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Sanierungsstau
Debatte über Rettung für Schwimmbäder in Not

Überfüllte Schwimmkurse, Schulkinder, die nicht schwimmen können, marode Becken: Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft fordert mit einer Petition einen Masterplan für Schwimmbäder. Doch woher soll das Geld dafür kommen?

Von Gudula Geuther | 09.12.2019
Gesperrter Startblock an einem Schwimmbecken
Rund ein Viertel der Grundschulen könne keinen Schwimmunterricht mehr anbieten, beklagt die DLRG (imago)
Durchschnittlich 80 öffentliche Schwimmbäder schließen pro Jahr in Deutschland. Öffnungszeiten werden verringert. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, DLRG, schlägt Alarm. Im Bundestag beschrieb DLRG-Präsident Achim Haag die Folgen:
"Nur jede vierte Grundschule hat überhaupt Zugang zu einem Bad. Lehrschwimmbecken bilden die Ausnahme. Vielfach gehört Schwimmen schon nicht mehr in den Lehrplan. Wartezeiten von zwei Jahren für Schwimmkurse sind eine traurige Realität."
41 Prozent der Grundschulkinder könnten inzwischen nicht mehr sicher schwimmen, das haben DLRG-Umfragen ergeben. Haags Organisation führt auch 348 Ertrunkene in den ersten acht Monaten dieses Jahres auf fehlende Schwimmkenntnisse zurück. Einkommensschwache Familien würden außerdem besonders hart vom Bädersterben betroffen.
"Sie können es sich nicht leisten, jedes Jahr in Urlaub zu fahren. Und ein schleichendes Bädersterben schmälert das Freizeitangebot der Kommunen. Und es begünstigt – ja, man könnte es hart formulieren – eine regelrechte Sozialauswahl seiner Einwohnerinnen und Einwohner."
Kommunen im Osten investierten eher in Spaßbäder
Die Klage trifft auf offene Ohren bei den Abgeordneten aller Fraktionen, darunter CDU, SPD und Linke. "Das war ein sehr eindrucksvoller Vortrag, den ich voll und ganz teile." "Ich glaube, Sie haben das gut beschrieben, welche wichtige gesellschaftliche Aufgabe Bäder haben, auch über das Erlernen des Schwimmens hinaus." "Meine Generation, die können alle schwimmen. Also wir kennen das gar nicht anders. Wir fanden das damals alle ganz logisch."
Ähnliche Probleme in Ost und West haben unterschiedliche Ursachen, so beschrieb es schon vor der Sitzung in der ARD der Ausschussvorsitzende Marian Wendt von der CDU.
"Viele öffentliche Bäder wurden in der ehemaligen Bundesrepublik in den 70er-, 80er-Jahren in Zeiten von finanziellen Hochphasen in den Kommunen gebaut. Diese müssen jetzt unterhalten werden, sind teilweise in die Jahre gekommen, müssen saniert werden. Und dafür fehlt jetzt letztlich das Geld. Im Osten haben wir sehr oft das Problem, dass in den 90ern viele sogenannte Spaßbäder entstanden sind. Mit verheißungsvollen Besucherzahlen haben die Kommunen damals investiert in Spaßbäder, wo aber, ich sage mal, nicht immer so öffentlicher Schwimmunterricht geplant wird. Und auch diese Besucherzahlen sind nicht gekommen."
Die Investitionen der 70er-Jahre waren auf den "goldenen Plan" für Sportstätten zurückgegangen – genau das wünscht sich jetzt auch die DLRG. Beim Bund ist sie damit nicht ganz an der falschen Adresse. Denn der hat gewisse Fördermöglichkeiten, derzeit unter anderem über ein Programm zur Förderung kommunaler Einrichtungen und dem zur Förderung sozialer Integration im Städtebau. Nur an sich, darauf weist Innenstaatssekretärin Anne Kathrin Bohle hin:
"Der Bund hat derzeit keine Gesetzgebungszuständigkeit."
Städte- und Gemeindebund: "Statistisch legen wir zehn Euro pro Eintrittskarte drauf"
Die Initiative könne der Bund schon deshalb nicht ergreifen. Sonst müsse – wie etwa beim Digitalpakt – die Verfassung geändert werden. Denn zuständig sind die Länder. Und die Kommunen, bei denen die Bäder unter die freiwilligen Leistungen fallen, Kürzungen sind daher möglich, während den Kämmerern anderswo die Hände gebunden sind. Im Deutschlandfunk hatte deshalb schon in der vergangenen Woche der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindesbunds Gerd Landsberg betont:
"Sie können ein normales Bad wirtschaftlich nicht betreiben. Statistisch legen wir zehn Euro pro Eintrittskarte drauf. Der Renovierungsbedarf ist enorm, bundesweit sind das 4,6 Milliarden."
Trotz der Kompetenzschwierigkeiten hat Bundesinnenminister Horst Seehofer eine Initiative angekündigt. Nur, sagt seine Staatssekretärin:
"Ohne die Kooperation mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden sollten wir das nicht tun."
Der Petitionsausschuss kann ohnehin nur begrenzt Einfluss nehmen. Sein Vorsitzender Wendt hält die Sitzung trotzdem für wichtig.
"Die öffentliche Debatte trägt dazu bei, dass wir darüber sprechen, das ist wichtig. Und dass alle Parteien entsprechend gefordert werden, Konzepte zu liefern. Und das ist schon einmal der erste wichtige Schritt: das Problem erkennen."