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Schacht Konrad
Streit um Atommüll-Lager

Das stillgelegte Eisenerz-Bergwerk bei Salzgitter, Schacht-Konrad, sollte ursprünglich bereits 1986 zum Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Betrieb gehen. Doch erst 2007 wurden die letzten Klagen abgewiesen und die Bauarbeiten konnten beginnen. Eine mögliche Erweiterung des Schachts hat nun den Anwohnerprotest neu entfacht.

Von Alexander Budde | 20.01.2016
    Um Vertrauen will sie werben - doch es wird kein leichter Gang für die Bundesumweltministerin: Mehrere Hundert Konrad-Gegner bereiten dem Gast aus Berlin einen lautstarken Empfang. Das Landvolk ist mit Traktoren vor der Kulturscheune aufgefahren, ergraute Protest-Veteranen blasen in ihre Trillerpfeifen. Auch Mitarbeiter von Volkswagen und anderer in Salzgitter ansässigen Unternehmen haben sich dem Aktionsbündnis gegen Konrad angeschlossen. 19 Gemeinden, Städte und Landkreise zwischen Harz und Heide haben den "Appell der Region" bereits unterzeichnet. Sie fordern einen Stopp der Ausbauarbeiten im geplanten Endlager, haben erhebliche Zweifel, ob die jahrzehntealten Planungen dafür noch dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik genügen. Ludwig Wasmus spricht für die lokale Bürgerinitiative, die atomkraftkritische Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad.
    "Es ist eine ganz klare Forderung von uns: Auch für die schwach- und mittelaktiven Abfälle muss eine Fehlerkorrektur möglich sein – und das geht nur, wenn man ein Konzept der Rückholbarkeit berücksichtigt! Wir haben ja mit unserer Kampagne: "Konrad stoppen statt erweitern!" einiges erreicht, und das Erweitern, dass das nicht geht, das ist offensichtlich zu mindestens in Berlin gehört worden – und wir arbeiten jetzt daran, dass das "Konrad stoppen!" auch verstanden wird!"
    Die Botschaft höre sie wohl, sagt Hendricks - und kontert mit einer drastischen Abfuhr: In Salzgitter wollte sich die Bundesumweltministerin zunächst informieren, wie es vorangeht, mit dem Ausbau des alten Eisenerzbergwerks.
    "Konrad ist planfestgestellt und die Genehmigung ist bis zum Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden – das wird auch so kommen!"
    2014 schockierte Hendricks mit der Nachricht, die Menge des schwach- und mittelradioaktiven Atommülls, für den Schacht Konrad derzeit vorbereitet wird, könnte sich schlicht verdoppeln. Denn erstmals wurden auch Abfälle aus der Urananreicherung - 100.000 Kubikmeter - eingerechnet. Bislang wurden sie als "Wertstoffe" deklariert. Weitere 200.000 Kubikmeter Strahlenmüll könnten anfallen, wenn das marode Bergwerk Asse geräumt wird.
    Betreiber von Schacht Konrad ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Dessen Präsident Wolfram König sagt, die Erweiterungspläne seien vom Tisch. Für hochradioaktive Abfälle soll nämlich bis 2031 ein Endlager gefunden werden. Es soll nach dem Willen der Bundesregierung dann auch den Müll aus der Asse und aus dem westfälischen Gronau aufnehmen.
    Doch Hendricks relativiert: Bis 2031 sei womöglich nicht geklärt, ob in Schacht Konrad nicht doch deutlich größere Mengen des radioaktiven Abfalls gelagert werden müssen als ursprünglich genehmigt. Dass das Endlager in Salzgitter dafür nachträglich erweitert wird, will die Bundesministerin nicht völlig ausschließen:
    "Ich muss da ganz ehrlich sein! Ich kann es nicht zu 100-Prozent ausschließen, denn es ist nicht gesagt, wie der Suchprozess für das Endlager für hochradioaktiven Müll – der ja verknüpft sein soll nach meinen Wünschen mit dem Suchprozess für weiteren schwach- und mittelradioaktiven Müll, der nicht für Konrad vorgesehen ist – wie dieser Suchprozess ausgeht."
    Betagte Protestbanner schmücken die überfüllte Kulturscheune. Hendricks geht ans Rednerpult, spricht von größtmöglicher Ehrlichkeit. Die Zeit drängt, betont sie, weil sich die Zwischenlager in Deutschland füllen. Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth fühlt sich an das Debakel mit der Asse und an Vorgänge aus den 70er- und 80er-Jahren erinnert:
    "Da sind wir, auf gut Deutsch, verarscht worden! Ich kann das alles nachvollziehen, ich glaube, der Druck ist bei Ihnen genauso da ... aber, dass man bitte noch mal guckt, dass auch diejenigen Verantwortung übernehmen, auch in den Kommunen, auch in den Ländern, die jahrzehntelang diese Energieform betrieben und promoviert haben – und nicht wir hier, in dieser Region, aber nun wirklich auch alles abkriegen sollen, was übrig bleibt!"
    Hendricks lässt Vergleiche zur maroden Asse nicht zu. Es handle sich um zwei völlig unterschiedliche Bergwerke. Sicher ist für Hendricks, dass Schacht Konrad in Betrieb gehen wird – nach jetzigem Stand in sechs Jahren. Dagegen wollen die Atomgegner in Salzgitter weiter protestieren.