Britannien versetzen lassen, um die Ehre seines Vaters wiederherzustellen, der Kommandant der Neunten Legion gewesen ist. Doch die Welt in Britannien ist alles andere als römisch befriedet.

    "Zurückziehen!"

    Marcus ist natürlich ein guter Held. Hinter einem fernen Donnergrollen erahnt er schon den kommenden Angriff der Barbaren. Er rettet auch fast nebenbei einen Sklaven vor der Willkür in der Gladiatorenarena und wagt sich, ganz auf sich gestellt, in die feindlichen Territorien. Ganz auf sich gestellt? Seinen Sklaven Esca nimmt er freilich mit. Ausführliche Warnungen von Donald Sutherland als wohlmeinendem Onkel schlägt er natürlich in den Wind. Nur so kann das Abenteuer in der feindseligen "Terra Incognita" beginnen.

    "Kein Römer überlebt nördlich des Walles alleine." - "Dann geh ich mit Escar. Er spricht ihre Sprache." - "Warum nicht?" - "Weil er Britannier ist. Er mag nicht von nördlich des Walls sein. Aber er ist Britannier. Und er wird Dir die Kehle durchschneiden, wenn ihr allein seid." - "Das würde er nicht tun."

    So etwas wie den Film "Gladiator" von Ridley Scott muss Regisseur Kevin Macdonald im Sinne gehabt haben. Vor allem mit seinem virtuosen Film über einen europäischen Gefolgsmann des Diktators Idi Amins in "Der letzte König von Schottland" war er bekannt und vielfach ausgezeichnet worden. Das Genre des Sandalenfilms - mit dem er sich nun beschäftigt - ist längst verschmolzen mit dem des Western, der ja als einziges Genre immer wieder von der Landnahme einer imperialen Macht im Kampf gegen Ureinwohner erzählt. John Wayne dringt in "The Searchers" - deutsch "Der schwarze Falke" von John Ford ins feindliche Territorium der Indianer vor, in eine archaische Seelenlandschaft, in der die wahren Charaktereigenschaften der Helden endlich zu Tage treten und in einem elementaren Wettstreit ihre Überlegenheit beweisen müssen.

    "Der Adler der Neunten Legion" ist von Anfang an ganz und gar kein klassischer römischer Historienfilm. Zwei Männer im Land wilder gewalttätiger Stämme. Das erinnert eher an "Der letzte Mohikaner" von Michael Mann als an "Cleopatra" oder "Die letzten Tage von Pompeji". Der schicke römische Zivilisationspomp mit Bädern, Mauern, Festgewändern und militärischem Gepränge ist auf ein Mindestmaß reduziert. Sehr viel präsenter sind hingegen der bedrohliche Wald und die grandiosen Landschaften. Bei der entscheidenden Schlacht stehen alle Beteiligten knietief im Wasser und die eigentlich ziemlich unbekannten Darsteller bemühen sich redlich, eine fremde Welt auferstehen zu lassen. Endlich kann man auch einmal ein "Schildkröte" in Aktion sehen, jene siegreiche römische Angriffstechnik, bei der die Soldaten ihre Schilde zu einem panzerartigen Gebilde vereinigten und damit vor Speerwürfen und Pfeilkaskaden gesichert waren und trotzdem einen Angriff vortragen konnten. Doch eine Konstante des Krieges von jedem gegen jeden kann diese Kampfstrategie nicht verhindern - den Verrat.

    "Wer hat den Adler?" - "Es heißt der Seehundclan hat ihn." - "Wie find ich den?" - "Er weiß es." - "Er ist ein Brigant. Sie kämpften hier."

    "Der letzte König von Schottland" - Kevin Macdonalds Kinofilm über den ugandischen Diktator Idi Amin (DLF)