Dirk Müller: Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Das nächste Spitzentreffen der Europäischen Union ist bereits in einigen Wochen fest avisiert, denn die Negativschlagzeilen in der Euro-Krise reißen nicht ab. Einige Beispiele: Die Bonität führender europäischer Geldinstitute, darunter auch die der Deutschen Bank, ist inzwischen heruntergestuft worden, von der nächsten Bankenkrise ist schon wieder die Rede. Hinzu kommt der Streit über weitere 200 Milliarden Euro für den Internationalen Währungsfonds, wovon Deutschland einen Anteil von 45 Milliarden schultern soll. Die USA, Großbritannien oder auch China sind offenbar nicht bereit, bislang jedenfalls, sich daran zu beteiligen. Und was ist aus der umstrittenen Hebelwirkung für den Euro-Rettungsschirm geworden? Auch hier zeigen internationale Investoren wenig Interesse. Die Börsen straucheln, haben immer noch kein Vertrauen in die europäische Politik, die Währungskrise wirklich lösen zu können. Zudem warnt IWF-Chefin Christine Lagarde vor einer weltweiten Rezession. Am Telefon ist nun Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Guten Morgen.
Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Schäuble, wie frustrierend sind für Sie hart errungene Gipfelbeschlüsse, die dann ein paar Tage später doch nichts ändern?
Schäuble: Na ja, es war ja von vornherein klar, dass der Gipfelbeschluss am 9. Dezember ein großer, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung war, aber dass wir noch nicht über den Berg sind. Das hat die Bundeskanzlerin auch nach dem Gipfel und auch in ihrer Regierungserklärung sehr klar gesagt. Das ist nicht an einem Tag zu schaffen. Wir haben über einen längeren Zeitraum Vertrauen bei den Investoren in der Welt verloren, weil die europäischen Entscheidungsprozesse sehr kompliziert sind. Das versteht man in Asien oder auch in Kalifornien nicht so richtig. Und dieses Vertrauen gewinnen wir nicht über Nacht zurück. Wir müssen konsequent weiter arbeiten. Deswegen haben wir auch nicht die Arbeit mit dem Gipfel eingestellt, sondern wir arbeiten weiter, jeden Tag und jede Woche. Auch heute geht es mit einer Telefonkonferenz der Finanzminister weiter. Wir müssen das Schritt für Schritt umsetzen, damit wir stückweise auch wieder das Vertrauen zurückgewinnen.
Müller: Die Beschlüsse, Herr Schäuble, hören sich ja nicht so an, als würde es demnächst unkomplizierter.
Schäuble: Ja gut, Europa ist nicht nach dem Prinzip der Effizienz gebaut worden, sondern Europa ist die europäische Einigung, der ehrgeizige Versucht, die Vielfalt Europas, den Reichtum der Nationen in all ihrer Unterschiedlichkeit mit der Notwendigkeit zu verbinden, in den Fragen, wo wir nur global handeln können - und in der Finanzpolitik, in der Währungspolitik ist das bei der Verflechtung der Finanzmärkte so -, in den Fragen einheitlich zu handeln, den Willen der nationalen Parlamente, der nationalen Souveräne, der Bevölkerung zu respektieren. Und das macht Europa ein bisschen kompliziert, das ist wahr. Aber entscheidend ist: Wir haben am 9. Dezember wesentliche Schritte für eine Stabilitätsunion geschaffen, das war in den 90er-Jahren nicht möglich. Das müssen wir jetzt umsetzen und dann werden auch die Krisenmeldungen weniger werden.
Müller: War das, Herr Schäuble, der große Fehler, erst die Währungsunion und dann erst die politischen Reformen?
Schäuble: Nein, ich glaube nicht, dass das ein Fehler war. Wir wollten ja damals schon die politische Union, aber sie war nicht erreichbar. Politik ist immer auch ein bisschen die Kunst des Möglichen, und wenn wir nicht große Katastrophen haben wie die zwei Weltkriege in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, dann ist die Bereitschaft zu Veränderungen nicht so ganz einfach gegeben. Dann geht es schrittweise voran, das ist genau der Prozess der europäischen Einigung. Aber wenn man das berücksichtigt, sind wir eigentlich in Europa unheimlich weit gekommen, und wir sind ja auch erfolgreich. Man muss ja bei allen Krisenmeldungen immer gelegentlich auch dazu sagen: Mit großem Abstand ist, wenn man Europa als Ganzes nimmt, das die stärkste Wirtschaftsregion der Welt, weit vor den Vereinigten Staaten von Amerika, weit vor China. Das haben wir geschaffen und das ist eine große Leistung. Wir können es übrigens im täglichen Leben - wir Deutsche - spüren. Es geht uns ja wirtschaftlich nicht so schlecht. Wir haben eine tolle Situation am Arbeitsmarkt, wir haben eine sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Das sind alles Erfolge, die wir ohne die europäische Einigung nicht hätten, und deswegen ist der mühsame Prozess - es lohnt die Anstrengung.
Müller: Sie sprechen, Herr Schäuble, von der Unterschiedlichkeit in Europa. Wir nehmen Portugal, Irland, vor allem auch Griechenland. Diese Unterschiedlichkeit könnte Gesamteuropa jetzt in den Abgrund ziehen?
Schäuble: Nein, das zieht uns nicht in den Abgrund, das schafft uns Schwierigkeiten. Wenn Sie die drei Beispiele nehmen, dann können Sie zunächst einmal sagen: Irland ist der beste Beweis, dass das Prinzip funktioniert. Wir geben Hilfen, europäische Solidarität, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Länder auch ihre Probleme lösen. Irland macht das in einer sehr guten Weise, kommt sehr zügig mit der Wiedergesundung seiner Finanzen und mit der wirtschaftlichen Erholung voran. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Auch Portugal hat einen schwierigen Weg, muss wettbewerbsfähiger werden, macht das aber auch sehr gut, mit großen Anstrengungen. Auch Portugal ist ein Beweis, dass es funktioniert. Griechenland ist eine außergewöhnliche Situation, außergewöhnliche Schwierigkeiten, aber auch da arbeiten wir intensiv daran, vor allen Dingen auch die Europäische Union, dass Griechenland Wachstumschancen hat. Ohne dass die griechische Wirtschaft ins Wachstum kommt, dass sie auch wieder wettbewerbsfähig wird, nützen die ganzen Programme am Ende nichts. Genau daran wird gearbeitet. Warum soll man beispielsweise Solarenergie nicht in Griechenland produzieren? Da ist sie viel kostengünstiger zu erreichen als im Norden Europas. Und so gibt es viele Möglichkeiten.
Müller: In Griechenland, Herr Schäuble, geht die Entwicklung nach unten - viele sagen, weil die EU Griechenland gezwungen hat, sich kaputt zu sparen.
Schäuble: Nein, das ist falsch. Wissen Sie, das sagt jeder, der zahlungsunfähig geworden ist, auch im Privatleben, dass das Insolvenzverfahren ihn nach unten zieht. Die Ursachen sind: Er hat zu lange über seine Verhältnisse gelebt, und dann führt kein Weg daran vorbei, dann muss man sparen. Das ist ein harter Prozess, aber deswegen sage ich ja: Das Sparen allein hilft Griechenland nicht. Die Wirtschaft in Griechenland muss auf die Beine kommen, und daran arbeiten wir sehr intensiv.
Müller: Reden wir über den 200-Milliarden-Euro-Zuschuss für den Internationalen Währungsfonds. Die Deutschen sollen daran beteiligt werden mit 45 Milliarden. Woran hakt es?
Schäuble: Zunächst einmal: Beim Internationalen Währungsfonds muss man ja sagen, der hat bisher seit dem Ausbruch der Schuldenkrise einiger Euro-Staaten im vergangenen Jahr ja sehr großzügig sich an der Stabilisierung Europas beteiligt. Er hat immer die Hälfte dessen beigetragen, was die Europäer selbst beigetragen haben, und das sind große Mittel. Deswegen müssen, wenn dieser Weg fortgesetzt werden soll, die Mittel für den IWF aufgestockt werden und dazu, haben die Europäer gesagt, sind sie bereit, dem IWF - so haben wir das auch mit dem IWF besprochen - bis zu 200 Milliarden zusätzliche Kredite zur Verfügung zu stellen, um die allgemeinen Mittel des Internationalen Währungsfonds aufzustocken. Das ist die sicherste Adresse, die es gibt. Der Internationale Währungsfonds hat nach Völkerrecht den Status eines bevorzugten Gläubigers. Das sind ganz sichere Kredite und das ist eher eine technische Diskussion, um die es da geht.
Müller: Herr Schäuble, ich hoffe, Sie sind nicht gerade ins Flugzeug eingestiegen. So hört sich das nämlich an.
Schäuble: Nein! Leider läuft gerade neben mir mein Faxgerät und spuckt ein Fax aus. Sie sehen: Es geht morgens schon, wir arbeiten schon weiter an der Überwindung der Euro-Krise. Aber es ist schon wieder ruhig.
Müller: Wunderbar. Herr Schäuble, bleiben wir noch mal beim IWF. 45 Milliarden soll der deutsche Anteil sein. Jetzt sagt die Bundesbank, wenn wir das ohne internationale Beteiligung machen, sondern nur innerhalb des europäischen Rahmens, dann ist das eine direkte oder indirekte Staatsfinanzierung durch die Bundesbank. Hat sie da recht?
Schäuble: Da hätte sie recht, aber genau darum geht es ja auch nicht und das ist auch mit der Bundesbank ganz klargestellt. Deswegen habe ich ja zweimal gesagt, es werden die allgemeinen Mittel des Internationalen Währungsfonds durch bilaterale Kredite aufgestockt. Das haben wir auch in der Vergangenheit schon gemacht. Und wenn das gewährleistet ist - das hat die Bundesbank, der Bundesbankpräsident ja geschrieben in einem Brief an mich, den ich auch dem Bundestag zur Kenntnis gegeben habe -, dann ist die Bundesbank damit einverstanden.
Müller: Sind Sie denn optimistisch, dass die anderen, beispielsweise Washington, beispielsweise London, oder auch Peking, mitmachen?
Schäuble: Ja, da muss man unterscheiden. Washington kann keinen bilateralen Kredit dem Internationalen Währungsfonds zur Verfügung stellen, ohne dass der Kongress - so ist das in Amerika geregelt - dem zustimmt. Und dafür gibt es keine Chance. Das hat die amerikanische Regierung immer klargemacht. Die Briten haben sich ja verpflichtet, einen gewissen Beitrag dazu zu leisten, und mit China sind wir auch im Gespräch. China hat keine widersprüchliche Position bezogen. Also ich glaube, dass wir insgesamt vorankommen, aber man muss sich natürlich klar darüber sein: Im IWF sagen viele, die ganze Tätigkeit des IWF kann sich ja nicht nur auf Europa konzentrieren, wir müssen ja auch an Lateinamerika, an Asien, an Afrika denken. Der Internationale Währungsfonds ist der internationale Währungsfonds, und deswegen müssen die Europäer natürlich den größeren Teil ihrer Probleme schon selbst lösen. Dazu sind wir aber als stärkste Wirtschaftsregion der Welt auch in der Lage.
Müller: Herr Schäuble, machen wir hier einen Schnitt. Zum Abschluss müssen wir noch kurz über den Bundespräsidenten sprechen. Was raten Sie ihm?
Schäuble: Ich rate jedenfalls mir und allen meinen Kollegen dazu, öffentlich gar nichts zu sagen. Das gebietet der Respekt vor dem Amt und ich glaube, wir haben alle ein Interesse daran, dass wir das Amt des Bundespräsidenten schützen.
Müller: Ist er angemessen damit umgegangen?
Schäuble: Ich habe gerade schon gesagt, ich werde mich an dieser öffentlichen Debatte nicht beteiligen, weil die als solche dem Amt des Bundespräsidenten nicht gerecht wird.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Schäuble: Auf Wiederhören, Herr Müller.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Schäuble, wie frustrierend sind für Sie hart errungene Gipfelbeschlüsse, die dann ein paar Tage später doch nichts ändern?
Schäuble: Na ja, es war ja von vornherein klar, dass der Gipfelbeschluss am 9. Dezember ein großer, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung war, aber dass wir noch nicht über den Berg sind. Das hat die Bundeskanzlerin auch nach dem Gipfel und auch in ihrer Regierungserklärung sehr klar gesagt. Das ist nicht an einem Tag zu schaffen. Wir haben über einen längeren Zeitraum Vertrauen bei den Investoren in der Welt verloren, weil die europäischen Entscheidungsprozesse sehr kompliziert sind. Das versteht man in Asien oder auch in Kalifornien nicht so richtig. Und dieses Vertrauen gewinnen wir nicht über Nacht zurück. Wir müssen konsequent weiter arbeiten. Deswegen haben wir auch nicht die Arbeit mit dem Gipfel eingestellt, sondern wir arbeiten weiter, jeden Tag und jede Woche. Auch heute geht es mit einer Telefonkonferenz der Finanzminister weiter. Wir müssen das Schritt für Schritt umsetzen, damit wir stückweise auch wieder das Vertrauen zurückgewinnen.
Müller: Die Beschlüsse, Herr Schäuble, hören sich ja nicht so an, als würde es demnächst unkomplizierter.
Schäuble: Ja gut, Europa ist nicht nach dem Prinzip der Effizienz gebaut worden, sondern Europa ist die europäische Einigung, der ehrgeizige Versucht, die Vielfalt Europas, den Reichtum der Nationen in all ihrer Unterschiedlichkeit mit der Notwendigkeit zu verbinden, in den Fragen, wo wir nur global handeln können - und in der Finanzpolitik, in der Währungspolitik ist das bei der Verflechtung der Finanzmärkte so -, in den Fragen einheitlich zu handeln, den Willen der nationalen Parlamente, der nationalen Souveräne, der Bevölkerung zu respektieren. Und das macht Europa ein bisschen kompliziert, das ist wahr. Aber entscheidend ist: Wir haben am 9. Dezember wesentliche Schritte für eine Stabilitätsunion geschaffen, das war in den 90er-Jahren nicht möglich. Das müssen wir jetzt umsetzen und dann werden auch die Krisenmeldungen weniger werden.
Müller: War das, Herr Schäuble, der große Fehler, erst die Währungsunion und dann erst die politischen Reformen?
Schäuble: Nein, ich glaube nicht, dass das ein Fehler war. Wir wollten ja damals schon die politische Union, aber sie war nicht erreichbar. Politik ist immer auch ein bisschen die Kunst des Möglichen, und wenn wir nicht große Katastrophen haben wie die zwei Weltkriege in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, dann ist die Bereitschaft zu Veränderungen nicht so ganz einfach gegeben. Dann geht es schrittweise voran, das ist genau der Prozess der europäischen Einigung. Aber wenn man das berücksichtigt, sind wir eigentlich in Europa unheimlich weit gekommen, und wir sind ja auch erfolgreich. Man muss ja bei allen Krisenmeldungen immer gelegentlich auch dazu sagen: Mit großem Abstand ist, wenn man Europa als Ganzes nimmt, das die stärkste Wirtschaftsregion der Welt, weit vor den Vereinigten Staaten von Amerika, weit vor China. Das haben wir geschaffen und das ist eine große Leistung. Wir können es übrigens im täglichen Leben - wir Deutsche - spüren. Es geht uns ja wirtschaftlich nicht so schlecht. Wir haben eine tolle Situation am Arbeitsmarkt, wir haben eine sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Das sind alles Erfolge, die wir ohne die europäische Einigung nicht hätten, und deswegen ist der mühsame Prozess - es lohnt die Anstrengung.
Müller: Sie sprechen, Herr Schäuble, von der Unterschiedlichkeit in Europa. Wir nehmen Portugal, Irland, vor allem auch Griechenland. Diese Unterschiedlichkeit könnte Gesamteuropa jetzt in den Abgrund ziehen?
Schäuble: Nein, das zieht uns nicht in den Abgrund, das schafft uns Schwierigkeiten. Wenn Sie die drei Beispiele nehmen, dann können Sie zunächst einmal sagen: Irland ist der beste Beweis, dass das Prinzip funktioniert. Wir geben Hilfen, europäische Solidarität, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Länder auch ihre Probleme lösen. Irland macht das in einer sehr guten Weise, kommt sehr zügig mit der Wiedergesundung seiner Finanzen und mit der wirtschaftlichen Erholung voran. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Auch Portugal hat einen schwierigen Weg, muss wettbewerbsfähiger werden, macht das aber auch sehr gut, mit großen Anstrengungen. Auch Portugal ist ein Beweis, dass es funktioniert. Griechenland ist eine außergewöhnliche Situation, außergewöhnliche Schwierigkeiten, aber auch da arbeiten wir intensiv daran, vor allen Dingen auch die Europäische Union, dass Griechenland Wachstumschancen hat. Ohne dass die griechische Wirtschaft ins Wachstum kommt, dass sie auch wieder wettbewerbsfähig wird, nützen die ganzen Programme am Ende nichts. Genau daran wird gearbeitet. Warum soll man beispielsweise Solarenergie nicht in Griechenland produzieren? Da ist sie viel kostengünstiger zu erreichen als im Norden Europas. Und so gibt es viele Möglichkeiten.
Müller: In Griechenland, Herr Schäuble, geht die Entwicklung nach unten - viele sagen, weil die EU Griechenland gezwungen hat, sich kaputt zu sparen.
Schäuble: Nein, das ist falsch. Wissen Sie, das sagt jeder, der zahlungsunfähig geworden ist, auch im Privatleben, dass das Insolvenzverfahren ihn nach unten zieht. Die Ursachen sind: Er hat zu lange über seine Verhältnisse gelebt, und dann führt kein Weg daran vorbei, dann muss man sparen. Das ist ein harter Prozess, aber deswegen sage ich ja: Das Sparen allein hilft Griechenland nicht. Die Wirtschaft in Griechenland muss auf die Beine kommen, und daran arbeiten wir sehr intensiv.
Müller: Reden wir über den 200-Milliarden-Euro-Zuschuss für den Internationalen Währungsfonds. Die Deutschen sollen daran beteiligt werden mit 45 Milliarden. Woran hakt es?
Schäuble: Zunächst einmal: Beim Internationalen Währungsfonds muss man ja sagen, der hat bisher seit dem Ausbruch der Schuldenkrise einiger Euro-Staaten im vergangenen Jahr ja sehr großzügig sich an der Stabilisierung Europas beteiligt. Er hat immer die Hälfte dessen beigetragen, was die Europäer selbst beigetragen haben, und das sind große Mittel. Deswegen müssen, wenn dieser Weg fortgesetzt werden soll, die Mittel für den IWF aufgestockt werden und dazu, haben die Europäer gesagt, sind sie bereit, dem IWF - so haben wir das auch mit dem IWF besprochen - bis zu 200 Milliarden zusätzliche Kredite zur Verfügung zu stellen, um die allgemeinen Mittel des Internationalen Währungsfonds aufzustocken. Das ist die sicherste Adresse, die es gibt. Der Internationale Währungsfonds hat nach Völkerrecht den Status eines bevorzugten Gläubigers. Das sind ganz sichere Kredite und das ist eher eine technische Diskussion, um die es da geht.
Müller: Herr Schäuble, ich hoffe, Sie sind nicht gerade ins Flugzeug eingestiegen. So hört sich das nämlich an.
Schäuble: Nein! Leider läuft gerade neben mir mein Faxgerät und spuckt ein Fax aus. Sie sehen: Es geht morgens schon, wir arbeiten schon weiter an der Überwindung der Euro-Krise. Aber es ist schon wieder ruhig.
Müller: Wunderbar. Herr Schäuble, bleiben wir noch mal beim IWF. 45 Milliarden soll der deutsche Anteil sein. Jetzt sagt die Bundesbank, wenn wir das ohne internationale Beteiligung machen, sondern nur innerhalb des europäischen Rahmens, dann ist das eine direkte oder indirekte Staatsfinanzierung durch die Bundesbank. Hat sie da recht?
Schäuble: Da hätte sie recht, aber genau darum geht es ja auch nicht und das ist auch mit der Bundesbank ganz klargestellt. Deswegen habe ich ja zweimal gesagt, es werden die allgemeinen Mittel des Internationalen Währungsfonds durch bilaterale Kredite aufgestockt. Das haben wir auch in der Vergangenheit schon gemacht. Und wenn das gewährleistet ist - das hat die Bundesbank, der Bundesbankpräsident ja geschrieben in einem Brief an mich, den ich auch dem Bundestag zur Kenntnis gegeben habe -, dann ist die Bundesbank damit einverstanden.
Müller: Sind Sie denn optimistisch, dass die anderen, beispielsweise Washington, beispielsweise London, oder auch Peking, mitmachen?
Schäuble: Ja, da muss man unterscheiden. Washington kann keinen bilateralen Kredit dem Internationalen Währungsfonds zur Verfügung stellen, ohne dass der Kongress - so ist das in Amerika geregelt - dem zustimmt. Und dafür gibt es keine Chance. Das hat die amerikanische Regierung immer klargemacht. Die Briten haben sich ja verpflichtet, einen gewissen Beitrag dazu zu leisten, und mit China sind wir auch im Gespräch. China hat keine widersprüchliche Position bezogen. Also ich glaube, dass wir insgesamt vorankommen, aber man muss sich natürlich klar darüber sein: Im IWF sagen viele, die ganze Tätigkeit des IWF kann sich ja nicht nur auf Europa konzentrieren, wir müssen ja auch an Lateinamerika, an Asien, an Afrika denken. Der Internationale Währungsfonds ist der internationale Währungsfonds, und deswegen müssen die Europäer natürlich den größeren Teil ihrer Probleme schon selbst lösen. Dazu sind wir aber als stärkste Wirtschaftsregion der Welt auch in der Lage.
Müller: Herr Schäuble, machen wir hier einen Schnitt. Zum Abschluss müssen wir noch kurz über den Bundespräsidenten sprechen. Was raten Sie ihm?
Schäuble: Ich rate jedenfalls mir und allen meinen Kollegen dazu, öffentlich gar nichts zu sagen. Das gebietet der Respekt vor dem Amt und ich glaube, wir haben alle ein Interesse daran, dass wir das Amt des Bundespräsidenten schützen.
Müller: Ist er angemessen damit umgegangen?
Schäuble: Ich habe gerade schon gesagt, ich werde mich an dieser öffentlichen Debatte nicht beteiligen, weil die als solche dem Amt des Bundespräsidenten nicht gerecht wird.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Schäuble: Auf Wiederhören, Herr Müller.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.