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Schädliche Nachtflüge

Umwelt. - Der Flugverkehr beeinflusst das Klima auf vielfältige Weise. Einerseits stoßen die Maschinen große Mengen Treibhausgase aus, andererseits sind auch ihre Kondensstreifen Klimaforschern ein Dorn im Auge. Diese aus Eispartikeln bestehenden Streifen können unterschiedliche Auswirkungen auf die Atmosphäre haben. Britische und deutsche Wissenschaftler berichten jetzt in "Nature", dass sich diese Folgen abhängig von Tages- und Jahreszeit stark unterscheiden.

Von Volker Mrasek | 15.06.2006
    Überspitzt könnte man es so ausdrücken: Flögen Flugzeuge nur tagsüber, müßte man sich über Kondensstreifen und ihre Klimawirkung praktisch keine Gedanken machen. Denn wenn es hell ist und die Sonne am Himmel steht, haben die künstlichen Eis-Schleier sogar einen positiven Effekt. Das liegt an ihrer schneeweißen Oberfläche. Der englische Physiker und Meteorologe Piers Forster von der Universität Leeds:

    "Am Tag reflektieren die Kondensstreifen das einfallende Sonnenlicht. Dadurch kühlen sie das Klima. Andererseits wirken Kondensstreifen bekanntlich wie Treibhausgase: Sie halten die Wärmestrahlung, die die aufgeheizte Erde zurückstrahlt, in der Atmosphäre gefangen. Aber am Tag ist diese Kälte-Wärme-Bilanz praktisch ausgeglichen. Kondensstreifen, die tagsüber entstehen, haben so gut wie keinen Einfluss auf die Temperatur der Erde."


    Anders die Situation in der Nacht. Dann zeigen sich Kondensstreifen von ihrer dunklen Seite. Dann gibt es nichts mehr zu kühlen, weil die Sonne untergegangen ist. Stattdessen schlägt jetzt die Treibhauswirkung der Kondensstreifen voll durch. Denn sie ist rund um die Uhr vorhanden. Ob und wie häufig Flugzeuge einen noch nach ein, zwei Stunden sichtbaren Schweif hinter sich herziehen, hängt zudem von der Jahreszeit ab, wie Forster und andere Fachleute heute wissen:

    "Im Winter sind die atmosphärischen Bedingungen für die Entstehung von Kondensstreifen am besten. Da ist die Luft in der Regel feuchter als in den anderen Jahreszeiten, in denen sich nicht so viele Kondensstreifen bilden."

    Wiederum überspitzt könnte man nun also sagen: In der Nacht und in der Wintersaison sollte der Flugverkehr am besten ruhen. Denn dann belastet er das Klima der Erde am stärksten. Nicht nur durch Kohlendioxid, das bei der Verbrennung von Kerosin sowieso stets entsteht. Sondern eben auch durch die Bildung und Treibhauswirkung der Kondensstreifen. Diese Zusammenhänge schildern Forster und einige andere Forscher jetzt in ihrer neuen Studie. Dafür sammelten sie eifrig Daten an einem Standort in Südost-England. Er liegt sehr günstig: genau im nordatlantischen Flugkorridor. Hauptautorin der Studie ist eine Deutsche: die Meteorologin Nicola Stuber. Sie arbeitet seit kurzem an der Universität Reading:

    "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Flüge während der drei Wintermonate - also Dezember, Januar, Februar - verantwortlich sind für etwa 50 Prozent des jahresgemittelten Klimaeffekts der Kondensstreifen. Das heißt, obwohl wir mehr Flüge im Sommer als im Winter haben, haben wir trotzdem eine höhere Kondensstreifenbildung im Winter als im Sommer. Und deswegen ist der Effekt der Wintermonate so bedeutend."

    Auch bei den Nachtflügen zeigt sich eine überproportionale Klimabelastung. Zwar spielt sich nur ein Viertel des Luftverkehrs zwischen 6 Uhr abends und 6 Uhr morgens ab. Gleichwohl sind Nachtflüge nach den Studienergebnissen für mindestens 60 Prozent des Treibhauseffektes durch Kondensstreifen verantwortlich. Doch sollte und kann man daran überhaupt etwas ändern? Immerhin: Zu den Geldgebern des Projektes zählt das britische Verkehrsministerium, wie Piers Forster sagt:

    "Aus unseren Arbeiten ergibt sich, dass Kondensstreifen in ihrer Treibhauswirkung durchaus mit dem CO2 vergleichbar sind, das Flugzeuge ausstoßen. Deshalb wäre es schon eine gute Idee, hier etwas zu unternehmen und die Flugpläne so auszurichten, dass möglichst keine Kondensstreifen entstehen oder eben nur zur richtigen Tageszeit."

    Konkret hieße das, Flüge aus den Nacht- in die Tagstunden zu verlegen. Diesen Vorschlag habe er auch dem Verkehrsministerium unterbreitet, sagt Forster. Eine Reaktion gebe es aber noch nicht. Wobei ohnehin höchst fraglich erscheint, ob Fluglinien und Paketdienste sich auf so etwas einließen. Allerdings ist allen klar: Der Luftverkehr wächst ständig, und klimapolitische Beschränkungen werden in jedem Fall kommen. Da, sagen die Forscher, sei eine Änderung der Flugpläne noch das kleinste Übel.