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Schädelfunde in Griechenland
Homo sapiens früher als erwartet in Eurasien

Zwei Schädelfunde aus Griechenland beweisen es: Es gab früher als bisher angenommen Vermischungen zwischen Homo sapiens und Neandertalern. Auch fand dieses Zusammentreffen nicht in Israel statt, von wo der bisher älteste Fund stammt. Doch die Rekonstruktion der Frühzeit ist kompliziert.

Von Michael Stang | 11.07.2019
Neandertaler-Schädel während der Gastausstellung - Wege zum Menschen - im Museum für Naturkunde in Berlin anlässlich des 200. Geburtstages von Charles Darwin.
Schädel von Neandertalern zeigen die typischen Hinterhaupts- und Überaugenwülste (imago / Steven Lambert)
Unsere Vorfahren haben sich in Afrika entwickelt und sind von dort aus nach Eurasien gezogen, wo sie auf die Neandertaler trafen. Die verschwanden dann und heute gibt es nur noch uns, den anatomisch modernen Menschen – Homo sapiens. Der Zeitpunkt des Beginns dieser Wanderlust ist unklar. Doch neue Daten des Teams um Katerina Havarti von der Universität Tübingen zeigen, dass vor 210.000 Jahren bereits frühe Vertreter von Homo sapiens bis ins heutige Griechenland gekommen sind: Wegen des Schädelfunds Apidima 1 aus dem Süden verschieben sich die Anfänge unserer Menschenart außerhalb Afrikas sehr weit - die bisher ältesten Funde stammen aus Israel und weisen ein Alter von 177.000 Jahren auf. Somit müssen unsere Vorfahren auch wesentlich früher auf die Neandertaler getroffen sein.
Der weitere Fund, Apidima 2, ist auch ein Schädel, dieser stammt aber von einem Neandertaler und ist mit 170.000 Jahren wesentlich jünger. Das Forschungsteam interpretiert, dass die Vertreter der anatomisch modernen Menschen dort in Griechenland von den Neandertalern verdrängt worden seien und somit der Aussterbe- oder Verdrängungsprozess genau anders herum verlaufen sei. Später aber verschwanden die Neandertaler bei einer weiteren Einwanderungswelle von Homo sapiens endgültig - bis auf ein paar Prozent Genmaterial, die sie bis heute in unserem genetischen Erbe durch Vermischung hinterlassen haben.
Funde zeigen Kompliziertheit der Rekonstruktion
Beide Schädelfunde aus Griechenland lagen in derselben Schicht, sie wurden vermutlich von einer Schlammlawine in die Höhle geschwemmt, wo sie gefunden worden. Die Funde sind auch nicht neu, die Fossilien wurden schon in den 1970er Jahren entdeckt, saßen aber fest im Stein. Die Forschungsgruppe aus Tübingen hat die Knochen jetzt nicht nur neu direkt am Knochen datiert, sondern auch gescannt und dreidimensional rekonstruiert. Dadurch war erst die Zuordnung möglich: der jüngere Schädel zeigt etwa den für Neandertaler typischen Hinterhauptswulst und Überaugenwulste, der ältere Schädel nicht, daher dürfte es sich, eben bei dem 210.000 Jahre alten Fossil um das eines Homo sapiens handeln.
Überraschend sind die Daten in der Hinsicht, dass einmal mehr klar wird, wie schwierig die Frühzeit unserer Art zu rekonstruieren ist. Unsere Vorfahren waren wesentlich früher in vielen Teilen der Welt präsent als das bis vor kurzer Zeit noch angenommen wurde. Es gab verschiedene Populationen, verschiedene Wanderungsbewegungen, die teils nicht erfolgreiche waren.
Zudem belegen diese Knochenfunde einige Vermutungen aus der Paläogenetik, etwa, dass es früher als bisher bekannt Vermischungen zwischen Homo sapiens und Neandertaler gegeben habe. Dies muss in Eurasien stattgefunden haben, da die Neandertaler nie in Afrika waren. Doch gab es bis zum jetzigen Zeitpunkt keine zeitlich passenden Fossilienfunde. Die meisten Experten gehen davon aus, dass diese Interpretation plausibel ist.