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Satire in Deutschland
Lachen als Aufklärung

Themen wie Behinderung oder Rassismus gelten auch in Satire-Formaten nach wie vor als heikel. Dabei hätten auch Minderheiten das Recht, aufs Korn genommen zu werden, glauben Satiriker.

Von Michael Meyer | 07.01.2017
    Jan Böhmermann als Videoeinspiel bei der ersten Verleihung des Preises für Popkultur des "Vereins zur Förderung der Popkultur"
    Jan Böhmermann, Satiriker und Moderator des "Neo Magazin Royale" löste mit seinem "Schmähgedicht" fast eine politische Krise zwischen Deutschland und der Türkei aus. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Zu Gast in Hamburg beim NDR-Redaktionskonferenz bei "extra 3". Die Satiresendung fasst jeden Mittwochabend den "Irrsinn der Woche" zusammen, so lautet der Titel einer Rubrik. Behördenwahnsinn, Korruption oder das ganz alltägliche Politik-Theater sind Dauerthemen der Sendung. In dieser Woche ging es unter anderem um den Neubau einer Unibibliothek in Freiburg, die deutlich missraten ist und um eine OSZE- Konferenz, die ausgerechnet im linken Schanzenviertel in Hamburg abgehalten werden soll.
    "Karo Korneli hat im linken Schanzenviertel einen schweren Job übernommen…sie ist die neue Charmeoffensive des OSZE- Gipfels…Nach Schlagermove und Harley-Days können sich die Hamburger über ein neues Großevent mitten in der Stadt freuen, auf Du und Du mit den Mächtigen der Welt, und das nur einen Steinwurf hier vom Schanzenviertel entfernt….ich sage: OSZE…willkommen!"
    40 Jahre "extra3"
    "extra3" sendet seit 40 Jahren – und war immer auf seine Art erfolgreich. Unvergessen Hans-Jürgen Börner, der die Sendung von 1989 bis 87 moderierte. Börner saß wie Loriot auf einem Sofa, verzog kaum eine Miene beim Moderieren - neben ihm ein überdimensionaler Gockel – damals das Maskottchen der Sendung. Totkomisch war die Sendung damals auch schon, nur eben anders, etwas gemächlicher.
    Heute ist natürlich alles moderner, kleinteiliger, vor allem die Länge der Beiträge ist kürzer geworden. Seit fünf Jahren moderiert Christian Ehring die Sendung, den man auch aus kurzen Auftritten in der "heute-show" kennt. Ehring beschreibt den sehr speziellen Humor von "extra 3" so:
    "Mein Vor-vor-Vorgänger Hans-Jürgen Börner hat mal gesagt, "wir hatten nie ein Konzept und wir waren immer stolz drauf" und ein bisschen spürt man diesen Geist auch noch heute würde ich sagen."
    Doch das ist natürlich eine Untertreibung – denn, so sagt Redaktionsleiter Andreas Lange, im Prinzip arbeite die Redaktion wie eine normale Nachrichtensendung – man schaue, was in der Woche passiert ist, und überlege sich dann, wie man das satirisch umsetzen kann.
    "Also wir reden hier oft von der lachenden Erkenntnis, also von einem Gag, den man lustig findet, der auch so einen Comic Relief hat, also wo auch man mal über Dinge lacht, die einen belasten, wo man dabei aber auch Zusammenhänge versteht, wo man denkt: Mensch, die von extra3 haben a und b zusammengebracht, …, und das hab ich jetzt nur bei extra3 so gesehen, das wäre bei mir jetzt so ein klassischer extra3 – Witz, wie ist bei Dir? Würde ich auch sagen, ein guter Witz ist auf jeden Fall einer, der einen überrascht, bei dem man nicht denkt, das ist eine Variante von einem Witz, den ich schon zwanzig Mal gehört habe, …, ein Gag, in dem irgendwas aufscheint an Erkenntnis, an Mehrwert, den man in einem Essay oder in einer normalen Unterhaltung nicht hat."
    Andreas Lange beschreibt den idealen Witz so: Während andere Sendungen nur einen Mann zeigen, der auf einer Bananenschale ausrutscht, zeigt extra3 warum die Bananenschale da lag und wer dahintersteckt.
    Die im Grunde journalistische Herangehensweise an viele Themen hat in den letzten Jahren zu einem Phänomen geführt, das einige Medienkritiker nicht unproblematisch finden. Nämlich: Manche, gerade jüngere Zuschauer fühlen sich in den Satire-Formaten wie der "heute-show", "Die Anstalt" oder "extra3" wohler als in den normalen Nachrichtensendungen. Angesichts der vielen Krisen und Konflikte in der Welt und dem Vormarsch der Populisten, flüchten sich Zuschauer in die Satire. Kein Wunder: Sie kann, darf und muss natürlich viel stärker zuspitzen. Andreas Lange meint, dass sich vor allem in den USA Zuschauer ausgeklinkt haben aus den Nachrichtenformaten, was spezifische Gründe habe. Hierzulande sei man zum Glück noch nicht ganz so weit.
    Satire anstelle von Nachrichten
    "Ich würde es sehr, sehr bedenklich finden, wenn Menschen sich nur noch über Satiresendungen informieren. Und wenn dann daraufhin Nachrichtensendungen oder klassische Medien aussterben, weil wir brauchen die ja auch. Unsere Satire ist im Grunde ja die Locke auf den täglichen Nachrichten, wir brauchen die, und wir brauchen auch das Wissen der Leute ob der realen Nachrichten, damit sie unsere Gags da drauf überhaupt erst verstehen.
    Man sollte sich das dann mal angucken, wie es wirklich ist, weil wir können nicht so ins Detail gehen bei vielen Themen, wir sind die Karikatur in einer Zeitung, wir sind die Glosse in einer Zeitung, die genauso wichtig ist, wie die Reportage und die Nachricht."
    Doch wie ist das mit dem Verhältnis zwischen Nachrichten und Satire? Nachfrage bei den Zuschauern und Fans von "extra3", die abends zur Aufzeichnung zum NDR nach Hamburg-Lokstedt gekommen sind.
    "Also ich mag das Politische daran. Ich guck auch unheimlich gerne die "heute-show" und wenn ich diese Sendungen gucke, extra3 und heute-show, dann weiß ich wieder, was die Woche los war."
    "Ich finde das Kritische-bisschen ironische, gerade bei schwierigen Themen schon interessant, wird witzig umgesetzt."
    "Ist ehrlich, ist die Wahrheit, es mal richtig krass auf den Punkt gebracht, das ist so das, was mir gefällt."
    "Es wird manchmal etwas krasser dargestellt, als es normale Nachrichten auch können und dürfen, man muss immer dazu sagen, nicht jeder ist auf demselben Niveau und auf demselben Stand, Bildungsstand, und ja, dieses "Auf die Spitze-Treiben" macht einem manchmal das Problem deutlicher, und dann kann sich jeder Gedanken machen, ob es übertrieben war, oder ob es genau der Punkt ist, der das Problem gerade darstellt."
    Ist Satire, wie extra 3 sie betreibt, wahrer, authentischer, als die wirkliche politische Berichterstattung? Das würden manche so sehen, meint der Medienkritiker und ehemalige Leiter des Grimme-Instituts in Marl, Bernd Gäbler, der im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung eine Studie zu den drei Satiresendungen "extra3", "heute – show" und "Die Anstalt" geschrieben hat. Aber, ein Ersatz für richtige Nachrichten sind die Satire – Sendungen natürlich nicht:
    "Nein, die Satiresendung kann Journalismus nicht ersetzen, darf auch gar nicht den Anspruch haben, das ist Unterhaltung, soll Unterhaltung sein, man soll drüber lachen. Meine These ist nur, dass es von den Themensetzungen her zum Beispiel in der heute –show, wie auch von den Möglichkeiten her Pointen zu setzen, Kontexte zu verstehen, Möglichkeiten gibt, Themen zu vertiefen und darüber das Lachen nicht allein nur Blödsinn ist, sondern auch eine aufklärerische Funktion erfüllen kann, vor allen Dingen dann, wenn es nachgearbeitet, kontextualisiert wird."
    Mit anderen Worten: Wer sich in einer Satiresendung amüsiert, wird sich möglicherweise noch ausführlicher mit den jeweiligen Themen befassen. Immerhin schauen nur noch zehn Prozent der jungen Zuschauer unter 20 regelmäßig Nachrichten. Da kann Satire eine Art "Einstiegsdroge" sein. Oliver Welke, Leiter und Moderator der "heute-show" findet ohnehin, dass die Sendung zuweilen auch aufklärenden Charakter haben kann:
    Der aufklärende Charakter von Satire
    "Vor ein paar Wochen haben wir einfach nur nacherzählt, wie der Klimaschutzplan von Frau Hendricks zerpflückt wurde, welches Ressort was rausgestrichen hat, was Herr Altmaier rausgestrichen hat, was Herr Gabriel gestrichen hat, …, man kann als Zuschauer mal sozusagen so eine Art Backstage-Bericht kriegen, wie halt eine gutgemachte Idee, nämlich einen Klimaschutzplan, wo konkrete Ziele stehen, dann im normalen politischen Prozess bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt wird."
    Einer, der es zu gewisser Berühmtheit gebracht hat, ist der Reporter Lutz van der Horst. Van der Horst, der im richtigen Leben übrigens nicht sehr anders wirkt als im Fernsehen, macht sich als Reporter der "heute-show" auf Parteitagen über Politiker lustig oder nimmt an anderer Stelle Politiker oder einfache Bürger auf die Schippe.
    "Ich find die AfD super. Und ich find Sie super, und ich find ihr Jackett super. Ich find Ihre Frisur super… Sie sind ein super Typ! …Danke! Hören Sie das öfter? Nein."
    "Frau von Storch, ich möchte Ihnen ein Geschenk machen, eine rutschfeste Maus…damit Sie nicht wieder abrutschen…..Das kann ich nicht annehmen, das ist einfach zu großzügig, und das ist auch noch mit GEZ-Gebühren bezahlt nehme ich an….Verschwendung, Verschwendung….!"
    Auch Van der Horst sieht sich als Aufklärer, allerdings seien direkte Interviews mit Leuten schwieriger, wenn man sie demaskieren will, ohne sie zu sehr zu beleidigen, sagt Van der Horst.
    "Also ich finde, man sollte vermeiden, zu persönlich zu werden. Wenn ich jetzt zu Sigmar Gabriel gehe und irgendeinen Gag darauf mache, dass er dick ist, ist das ziemlich billig, das sollte man vermeiden. Man sollte auch vermeiden, zu sehr auszunutzen, dass das Gegenüber nicht weiß, was passiert. Sonneborn ist so ein Beispiel, der hat mit Chinesen geredet, die hatten natürlich keine Ahnung was er sagt, er hat Deutsch geredet, …, das hätte ich nicht gemacht, weil das ist unfair, weil das Gegenüber beherrscht die Sprache nicht, das hätte ich nicht gemacht."
    "I cannot understand you….Gibt es noch diese Massenerschießungen eigentlich oder ist das eher selten geworden….?"
    Martin Sonneborns drastische Satire in der "heute-show" führte zu diplomatischen Verwicklungen: der damalige ZDF-Intendant Markus Schächter musste sich sogar beim chinesischen Botschafter für den Beitrag entschuldigen.
    Van der Horst: "Die Härte muss gerechtfertigt sein"
    Satire direkt vor Ort ist natürlich umso einfacher, je extremer die Situation ist, und je drastischer die Antworten der Leute ausfallen. Das sei in den USA, mit ihrer polarisierten politischen Landschaft anders, meint Van der Horst:
    "Manchmal bin ich tatsächlich auf Amerika neidisch, die sind viel extremer, da findet man noch so ganz andere Menschen, die ganz schreckliche Ansichten haben, das ist ein bisschen doof zu sagen, ich bin neidisch, weil eigentlich bin ich ja froh, dass wir in Deutschland nicht so sind wie in Amerika, Satire macht es natürlich einfacher, wenn man Leute hat, die extremer sind und noch weiter auseinander liegen mit den eigenen Ansichten, das macht es natürlich einfacher. Wenn ich mir so einen Beitrag anschaue, wie die Trump- Anhänger so ticken, das findet man hier nicht, diese Extreme. Eigentlich eine gute Sache, aber Satire macht das schwieriger, weil da braucht man diese Leute."
    Die Frage, wie extrem darf Satire sein, ist, wenn man so will, eine die immer wieder auftaucht, und die immer wieder neu verhandelt werden muss. Lutz van der Horst, der gewissermaßen an der Front arbeitet, und für seine frechen Fragen gerade stehen muss, muss sich immer wieder aufs Neue überlegen, wie weit er gehen darf, so wie andere Satiriker auch. Hart dürfe Satire schon sein, meint Van der Horst, aber:
    "Die Härte muss gerechtfertigt sein, muss dann auch Sinn machen. "Charlie Hebdo" hat ja kürzlich über die Erdbebenopfer in Italien Karikaturen gemacht, die verglichen mit Lasagne, "Penne gratinè" wo ich dachte, was soll das. Warum diese Härte, und das finde ich geht überhaupt nicht in Ordnung. Man kann natürlich sagen, Satire darf alles, man kann es aber auch ergänzen und sagen: Satire darf alles, muss sie aber nicht. Und wie gesagt: wenn man besonders harte Satire macht, muss es einen Grund geben, warum man das tut, muss es eine klare Aussage geben, ein Ziel verfolgen und nicht einfach draufhauen. Weil dann finde ich es einfach nur unsensibel."
    Wie sensibel oder unsensibel es nun von Jan Böhmermann war, im Frühjahr 2016 den türkischen Ministerpräsidenten Recip Erdogan mit einem Gedicht zu bedenken, sei mal dahingestellt. Allerdings, das nur als Erinnerung, bereits einige Wochen zuvor hatte "extra3" einen Song in der Sendung, der die türkische Politik insgesamt anprangert und auf die Schippe nimmt:
    "Sei schön charmant, denn er hat dich in der Hand….Erdowie, Erdowo, Erdowan….die Zeit ist reif für sein groß-osmanisches Reich, Erdowie, Erdowo, Erdowan."
    Erdogan hatte wegen dieses Songs sogar den deutschen Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, einbestellt und – vergeblich - eine Unterlassung verlangt, diesen Song nochmals zu spielen. Doch es kam im vergangenen Jahr noch härter: Das mittlerweile berühmt-berüchtigte Schmähgedicht Jan Böhmermanns, das bis zum heutigen Tag noch immer nicht wiederholt werden darf, weil die gerichtliche Auseinandersetzung vor dem Landgericht Hamburg noch nicht beendet ist, zog weite Kreise.
    Böhmermanns Schmähgedicht vor Gericht
    "Und das was jetzt kommt, darf man nicht machen….wenn das öffentlich in Deutschland aufgeführt wird, das wäre verboten,…,das Gedicht heißt Schmähkritik."
    Die Chronologie der Ereignisse des letzten Jahres würde eine ganze Sendung füllen, daher nur so viel: Der Umgang mit Böhmermann mit seinem, wie Kritiker bemängelten, verunglückten Gedicht sagte viel aus über Presse- und Satirefreiheit in Zeiten heikler politischer Abhängigkeiten . Immerhin schaltete sich auch die Kanzlerin ein und ließ den Prozess gegen Böhmermann wegen "Majestätsbeleidigung" zu. Böhmermann selbst drückte es selbst im Oktober so aus, nachdem die Staatsanwaltschaft Mainz die Ermittlungen gegen ihn wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts eingestellt hatte:
    "Wenn ein Witz eine Staatskrise auslöst, ist das nicht das Problem des Witzes sondern des Staates."
    Wo steht Deutschland also in Sachen Satire? Der Medienforscher Benedikt Porzelt forscht seit langem zum Thema Satire. Porzelt meint, dass heute viele Tabus gefallen sind, und Deutschland deswegen aufgeholt habe, auch im Vergleich zu anderen Ländern wie Großbritannien oder USA:
    "Das hat aber nicht nur mit dem Humor zu tun oder der Satire, sondern dass sich einfach auch die gesellschaftlichen Normen verändert haben. Also allein, wenn man sich das Thema Sexualität anschaut, da sind wir heute viel weiter als noch vor vierzig Jahren und dementsprechend muss sich der Humor und die Satire anpassen, an die gesellschaftlichen Begebenheiten, um einfach auch aktuell zu bleiben. Denn eine Satire, die sich noch an den Wertevorstellungen der siebziger Jahre orientiert, die trifft heute ja nicht mehr das Publikum. Und dementsprechend muss man das auch immer mit der gesellschaftlichen Entwicklung verorten. Und Humor basiert ja immer auch auf einem Erwartungsbruch, und dazu kann ja auch der Tabubruch gezählt werden. Dementsprechend muss da auch immer ein bisschen mit dem Erlaubten gespielt werden."
    Einer, der stets und ständig mit dem Erlaubten spielt, ist der Comedian Oliver Polak. Polak bezeichnet sich selbst als "dicken Juden". Er macht oft und gerne Scherze über Sexualität, den Holocaust und andere Tabuthemen. Polaks Show hieß schon mal "Jud süßsauer".
    "Ich empfinde mich überhaupt nicht als provokant, ich empfinde eher die Welt um mich rum als provokant, weil man spricht ja nur über die Dinge die einem begegnen, kann man sagen, ja."
    Polak hatte in den letzen Monaten eine Sendung bei ProSieben namens "Applaus und Raus", in der Polak nicht wusste, wer zu Gast ist. Wenn es langweilig wurde, schmiss Polak den Gast raus. Das Ganze war natürlich ein einziger Verstoß gegen gesellschaftliche Konventionen:
    "Das Konzept der Sendung - wirklich, ich hab keine Ahnung, ich habe keinen blassen Schimmer, wer vorbeikommt, das können geile Leute sein, das können Hurensöhne sein, aber wenn jemand mal nicht cool ist, dafür gibt es diesen Buzzer und dann muss die Person gehen, wenn ich den geschlagen habe, wenn die Person aber nicht gehen will, dafür gibt es Smiley."
    Oliver Polak: "Nicht weit her mit der gesellschaftlichen Liberalität"
    Die Härte seines Humors spielt Polak aber eher im Theater vor Live-Publikum aus, nicht so sehr im Fernsehen, erzählt er:
    "Ich glaube, man kann im Fernsehen über sehr wenig reden, weil da irgendwelche öffentlich-rechtlichen Redakteure oder bei Privatsendern Redakteure sitzen, die eigentlich eher Grundschullehrer werden wollten, die durch ein Zufall durch ein Praktikum an einen Job beim Fernsehen rangekommen sind und die haben eine sehr seltsame Weltanschauung und diese Leute entscheiden dann, was im Fernsehen gezeigt wird und was nicht gezeigt wird und das ist, finde ich, das Ende der Kunst und deswegen gibt es im Fernsehen wenig Gutes. Ich find, oft bewegt sich Satire in Deutschland, auch im Fernsehen, bewegt sich alles immer so in eine Sicherheit, in so einem Raum, in dem man sicher ist am Ende, es geht also selten um etwas. Wenn man so Komiker wie Lenny Bruce oder Richard Pryor in Amerika sieht, die verhaftet worden sind, es gibt sowas selten in Deutschland, dass da wirklich jemand noch wo rüttelt."
    Die gesellschaftliche Liberalität sei nicht so weit gesteckt, wie man gemeinhin denke, meint Polak, oft kämen Satiriker schnell an ihre Grenzen:
    "Pawlowscher Reflex, die hören ein Schlagwort, wie Holocaust, behindert, Down- Syndrom, Vergewaltigung, und die hören das Schlagwort, und bevor Du das sagen kannst, was Du eigentlich sagen wolltest, sind schon alle Rollos runter, und man kann gar nicht mehr über das sprechen über das man eigentlich sprechen wollte. So ist ja auch Political Correctness in Deutschland auch eine Farce, weil es ist nur ein Vorwand, finde ich, um sich mit einem Missstand nicht auseinandersetzen zu müssen. Und da sind die Grenzen, bei bestimmten Themen sagen die Leute sofort: Nein, nein, nein, nein, nein."
    Dave Davis macht sich über den Rassismus der Deutschen lustig
    Es kommt allerdings auch darauf an, welcher Satiriker oder Comedian was sagt. Dave Davis zum Beispiel, der in Uganda geboren wurde und in Deutschland aufwuchs, macht sich als Toilettenmann immer wieder über den Rassismus der Deutschen lustig. Aber diese Figur sei tragisch und reproduziere Vorurteile, meint Oliver Polak.
    Polak ging im Frühjahr letzten Jahres andere Wege: Zusammen mit seinem Kollegen Micky Beisenherz machte er sich für das WDR-Fernsehen auf, Minderheiten zu besuchen, und sie anschließend zu einem Abend einzuladen. Dort auf der Bühne machte Polak dann Witze über genau jene Minderheit, wie etwa Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, obsessive Tierliebhaber oder Kleinwüchsige:
    "Du hast alles schön klein eingerichtet, der Duschkopf, der ist weiter unten, auch die Toilette ist tiefergelegt, und ich war dann voll im Thema drin, frag dann, sehe diesen Notausgang, sage, ey krass, dieser Notausgang, sie so: Nee, das ist die Katzenklappe." Die Sendung "Das Lachen der anderen" kam gut an, es gab allerdings auch Kritik. Kein Wunder bei diesem Format, möchte man meinen. Polak sagt über die WDR-Sendung:
    "Was neu war an der Sendung war, dass man diese Gruppen selber getroffen hat, und da gab es nochmal eine ganz andere Ebene, dass es nicht so ein Betroffenheitsding war, sondern, es ist ja auch eine Form von Rassismus, wenn man keine Witze über diese Menschen machen würde und die ausgrenzen würde, und anhand dieser Sache sehr offen legt, die kennenlernt, auch diesen Prozess ein bisschen begleitet, wie man Witze schreibt oder Gags, …, aber ich habe das vorher schon gemacht, aber es war nochmal interessant auch in dieser Konstellation auch mit Micky, den ich sehr gerne mag."
    Polak meint auch, dass in Deutschland zu sehr in Schubladen gedacht wird, in alten Schubladen. Stand-Up, Satire, Comedy – das sei alles für ihn ohne Bedeutung, Hauptsache, der Humor ist gut, und auch tiefgründig. In Österreich, so Polak, sei das anders: Grissemann und Steermann beispielsweise, ein Satirikerduo, die auch in Deutschland bekannt sind, haben seit Jahren eine wöchentliche Sendung im ORF. Dort führen Sie Gespräche, die mal ernst, mal lustig, mal chaotisch sind – meist ist es eine Mischung aus allen drei Elementen. Im Herbst letzten Jahres hatten die beiden beispielsweise Stefan Petzner zu Gast, den ehemaligen Lebensgefährten des 2006 verunglückten FPÖ-Politikers Jörg Haider. Grissemann und Stermann sprachen mit ihm über Populismus, Homosexualität, den Tod und Satire. Tiefer kann ein Gespräch in einer Comedy-Sendung kaum gehen. Petzner sprach auch darüber, dass Haider zu Lebzeiten immer sehr empfindlich auf Satire reagiert habe:
    "Also ich halte Satire, Ironie und Kabarett für wahnsinnig wichtig, weil es sehr wohl etwas bewegt, in den Menschen etwas auslöst, auf sehr geschickte Art und Weise nicht nur den Politikern sondern auch den Wählerinnen und Wählern einen Spiegel vorhält."
    "Komplette Fehleinschätzung….es bewirkt gar nichts."
    Phil Hubbe zeichnet Cartoons über Behinderte
    Doch egal, wie einflussreich Satire und Comedy sind, auf jeden Fall ist Konsens in der Branche, dass alle Kreativen auch dahingehen sollten, wo es wehtut. Dies meint auch der Cartoonist Phil Hubbe. Hubbe ist seit langen Jahren erfolgreicher Cartoonist aus Magdeburg. Hubbe zeichnet seit 25 Jahren für verschiedene Tageszeitungen, sein persönlichstes Thema ist jedoch eines, das normalerweise in der Cartoon- Welt zu kurz kommt: Behinderung. Hubbe ist selbst MS- krank, und macht Krankheiten wie Multiple Sklerose zum Thema in einer Vielzahl von Zeichnungen. Im Herbst letzten Jahres erschien der sechste Band seiner Buch-Reihe "Behinderte Cartoons". Phil Hubbe erzählt, dass er durch einen amerikanischen Kollegen auf die Idee gekommen ist, Cartoons über Krankheit und Behinderung zu zeichnen:
    "Es gab 99/2000 einen Amerikaner, John Callahan, der im 'New Yorker' Cartoons über das Thema Behinderung veröffentlicht hat, bekam damals böse Leserbriefe, die wussten nicht, dass er selbst bloß noch die Hände bewegen kann und im Rollstuhl sitzt. Und gleichzeitig kam in Deutschland hier seine Biografie, Cartoons mit seinen Bildern heraus, und ein Beitrag im Fernsehen heraus, der mir sehr gefallen hat, und da haben mir Freunde und Kollegen gesagt, das kannst Du doch auch machen, wenn Dir irgendeiner was will, kannst Du sagen: Du bist selbst betroffen. Und das war für mich dann der Einstieg und der Anlass, es selbst zu versuchen."
    Hubbe hat schon viele Ausstellungen gehabt, in den Räumen von Sparkassen bis hin zu Behindertenverbänden. Hubbes Cartoons haben es durchaus in sich: Etwa wenn eine ältere Frau zu einem Mann auf Krücken sagt: "Kinderlähmung? Erzählen Sie keinen Quatsch, Sie sind doch kein Kind mehr."
    In einem anderen schimpft eine Ehefrau, die vor einer Waschmaschine steht, und aus der rote Flüssigkeit austritt: "Alfred! Wie oft hatte ich Dir schon gesagt, du sollst deine Blutwäsche gefälligst woanders machen…" Ob man das nun witzig findet, oder nicht, sei mal dahingestellt. Festzuhalten bleibt, dass Hubbes Cartoons mit den Mitteln des Humors die Aufmerksamkeit auf Menschen mit Krankheit und Behinderung ziehen. Das kommt nicht immer gut an, erzählt er:
    "Das sind aber meistens Reaktionen von Leuten, die nicht betroffen sind, die auch nicht mal Kontakt mit Betroffenen haben. Von den Betroffenen selber bekomme ich ganz andere Reaktionen. Ich habe damals auch erst mal vorsichtig getestet, weil ich ein bisschen unsicher war, Witze über Rollstuhlfahrer und ich sitz nicht selbst im Rollstuhl, und habe die anderen Behinderten gezeigt, die eine andere Krankheit hatten als ich, mich auch nicht persönlich kannten, und fragte an, was sie davon halten, die fanden das gut, schickten gleich auch noch ein paar Ideen, was ich machen könnte, und das war so der Einstieg, dass ich dachte: Ok, versuchst Du es mal. Die Widersprüche kommen eigentlich von Leuten, die nichts mit der Thematik zu tun haben, die denken, sie müssen sich schützend vor die Betroffenen stellen."
    Auch Minderheiten hätten das Recht, aufs Korn genommen zu werden
    Schon der Late-Night- Satiriker Harald Schmidt meinte: Auch Minderheiten hätten das Recht, aufs Korn genommen zu werden. Und doch: Mit den Tabu-Überschreitungen ist das so eine Sache. Hubbes Behinderten- Cartoons werden zum Beispiel kaum in einer normalen Tageszeitung gedruckt. Allenfalls im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über Behinderung. Zu oft seien in der Vergangenheit Leserbriefe gekommen, die sich über Hubbes Cartoons beschwert haben, so sagen die Tageszeitungs-Redakteure. Selbst Satiremagazine wie die "Titanic" oder der "Eulenspiegel", immer mal wieder selbst Gegenstand von heftigen Kontroversen, haben aus unterschiedlichen Gründen Cartoons von Hubbe abgelehnt. Phil Hubbe ärgert sich schon manchmal darüber.
    Wo steht die Satire in Deutschland also? Wir sind in jedem Fall weitergekommen, sagt Medienwissenschaftler Benedikt Porzelt. Auch Minderheiten werden mittlerweile auf die Schippe genommen – aber jede Satire sei letztlich eine Aushandlungssache, so Porzelt: Was den einen verletzt, mag den anderen bestens unterhalten:
    "Da muss man auch dazu sagen, dass der Humor im Endeffekt zwei Funktionen hat: Das ist dann eben das Einbindende, das gemeinsame Lachen, dass dann jemand in die Gemeinschaft reingeholt wird, und das Ausgrenzende, dass jemand durch Humor aus der Gemeinschaft rausgedrängt wird. Und da ist eben auch immer die Frage: Wenn der Humor es schafft, über Minderheiten so zu lachen, dass sie in die große Gemeinschaft eingegliedert werden, dann ist es natürlich ideal, und dann kann sich keiner daran stören, nur die Frage ist halt: Gelingt diese Gratwanderung?"