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Saubere Kleidung
Qualitätssiegel alleine reichen nicht

Vor einem Jahr kamen beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesh über 1000 Menschen ums Leben. Die Katastrophe lenkte den Blick auf desolate Arbeitsbedingungen in der Textilbranche. Viele Verbraucher suchten deshalb nach Kleidung aus fairer Produktion. Bei der Kennzeichnung solcher Textilien hapert es aber noch.

Von Daniela Siebert | 24.04.2014
    Neben einem Ständer mit Kleidung hängt unter anderem eine eigenwillig kreative Spielzeugpuppe aus Öko-Wolle, aufgenommen am 02.04.2009 in der glore Boutique in München. Die glore Boutique führt ausschließlich Kleidung aus fairem Handel, Rohstoffen aus biologischem Anbau und Recyclingmaterialien.
    Neben einem Ständer mit Kleidung hängt unter anderem eine eigenwillig kreative Spielzeugpuppe aus Öko-Wolle (picture alliance / dpa / Robert B. Fishman)
    Verbraucher, die beim Einkauf Etiketten suchen, die sie zu fair produzierten Hosen, Röcken, T-Shirts und sonstigen Kleidungsstücken greifen lassen, die stehen vor einer riesigen Herausforderung. Denn Qualitätssiegel an Kleidungsstücken - da sind sich Experten einig - gibt es reichlich:
    "Sehr viele. Es sind vor allem Siegel, die Öko-Standards abdecken, da gibt es bestimmt über 100, die Siegel, die dann tatsächlich auch soziale Kriterien abdecken, da wird es dann schon geringer."
    "Es gibt ganz unterschiedliche Qualitätssiegel auf dem deutschen Markt, aber auch auf dem europäischen Markt, was Bekleidung betrifft, das ist ein richtiger Dschungel. Ich glaube als einzelner Verbraucher ist man da wirklich völlig überfordert."
    Maren Knolle, Geschäftsführerin der Berliner Beratungsfirma Sustainability Agents, und Berndt Hinzmann von der Nichtregierungsorganisation INKTOA und Mitstreiter der Kampagne für Saubere Kleidung.
    Viele Siegel, keines komplett
    Viele Siegel also - aber leider - kein einziges dabei, dass lückenlos gute Arbeitsbedingungen in der gesamten Produktionskette garantiert so die düstere Bilanz von Maren Knolle. Das gilt beispielsweise auch für das aus anderen Produktbereichen bereits bekannte Fairtrade-Siegel. Hier liege der Schwerpunkt noch zu sehr bei der Baumwollgewinnung, monieren die Experten, nicht bei der Weiterverarbeitung, die darauf folgt. Ein Qualitätssiegel, das die gesamte Produktionskette umfasst: Das sei auch extrem schwer zu realisieren, weil sich hier anders als bei Öko-Standards nicht so einfach nachmessen lasse sagt Maren Knolle:
    "Ob jetzt in einem Textil Kinderarbeit drinsteckt oder nicht, ist halt nicht so leicht nachzuvollziehen und diese ganze Auditierungs- oder Kontrollwirtschaft dahinter hat auch sehr große Mängel. Das heißt, man muss diese Labels auch mit Vorsicht genießen, das ganze System dahinter ist teilweise sehr korrupt, teilweise sind die Kontrollen sehr sehr schlecht, also beispielsweise der Fabrikbrand in Pakistan, da war diese Fabrik ja zwei Wochen vorher auditiert worden von einer Zertifizierungsorganisation, die sehr hoch angesehen ist und trotzdem ist dieses Feuer ausgebrochen mit über 200 Toten."
    Tatsächlich ist es eine Vielzahl von Problemen, die die Beschäftigten in der Textilindustrie weltweit belasten. Von Kambodscha über Pakistan bis nach Äthiopien. In China seien es vor allem die zahlreichen Überstunden, in Indien Kinderarbeit auf den Baumwollfeldern. Auch Gewerkschaftsfreiheit und ausreichender Brandschutz seien vielerorts nicht gewährleistet so Knolle. Dazu kommt die verbreitete sexuelle Belästigung von Arbeiterinnen. In Bangladesch und Kambodscha sei vor allem die Bezahlung dramatisch schlecht betont Berndt Hinzmann.
    Er hält den Ansatz der in Amsterdam ansässigen Fair Wear Foundation für den besten, solchen Missständen zu begegnen.
    "Die alle Zulieferer überprüft und Verbesserungsmaßnahmen gemeinsam mit den Mitgliedsunternehmen umsetzt. Die Fair Wear Foundation setzt auf einen Verifizierungsprozess, also: Mängelfeststellung, Abstellung der Mängel und dergleichen, was etwas anders funktioniert als ein Siegel, was nachher auf einem Produkt sitzt, sondern was das gesamte unternehmerische Handeln in die Perspektive hinein nimmt."
    Maren Knolle favorisiert unter allen Ansätzen den von GOTS für Global Organic Textile Standard. Markiert durch ein weißes Hemd in grünem Kreis. Ein Siegel, das soziale und ökologische Kriterien einbezieht. Doch Bernd Hinzmann kritisiert an GOTS, dass hier Arbeits- und Menschenrechte nicht ausreichend berücksichtigt sein. Obwohl Siegel also alle ihre Mankos haben, sind sie unabdingbar, um die Verhältnisse zu verbessern, räumt sogar die Nachhaltigkeitsexpertin ein:
    "Man wird sowieso kein Kleidungsstück finden, was 100 Prozent sozial-ökologisch hergestellt worden ist, diese ganze Kette ist viel zu komplex, als dass man da 100 Prozent von ausgehen kann, aber man kann sich zumindest annähern und das gibt auch einen Hinweis für Firmen, die noch gar nicht aktiv sind, sich mit der Thematik mehr zu beschäftigen."
    Wünschenswert wäre aus Expertensicht daher auch ein einheitliches europäisches Siegel, wie es das beispielsweise im Nahrungsmittelbereich gibt. Ein erster Hoffnungsschimmer in diese Richtung sind Äußerungen von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Der hatte kürzlich ein neues Siegel für nachhaltig produzierte Kleidung angekündigt, das noch in diesem Jahr eingeführt werden soll. Außerdem ein Internet-Portal, das ab 2015 Verbraucher darüber informiert, welche Firmen die vom Ministerium geplanten Mindeststandards einhalten.