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Sanfter Rohstoff

Sobald Friedrich Priehs seinen potentiellen Kunden den Vibratortest demonstrieren kann, hat er sie - zumindest hat er sie überzeugt von den sichtbaren Vorteilen seiner Flupis, den Papierschaumstücken aus Altpapier und Kartoffelstärke. Sein Beweis: zwei schwere Schraubenschlüssel als Modelltransportgut in Kartons.

Wulf-Peter Gallasch | 25.02.2004
    Wir haben hier links unsere Flupis mit einem Werkzeug und rechts das gleiche Werkzeug bei den Kunststoffchips liegen, und ich schalte jetzt mal den Vibrationstisch ein. Sie sehen, dass innerhalb weniger Sekunden das Werkzeug bis an den Boden durchgesackt ist, der so genannte Treibsandeffekt. Bei den Flupis bleibt es oben liegen.

    Damit die makkaronigroßen Hartschaumstücke wie Sandpapier aneinander kleben, hat der Unternehmer lange experimentiert. Die jetzt richtige Cellulose-Stärke-Mischung ist ähnlich geheim, wie das Rezept für Coca Cola. Denn, da ist Priehs sicher, in dem Papierschaum schlummert noch einiges Potential, das sich vermarkten lässt.

    Auch rechnerisch kann sich die Antwort auf Füllchips aus Styropor sehen lassen. Unterm Strich, sagt der mittelständische Unternehmer, ist er billiger als seine Mitbewerber. Und das liegt auch daran, dass sein patentiertes Verpackungspapier, einmal gebraucht, wieder zu dem werden kann, was es schon mal war:

    Wir gehen davon aus, dass die Flupis dem Altpapierkreislauf wieder zugeführt werden können. Es kann auch deponiert werden, sie können verbrannt werden, sie können auch kompostiert werden, hervorragendes Kompostiermittel, und darüber hinaus ist es mittlerweile auch möglich, in die Vergärung zu gehen, und wir gewinnen aus einem Kilo Papierschaum über 260 Liter Methangas, das heißt also fast 2,8 Watt Heizenergie kann aus diesem Material in einem total geschlossenen Kreislauf wieder gewonnen werden.

    Aber für potenzielle Abnehmer der Flupis sind mögliche ökologische Vorteile des Verpackungsmaterials meist zweitrangig. Als Lizenznehmer des dualen Systems zahlen sie bereits für die Weiterverwertung des konventionellen Verpackungsmülls. Daher kommt zuerst die Frage nach dem zusätzlichen wirtschaftlichen Nutzen dieses Produkts ohne grünen Punkt. Zudem gilt etwa für Lebensmittelhersteller in Deutschland, anders als in Holland oder England, biologisch abbaubare Verpackung nicht oder noch nicht als verkaufsfördernd:

    In sich betrachtet, sind Verpackungen das letzte notwendige Übel in der Beschaffung, zum Schutz eines Produktes, das heißt etwa zwei bis drei Prozent des Einkaufsvolumens macht das aus. Und da hat man natürlich nicht die Aufmerksamkeit.

    Aber die Überzeugungsarbeit für seine Erfindung kostet. Kurzfristige finanzielle Unterstützung im harten Wettbewerb gegen die Kunststoffkonkurrenz wäre dem Papierschaumproduzent daher willkommen. Die Landesregierung aber zum Beispiel bewertet die biologisch abbaubaren Werkstoffe auch nach ihrem Zusatznutzen. Heinz-Ulrich Bertram vom Niedersächsischen Umweltministerium unterteilt die Biomasse daher in zwei Bereiche. Einmal die Produkte, die sich selbst auflösen: Sargurnen, Ackerfolien, medizinisches Nahtmaterial oder ähnliches. Dann die nachwachsenden Produkte, die zwar kompostierbar sind, trotzdem aber erstmal als Müll anfallen, entsorgt und behandelt werden müssen und so wiederum Energie verbrauchen. Die selbst auflösenden Stoffe haben für Bertram einen Zusatznutzen, werden sich daher auch ohne Finanzspritzen am Markt behaupten:

    In den anderen Bereichen ist aus meiner Sicht eine zusätzliche Förderung nicht sinnvoll und auch nicht sachgerecht, weil diese Werkstoffe, die insgesamt ein Entsorgungserfordernis haben, sich letztendlich am Markt und damit am Wettbewerb durchsetzen müssen.

    Damit die meist höheren Preise für die Werkstoffe aus Kartoffeln, Rüben, Weizen oder Zellulose günstiger als die auf Rohölbasis werden, müssen sie aber erst richtig in den Markt kommen, meint Christopher Präter von der Forschungsgemeinschaft biologisch abbaubarer Werkstoffe in Hannover. In manchen Bereichen, wie der Fahrzeug- oder Flugzeugindustrie ist das bereits der Fall. Präter sieht aber noch in vielen Unternehmen ein Informationsdefizit, ohne dass auch der Marktanteil abbaubarer Verpackung größer sein könnte. Und noch ein Aspekt bereitet Probleme:

    Es die Entsorgung, dass das Entsorgungssystem für diese Produkte noch aufgebaut werden muss und wir in Deutschland eben kein Entsorgungssystem haben, was bundesweit greift, sondern was von jeder Kommune einzeln geregelt wird. So dass es sehr schwierig ist, das entsprechend vorzubereiten.

    Auf dem Markt für Füllmaterial verkauft Friedrich Priehs seine Flupis zwar schon jetzt bis nach Malaysia, als Rohmasse. Aber den Zusatznutzen seines Papierschaums, den erkennen trotz überzeugendem Rütteltest noch zu wenige seiner möglichen Kunden.