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Schaben für den Weltraum

Joshua Tagoe hat sich für seine Masterarbeit im Fach Bionik ein halbes Jahr lang mit fliegenden Schaben beschäftigt - im Auftrag der Europäischen Raumfahrtagentur. Er sollte herausfinden, ob man die Flugfähigkeit von Raumsonden verbessern kann, indem man sich bei den Schaben etwas abschaut.

Von Marlis Schaum | 24.08.2010
    Mein Name ist Joshua Tagoe, ich bin 27 Jahre alt, habe in Bremen Bionik studiert, ein relativ neuer Studiengang. Da geht es vereinfacht darum, dass man Informationen aus der Natur, Verhaltensweisen, Strategien übernimmt, extrahiert und das Prinzip dann in die Technik übersetzt.

    In meiner Abschlussarbeit habe ich hauptsächlich den Flug von Schaben untersucht, weil die ESA bei uns als Projektpartner daran interessiert war, eventuelle Strategien für externe Mondfahrzeuge oder Marssonden zu verwenden. Das Problem ist, wenn man eine Raumsonde hat, die auf einem fremden Planeten landen soll, muss diese Kapsel möglichst einfach gestrickt und gebaut sein. Und die Schaben als Modellsystem bergen ein großes Potenzial. Die Argumentationsweise der ESA ist, dass es sinnvoll ist, sich diese Tiere anzusehen, weil man da einfach leichter Verhaltensmuster ableiten kann.

    Die Schaben, die ich untersucht habe, heißen Blabtica dubia, das ist die argentinische Waldschabe. Die Weibchen haben ganz kleine Stummelflügel, wohingegen die Männchen voll ausgebildete Flügel haben. Sie sind ungefähr fünf Zentimeter groß und wiegen ungefähr 3,5 Gramm.

    Wir haben einen speziellen Laborraum konzipiert, das heißt, wir haben einen abgesperrten Bereich gehabt, kastenförmig, dort haben wir die Tiere dann fliegen lassen. Wir haben sie genommen und durch eine Art Plexiglasrohr in diesen Raum rutschen lassen. Da sind sie aus ungefähr zweieinhalb Metern Höhe heruntergefallen und wir haben dann mit Kameras aufgenommen wie dieser Flug aussieht.

    Ich habe versucht herauszufinden, wie das Flugverhalten überhaupt zu charakterisieren ist. Wenn man sich die Tiere ansieht, die relativ gut fliegen können, dann findet man verschiedene Strategien heraus, wie sie diesen Flug absolvieren. Es gibt Tiere, die machen kaum Kurven, es gibt Tiere, die machen schraubenförmige Bewegungen, es gibt auch Tiere, die relativ gerade aus dem Rohr herauskommen und weder nach links noch nach rechts irgendwie fliegen.

    Zusätzlich habe ich untersucht, wie die Schaben es schaffen aus einer ungünstigen Lage, das heißt auf dem Rücken, sich wieder in eine günstige Flugposition zu bringen. Da gibt es verschiedene Strategien – zum einen absolvieren sie einen halben Looping, zum anderen eine halbe Rolle.

    Wir haben verschiedene Tiere durchgemessen, mindestens immer zehn pro Versuchsreihe. Das Interessante war, dass man nach einer gewissen Anzahl von Versuchen auch wissenschaftlich fundiert Strategien feststellen und beweisen konnte.

    Die Quintessenz für die ESA aus dieser Studie ist, dass die Untersuchungen immer noch nicht abgeschlossen sind. Das kommt daher, dass die Beschreibung dieses Schabenfluges einfach noch sehr rudimentär ist. Für die ESA interessant ist aber, dass man keine Eins-zu-eins-Vergleiche machen kann. Man kann nur gewisse Strategien abstrahieren und die dann in die Technik übersetzen – und jetzt nicht an eine Raumsonde Flügel kleben und den Schabenflug anwenden. Man muss das so weit abstrahieren, dass man das auf die Technik anwenden kann. Mein Tipp an die ESA ist, dass die argentinische Waldschabe für ihre Ziele und ihre Zwecke der falsche Modellorganismus ist.