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"Sandy" und die wirtschaftlichen Folgen

Einen Tag nach dem Durchzug des Hurrikans "Sandy" kehrt die US-Ostküste allmählich zur Normalität zurück. Im Großraum New York nahmen die Busse den – wenn auch eingeschränkten – Betrieb wieder auf. Und auch Flughäfen und die US-Börsen beendeten ihre zweitägige Zwangspause.

Von Michael Braun | 31.10.2012
    Jetzt geht es ans Aufräumen und um die Frage: Welche finanziellen, welche wirtschaftlichen Schäden das Unwetter angerichtet? Natürlich kann sie sich blitzschnell korrigieren. Aber der erste Eindruck nach zwei Tagen geschlossener Börsen in New York verheißt Entspannung: Die Indizes zeigten heute zum Handelsstart nach oben. "Sandy" hat viele Menschenleben gekostet, die U-Bahnen wurden überflutet, die Stromversorgung gestört. Aber die große Katastrophe ist ausgeblieben.

    Das deckt sich mit Einschätzungen hiesiger Versicherungsanalysten. Christian Muschick von Silvia Quandt-Research mahnt, die Sorgen um die Sandy-Schäden nicht zu übertreiben:

    "Ehrlich gesagt, ist da ziemlich viel Rummel um diesen Hurrikane gemacht worden. Wenn man das mal in Perspektive setzt: Wir hatten 60 Milliarden Schäden bei 'Kathrina'. Wir hatten 35 Milliarden in Japan letztes Jahr bei dem Erdbeben und dem Tsunami. Im Endeffekt: Jeder größere Wintersturm in Europa kostet irgendwo so drei bis fünf Milliarden."

    Die Börse schien es genauso zu sehen. Die Aktien des Versicherungskonzerns Allianz und noch mehr die der Rückversicherer Munich Re und Hannover Rück stiegen heute jedenfalls überdurchschnittlich.

    Und das bei bis zu 50 Toten und Sachschäden, die nach Schätzungen von Wirtschaftsfachleuten bis zu 20 Milliarden Dollar betragen, umgerechnet also gut 15 Milliarden Euro. Dazu Verdienst- und Produktionsausfälle, weil Millionen Menschen und tausende Betriebe ohne Strom waren, Bahne, Busse und Flugzeuge nicht verkehren konnten. Zwischen New York und Washington seien überwiegend Dienstleistungsbetriebe angesiedelt. Und deren Gewinnausfall sei nicht als von Betriebsunterbrechungsversicherungen gedeckt, sagt Muschick. Wie überhaupt die Versicherungsbranche sich nach solchen Naturgewalten nicht von großen Zahlen schocken lasse.

    "Ich habe sogar eine Zahl bis zu 50 Milliarden US-Dollar gehört. Es ist natürlich sehr früh im Prozess. Und das sind alles modellbasierte Schätzungen, die noch ordentlich nach oben und unten abweichen können. Das heißt aber nicht, dass das versicherte Schäden sind. Die sind deutlich niedriger. Da haben wir Schätzungen von Air Worldwide, das ist ein Katastrophenmodellierungsunternehmen, von sieben bis 15 Milliarden versicherte Schäden und von Equicut, einem Konkurrenten, von fünf bis zehn Milliarden."

    Zumal die Branche auch darauf achtet, ob in den Schadenssummen der zerstörte oder ein – besserer – Zustand nach dem Wiederaufbau eingerechnet werde. Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek berichtete einmal, warum nach dem Erbeben in Neuseeland im vorigen Jahr die Schadenssumme nur mit Verzögerung zu ermitteln war:

    "Wo will man denn nun wieder aufbauen Will man überhaupt wieder aufbauen? Es verzögert sich alles. Es kommt nicht in die Gänge, auf deutsch gesagt. Und dann sind auch Änderungen des Baucodes in der Diskussion, also man will besser wiederaufbauen als das alte Gebäude mal gebaut war. Und die Frage, wer trägt eigentlich die Kosten für die höheren Standards, die natürlich Geld kosten und über den Zeitwert, der bisher der Versicherung zu Grunde lag, dann auch hinausgehen."

    Präsident Obama hatte sich mit den Vorständen einiger Energiefirmen getroffen und betont, dass die Wiederherstellung der Stromversorgung oberste Priorität habe. Gut 24 Stunden nach dem Durchzug von "Sandy" waren an der Ostküste weiter sieben Millionen Menschen ohne Strom.