Freitag, 19. April 2024

Archiv


Saubere Ölsand-Produktion in Sicht

Umwelt. - Kanadas Ölboom fordert einen hohen Preis. Die Ölsandförderung in den Prärieprovinzen verursacht immense Umweltschäden, die Produktionsreste werden noch für Jahrzehnte für Probleme sorgen. Kanadische Chemiker haben jetzt ein Verfahren für die Behandlung dieser Rückstände entwickelt, von dem sie sagen, daß es solche Umweltzerstörungen in Zukunft vermeiden könnte.

Von Volker Mrasek | 26.09.2013
    Philip Jessop hält Kanadas Forschungslehrstuhl für Grüne Chemie an der Queen's University in Kingston, auf halbem Weg zwischen Toronto und Montreal. Wie stark die Umwelt unter der Förderung von Ölsanden im Westen Kanadas leidet, läßt den Forscher nicht unberührt:

    "Was dort geschieht, kann man sogar von der Internationalen Weltraumstation aus erkennen. Es sind Umweltschäden, so weit das Auge reicht. Das Erdöl wird nicht vollständig von den Sanden getrennt, weil das angewandte Verfahren so schlecht ist. Als Produktionsrückstand fällt deshalb ein Gemisch aus Wasser, Ton, Sand und Öl an. Es wird in offenen Tümpeln abgelagert, und man wartet, bis sich Ton und Sand absetzen. Aber das dauert Jahrzehnte. Ich denke, diese Tümpel sind größer als die meisten Seen in Europa."

    Landstriche bedeckt mit öligen Produktionsabfällen – laut Philip Jessop müsste das gar nicht mehr sein. Die Arbeitsgruppe des Chemikers forscht schon länger an neuen organischen und umweltfreundlichen Lösungsmitteln. Und die, sagt der kanadische Forscher, könnten auch bei der Trennung von Öl und Sanden zum Einsatz kommen.

    "Ein Problem ist, daß die Firmen heißes Wasser benutzen, um das Öl aus den Sanden zu extrahieren. Die meisten wissen noch aus der Schule, daß sich Wasser und Öl aber gar nicht gut mischen. Wasser ist also überhaupt kein gutes Lösungsmittel in diesem Fall. Organische Lösungsmittel sind da viel besser. Und unseres schafft es richtig gut, das Öl von den Sanden abzutrennen."

    Das ist aber nicht alles. Das Lösungsmittel läßt sich anschließend auch wieder sauber vom Erdöl trennen. Es kann also in den Prozess zurückfließen und wiederverwendet werden. Der Trick dabei: Es handelt sich um ein schaltbares Lösungsmittel, wie es Chemiker nennen. Quasi auf Knopfdruck wechselt es seine Eigenschaften zwischen hydrophil, also wasserliebend, und hydrophob, wasserabstoßend. Der Schalter ist dabei eine Substanz, die man dem Lösungsmittel zugibt beziehungsweise wieder entzieht. Interessanterweise handelt es sich um ein Gas, das eigentlich einen schlechten Ruf hat, weil es aus Kraftwerksschloten und Schornsteinen quillt und die Erdatmosphäre aufheizt: Kohlendioxid, CO2. Jessop:

    "Unser Lösungsmittel liebt es, in Wasser zu sein, das Kohlendioxid enthält, also in Sprudel. Wenn wir Öl und Sand trennen wollen, stecken wir sie in Sprudel, das unser Lösungsmittel enthält. Es ist dann wasserliebend, und das Öl geht aus der Lösung raus. Jetzt haben wir noch das Lösungsmittel im Mineralwasser. In dem Moment legen wir den Schalter um: Wir entziehen Kohlendioxid wieder, das heißt aus dem Sprudel wird praktisch stilles Wasser. Das mag unser Lösungsmittel aber nicht, denn es ist nun wasserabweisend, und wir kriegen es zurück."

    Philip Jessop spricht von einer sauberen und einfachen Methode. Sein trickreiches Lösungsmittel sei zudem auch bezahlbar. Nach Angaben des kanadischen Hochschullehrers handelt es sich um eine Stickstoff-Verbindung, ein Amin, das heute schon Kunststoffen zugesetzt werde, also bereits in Gebrauch sei. Auch deshalb hielten sich die Kosten in Grenzen.

    "Die meisten Amine funktionieren nicht mit unserem Trick. Wir haben aber schon 20 gefunden, die es tun. Manche von ihnen sind furchtbar giftig, andere aber wirklich sicher. Das sind diejenigen, die wir verwenden sollten."

    Sein Konzept für die Ölsand-Trennung stellte der Kanadier kürzlich auch in Darmstadt vor, auf dem Wissenschaftsforum Chemie. Dort stieß die Idee auf regen Zuspruch. Auch bei Walter Leitner, Professor für Technische Chemie an der RWTH Aachen:

    "Die Systeme schauen sehr vielversprechend aus. Die Ergebnisse sind toll, die im Labor erzielt worden sind. Und ich denke, jetzt muss einfach der Schritt in eine Pilotanlage, in eine Demonstration, zeigen, ob das dann auch wirtschaftlich umsetzbar sein wird."

    Genau das sehen die Planungen inzwischen vor. Noch in diesem Jahr könnte mit dem Bau einer solchen Pilotanlage begonnen werden, hofft Philip Jessop. Das werde in der kanadischen Provinz Alberta sein - dort, wo die Gewinnung der Ölsande die größten Umweltschäden anrichtet.