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Schärfere Waffengesetze
US-Abgeordnete im Sitzstreik

Ungewöhnliche Szenen im Repräsentantenhaus: Schon seit Stunden sind Abgeordnete der Demokraten im Sitzstreik. Mit ihrem Protest wollen sie ein schärferes Waffenrecht durchsetzen - und sich erst vom Fleck bewegen, wenn es ein Votum gibt. Tatsächlich ändern wird der Sit-In aber vermutlich nichts, denn die Republikaner wollen hart bleiben.

23.06.2016
    Abgeordnete der Demokraten sitzen auf dem Boden des US-Repräsentatenhauses.
    Sitzstreik im US-Repräsentantenhaus (imago)
    Es ist Mittagszeit, das US-Repräsentantenhaus will seine Sitzung unterbrechen. Doch der Abgeordnete John Lewis spricht. Und er bittet seine demokratischen Kollegen nach vorn:
    "Wir fordern den Sprecher des Repräsentantenhauses auf, Waffengesetze einzubringen, die der gesunde Menschenverstand verlangt. Gebt uns eine Stimme. Lass uns abstimmen. Wir sind hier, um zu arbeiten."
    Der Bürgerrechtler aus Georgia und dessen Mitstreiter beginnen einen Sitzstreik. Die Kameras zur Liveübertragung im Haus gehen aus. Repräsentant Scott Peters zückt sein Handy, ein Ladegerät und streamt den Protest übers Internet.
    Die Abgeordneten der demokratischen Partei sagen, sie verlangen eine Abstimmung über einen Gesetzvorschlag, der den Verkauf von Waffen in den USA einschränkt. Seit dem Anschlag von Orlando mit 49 Toten wird in Washington wieder über härtere Waffengesetze diskutiert.
    Republikaner sprechen von Werbegag
    Republikaner wie Senator Lindsay Graham werfen den Demokraten dagegen vor, es gehe ihnen dabei allein um Aufmerksamkeit.
    "Der Anschlag in Orlando ist für mich kein Problem von Waffengesetzen, sondern von radikalem Islamismus. Wenn schärfere Waffengesetze ein Land schützen, dann hätte es nie die Anschläge von Paris gegeben."
    Im Senat waren zu Beginn der Woche vier unterschiedliche Vorschläge gescheitert, die den Kauf von Waffen einschränken sollten. Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, der Republikaner Paul Ryan sieht deshalb keinen Anlass für eine weitere Abstimmung.
    Im Interview mit Wolf Blitzer im Fernsehsender CNN stellt Ryan das Rechts auf den Besitz von Waffen sogar über die Anti-Terrormaßnahmen der Geheimdienste, die er offenbar für sehr willkürlich hält:
    "Wir verweigern Menschen nicht verfassungsmäßige Rechte ohne ordnungsgemäßes Verfahren. Wolf Blitzer könnte morgen auf einer Liste von Terrorverdächtigen stehen oder auf einer Flugverbotsliste. Aber wir nehmen Ihnen dann kein Recht ohne ordnungsgemäßes Verfahren. Das verlangt die Verfassung, dabei bleiben wir."
    "No Fly, No Buy"
    Und die Bevölkerung? In Umfragen sprechen sich mittlerweile 85 Prozent der Amerikaner dafür aus, dass Personen, die auf der Flugverbotsliste des Geheimdiensts FBI stehen, keine Waffen kaufen dürfen. Ein entsprechender Kompromiss für ein Gesetz liegt vor. Der republikanische Senator Jeff Flake will das unterstützen:
    "Wenn Du so gefährlich bis, dass Du nicht fliegen darfst, dann darfst Du auch keine Waffe kaufen: No fly, no Buy! Da stimmen alle überein, so lang es Einspruchsmöglichkeiten gibt, sodass die Regierung nachweisen muss, dass die Person in Verbindung zu Terrorismus steht."
    Es ist ein Kompromiss. Von weitreichenden Überprüfungen der Waffenkäufer oder anderen Beschränkungen ist keine Rede mehr. Dafür fehlt es Republikanern aber auch Demokraten im Jahr der Präsidentenwahl am Willen und politischer Kraft.
    "Was muss passieren, damit das Parlament handelt? Was muss geschehen damit der Kongress etwas entscheidet, das richtig ist, gerecht, was die Menschen verlangen und was längst hätte entschieden sein müssen."
    Der Sitzstreik des Abgeordneten John Lewis und seiner demokratischen Mitstreiter im Repräsentantenhaus kann den politischen Stillstand nicht durchbrechen. Allenfalls gelingt ihm mit seiner ungewöhnlichen Aktion, die Diskussion über Waffengesetze länger als sonst in den Schlagzeilen der US-Medien zu halten.
    Update:
    Am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) beschlossen die Republikaner mit ihrer Mehrheit, die Sitzung bis zum 4. Juli zu vertagen. Die Demokraten blieben auch danach im Sitzungssaal.