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Schach-WM
Blitzpartien und Armageddon

Zehn Unentschieden in zwölf Partien. Das Ganze in 2,5 Wochen. Die Schach-WM 2016 zwischen Magnus Carlsen und Sergej Karjakin war ein Festival des Remis, lediglich ein Sieg auf jeder Seite, viel Taktik und Abwarten aus einer guten Verteidigung. Damit ist jetzt Schluss, die Entscheidung fällt morgen an einem einzigen Tag, im sogenannten Tiebreak. Matthias Friebe mit Hintergründen zum Finale.

Von Matthias Friebe | 29.11.2016
    Magnus Carlsen vergräbt bei der Schach-Weltmeisterschaft 2016 beim Spiel in New York gegen Sergej Karjakin sein Gesicht in seiner Hand .
    Magnus Carlsen steht bei der Schach-WM nun auch unter Zeitdruck. (imago)
    Das Spiel wird beschleunigt. Hatten die Spieler bisher jeder 100 Minuten Bedenkzeit alleine für die ersten 40 Züge, so haben sie jetzt nur noch 25 Minuten für die gesamte Partie. Schnellschach steht auf dem Programm und das bei vier Partien direkte hintereinander. Herbert Bastian, Präsident des Deutschen Schachbundes und Vizepräsident des Weltschachbundes, nennt das im ARD-Fernsehen in einem Fußballvergleich die Verlängerung: "Und wenn auch die zu keinem Sieger führen, wird es das Elfmeterschießen geben. Im Schach sind das die Blitzpartien."
    Mit einem Remis zum Weltmeistertitel
    Das heißt, das Tempo wird noch einmal beschleunigt. Nur noch fünf Minuten Bedenkzeit. Auch davon stehen fünf Duelle an. Anders als im Fußball gibt es bei der Schach-WM aber auch hier ein Unentschieden. Die finale Entscheidung fällt dann in der sogenannten Armageddon-Partie. Hier wird zunächst ein Los gezogen, der Sieger darf sich die Farbe aussuchen. Weiß bekommt eine Minute mehr Bedenkzeit, Schwarz genügt dafür ein Remis zum WM-Titel. Für Herbert Bastian ist theoretisch denkbar, dass jetzt nochmal ein ganz neues Spiel beginnt: "Dass jetzt die eigentlichen Vorbereitungen ausgepackt werden, die vorm Wettkampf stattgefunden hatten. Also: Eröffnungsneuerungen, um mit verkürzter Bedenkzeit den Gegner in eine Situation zu bringen, wo er sich nicht mit auskennt, wo er am Brett neue Probleme lösen muss und dadurch viel Bedenkzeit verbraucht."
    Wahrscheinlicher aber ist wohl, dass beide mit ihrer bisherigen Spielweise weitermachen. Die zwölf regulären Partien Carlsen gegen Karjakin waren weniger von überraschenden Finten als von taktischen Spielchen und Provokationen geprägt.
    "Es sieht wohl so aus, dass Karjakin versucht hat, Carlsen zu provozieren, indem er überhaupt nichts riskiert hat. Und das ist ihm ja auch einmal gelungen. Beinahe wäre das zum Wendepunkt des Wettkampfs geworden, in der 8. Partie."
    Die Kulmination der Spannung am Finaltag
    Die Karjakin für sich entscheiden konnte, ehe Carlsen in der 10. Partie der Ausgleich gelang. Die letzten beiden Partien endeten dann wieder im Remis, wobei Duell Nummer 12 schon nach rekordverdächtigen 35 Minuten zu Ende war. So schnell, dass sich Magnus Carlsen zu einer Entschuldigung an die Fans genötigt sah.
    Er habe nicht gefühlt, dass es der Tag sei, ein Risiko einzugehen. Das wird jetzt im Tiebreak aber erforderlich sein. Wenngleich es auch zu weiteren taktischen Psychospielchen kommen könnte.
    "Zu 80 % steht die Psyche im Vordergrund", sagt Sergej Karjakin vor wenigen Tagen. Ob Psyche, Schachkönnen oder Fitness. Zweifellos freuen sich die Fans jetzt auf die Kulmination der Spannung an einem Tag. Das gefällt aber nicht allen. Der russische Ex-Weltmeister Antoli Karpow kritisierte, so könne man den Meister in einem Hinterhof ermitteln, aber nicht den Weltmeister. Er forderte mindestens 16 Partien mit normaler Bedenkzeit, um den Faktor Zufall auszuschließen, so Karpow. Aus Kostengründen wurde vor einigen Jahren die Zahl der Partien aber reduziert.