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Sanderling: Dresden wird von der Entscheidung profitieren

Trotz aller Kritik an den Umbauplänen und dem Wegfall der bisherigen Mehrzweckhalle, sagt Michael Sanderling, dass Dresden Ersatzspielstätte habe, die für andere Veranstaltungen genutzt werden können.Der Chefdirigent der Dresdner Philharmoniker glaubt, dass ein neuer Konzertsaal als Magnet für auswärtige Orchester wirken könne.

Michael Sanderling im Gespräch mit Kathrin Hondl | 05.04.2012
    Kathrin Hondl: Dresden - das ist für Kulturtouristen natürlich die Barockstadt: Zwinger, Gewandhaus, die wiederaufgebaute Frauenkirche, Barockbauten dominieren das Stadtbild in Dresden. Von der neobarocken Kreuzkirche aus blickt man aber auch auf ein gar nicht barockes Gebäude der Nachkriegsmoderne, das aber seit ein paar Jahren auch unter Denkmalschutz steht: der Kulturpalast nämlich, ein quaderförmiger flacher Bau, der 1969 eröffnet wurde und den die Dresdner kurz und knapp den "Kulti" nennen. Der Festsaal des Kulturpalasts ist auch der Konzertsaal der Dresdner Philharmonie, und das soll er in Zukunft auch erst recht sein - mit einer konzertsaalwürdigen Akustik nämlich, die die Mehrzweckhalle, die es da jetzt gibt, nicht bieten kann. Gestern Abend hat der Dresdner Stadtrat beschlossen, der Kulturpalast wird zu einem modernen Konzertsaal umgebaut. Lange war über dieses Projekt gestritten worden: Bürgerinitiativen wurden gegründet, der Architekt wehrt sich gerichtlich gegen den Umbau und natürlich ging es auch ums Geld, 80 Millionen soll der Umbau nämlich kosten. Aber wie gesagt: Nun ist die Entscheidung gefallen, der Kulturpalast wird umgebaut, und am Telefon ist Michael Sanderling, der Chefdirigent der Dresdner Philharmonie. Was sagen Sie zu der Entscheidung, Herr Sanderling?

    Michael Sanderling: Na ja, ich bin natürlich genauso wie jedes Mitglied der Dresdner Philharmonie erleichtert, dass die Stadt Dresden nach sehr intensiver Abwägung aller Dinge, die sie zu beachten hatte, zum Kulturstandort Dresden steht und das dadurch dokumentiert, dass ein neuer Konzertsaal in Dresden entsteht, der ja nicht nur die Heimstätte der Dresdner Philharmonie bedeuten wird, sondern auch als Magnet für auswärtige Orchester, die in Dresden gastieren wollen, fungieren wird, und ich denke, dass das trotz aller Schwierigkeit eine sehr, sehr gute Entscheidung war, und in einigen Jahren werden alle, auch die, die das jetzt immer noch kritisch beäugen, sich überzeugen können, dass Dresden von dieser Entscheidung profitiert.

    Hondl: Die Gegner des Umbaus, von denen Sie jetzt eben auch gerade schon gesprochen haben, die haben ja unter anderem immer wieder ein Argument vorgebracht, nämlich die Befürchtung, dass wenn mit dem Umbau dann ein richtiger Konzertsaal entsteht und keine Mehrzweckhalle mehr wie jetzt, dass dann das Wesentliche dieses Kulturpalastes verloren ginge, also das, womit sich die Dresdner Bürger identifizieren. Inwiefern sind denn diese Einwände vielleicht nicht auch berechtigt, wie ist das mit der Identifikation der Dresdner mit dem Kulturpalast?

    Sanderling: Ich glaube, dass gerade der Umbau des Kulturpalastes, der ja sich nicht nur auf den Einbau eines neuen Konzertsaales bezieht, sondern der ja auch beinhaltet, dass "die Herkulessäule", das Dresdner Kabarett und die Stadtbibliothek hier einziehen, dafür sorgen wird, dass der Kulturpalast sehr viel mehr Publikumsmagnet sein wird, nämlich nicht nur abends zu den üblichen Konzertstunden, sondern den ganzen Tag über. Hier wird wirklich wieder Leben in den Kulturpalast einziehen, so wie es vielleicht noch nie der Fall war, noch nicht der Fall sein konnte.

    Für diejenigen, die im Kulturpalast dann die Konzerte vermissen werden, die tatsächlich nicht mehr stattfinden können, weil sie in keinen Konzertrahmen passen - ich will jetzt keine Namen nennen ...

    Hondl: Sie denken mehr an den Unterhaltungsbereich.

    Sanderling: ... ich denke an den U-Sektor, ganz genau -, denen kann man ja guten Gewissens sagen, Dresden hat mehr als eine Ersatzspielstätte dafür, die vielleicht für die Veranstalter auch noch viel interessanter sind, weil sie noch sehr viel mehr Publikum gleichzeitig fassen können.

    Hondl: Vorausgegangen ist dem Ganzen ein gut 20 Jahre lang dauernder Streit über diesen Umbau. Mehrere Stadtratsbeschlüsse gab es ja auch schon, die aber nicht umgesetzt wurden. Was macht Sie jetzt eigentlich so optimistisch, dass es nun tatsächlich zum Umbau kommt? Kann man wirklich jetzt sagen, ende gut, alles gut?

    Sanderling: Also ich glaube, dass wir bei diesem Mal in einer anderen Situation sind als die Male zuvor, die Sie beschrieben haben, wo es Beschlüsse gab, die dann nicht umgesetzt werden konnten. Diesmal ist klar, dass es nicht nur darum geht, eine qualitative Verbesserung für Dresdens Musikleben und die Philharmonie zu schaffen und damit für das Publikum, sondern diesmal ist ja ein ganz existenzieller Grund einhergehend, nämlich der Saal, so wie er jetzt existiert, ist ja in jedem Fall nicht mehr betriebstüchtig ab 1. August und insofern besteht ohnehin eine Notwendigkeit, Geld in die Hand zu nehmen. Und die Frage war jetzt ja nur, in welcher Form tut man das und mit welcher Zielsetzung.

    Hondl: Aber auch, woher nimmt man das Geld.

    Sanderling: Das ist ja ein Finanzierungsmodell, darum ging es ja jetzt gerade, das ist geprüft worden, das ist ein sicher sehr ausgetüfteltes System. Ich habe aber keinen Grund, in meinem Vertrauen an diejenigen, die das überschauen können und deswegen auch zur Beschlussvorlage gemacht haben, zu verlieren und ich denke, dass, soweit ich das aus meiner Perspektive sagen kann, das die Variante ist, wo am wenigsten Porzellan zerschlagen werden musste. Und ich bin sehr froh, dass jetzt zumindest erst mal ein Anzeichen gegeben worden ist, dass ich wieder mehr das tun kann, wozu ich eigentlich nach Dresden komme, nämlich Musik machen.

    Hondl: Vielen Dank. - Das war Michael Sanderling, der Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, zum bevorstehenden Umbau des Kulturpalastes in Dresden.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.