Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Schanghai
Trend zu Deutsch als Fremdsprache in China

In China lernen zunehmend mehr junge Menschen Deutsch. Oft wollen sie in Deutschland studieren oder erhoffen sich bessere berufliche Chancen mit. Besonders die Aussprache fällt nicht leicht - auch nicht den Kursteilnehmern einer Deutsch-Stunde in Schanghai.

Von Steffen Wurzel | 03.10.2017
    Die Skyline von Schanghai am Huangpu Fluss - gesehen vom Shanghai Tower.
    Wächst und wächst und wächst: Die Skyline von Schanghai, der bedeutendsten Industriestadt Chinas. (imago / ZUMA Press)
    Ein Freitagvormittag im Shanghaier Goethe-Sprachlernzentrum. Lehrerin Wu LingLing steht vor ihrer B1-Klasse mit zehn Schülerinnen und Schülern. B1 bedeutet: Die Lernenden haben ein Sprachniveau erreicht, mit dem sie in der Lage sind, auf Deutsch einige Sätze am Stück zu sprechen und zu verstehen.
    "Nur bitte langsam sprechen, dann kann ich das gut verstehen."
    David Dou aus Schanghai gehört mit 35 Jahren zu den Ältesten in der Klasse. Die meisten hier sind Anfang 20. David hat eine berufliche Motivation, Deutsch zu lernen.
    "Ich möchte in Deutschland Geschäfte machen. Ich habe in Deutschland mein Geschäft schon angemeldet: Import/Export für Auto- und Elektroteile. Deutschland hat ein sehr positives Image in China."
    Jan Sprenger vom Goethe-Institut Peking, er koordiniert die insgesamt neun Goethe-Sprachlernzentren in China:
    "Wir haben eine Entwicklung gehabt in den vergangenen Jahren, die eine hohe Steigerungsrate zeigt. Kursteilnehmer im ganzen Land verteilt lernen vermehrt Deutsch: an den Goethe-Sprachlernzentren, am Goethe-Institut aber auch in anderen Einrichtungen. Flächendeckend. Angefangen von Schülern in den Schulen, über Universitäten bis hin zur Erwachsenenbildung. Wir sehen ein klares Interesse an Deutsch und Deutschland."
    Nur ein vollwertiges Goethe-Institut in China
    Die Goethe-Sprachlernzentren gehören zu den beliebtesten kommerziellen Anbietern von Deutschkursen in China. In dem Land gibt es aus rechtlichen Gründen nur ein vollwertiges Goethe-Institut gibt, nämlich das in Peking. Deswegen arbeitet es in Schanghai, Guangzhou, Chongqing, Qingdao und fünf weiteren Städten mit lokalen chinesischen Bildungseinrichtungen zusammen. Das Ganze eben unter dem Namen Sprachlernzentrum.
    "Am Anfang ist es ganz schwierig. Warum ist der Tisch 'der' und das Buch 'das'?"
    Kursteilnehmerin Shao Tang, 27 Jahre: "Ich möchte vielleicht in Zukunft nach Deutschland gehen, um dort Germanistik zu studieren. Die Unis in Deutschland haben einen ganz guten Ruf."
    In Deutschland zu studieren ist die häufigste Motivation für Deutsch-Lernende in China. Auch, um im Beruf weiterzukommen, kann ein Beweggrund sein. Daneben gibt es aber auch noch ausgefallenere Gründe. Sprachlernzentren-Koordinator Jan Sprenger.
    "Es gibt immer wieder Studierende, die sind interessiert an deutscher Philosophie oder deutschem Recht. Und es gibt relativ viele Musiker, die dann sei es Lieder von Schubert oder anderen singen wollen und dann vor allem wegen der Aussprache Deutsch lernen wollen."
    Deutsche Aussprache ist schwierig
    Gerade die deutsche Aussprache ist für viele Kursteilnehmer in China besonders knifflig. Denn im Chinesischen gibt es ganz andere Grund-Laute als im Deutschen.
    Ein Wort wie "Eichhörnchen" zum Beispiel ist Chinesisch "SongShu".
    "Eich ... Eichhörn ... Eich-Hörn-Schn. Das ist sehr schwierig! In Deutschland gibt es viele Eichhörnchen. Oder?"
    Auch, was Bedeutung und Sinnhaftigkeit angeht, könnten die Unterschiede zwischen Chinesisch und Deutsch kaum größer sein. Die 27-jährige Shao Tang.
    "Die Leidenschaft. Ich finde es klingt ganz gut. Aber mit der Bedeutung ist es ein bisschen komisch. Denn 'Leiden' ist negativ, aber 'Leidenschaft' ist etwas ganz Positives."
    Lehrerin Wu LingLing macht mit ihren zehn Schülern eine Gruppenübung. In Zweierteams werden Argumente ausgetauscht. In Schanghai zu leben: Ist das gut oder eher nicht zu empfehlen?
    "Viele Schüler, wenn sie hier bei uns anfangen, sind sie manchmal schockiert. In chinesischen Schulen ist es so, dass man brav zuhört und der Lehrer redet allein. Es gibt wenig Interaktion. Hier hingegen verkaufen wir das Konzept: Sprache lernen muss auch Spaß machen."
    "Wir versuchen, Situationen zu schaffen, die sie im Alltag in Deutschland erleben werden. Das kann zum Beispiel eine Situation in einem Café sein, in der man einen Kaffee bestellt. Wie mache ich das eigentlich? Natürlich ist die Grammatik bei uns ein Feld, aber sie ist immer nur Mittel zum Zweck. Während in der klassischen Richtung in chinesischen Bildungseinrichtungen die Grammatik immer Zweck an sich ist."
    Zweite Fremdsprache an Mittelschulen inzwischen Pflicht
    Der Trend zu Deutsch als Fremdsprache dürfte künftig noch stärker wachsen als bisher schon. Denn vor Kurzem hat der chinesische Staat entschieden, dass an den Mittelschulen des Landes neben Englisch immer auch eine zweite Fremdsprache angeboten werden muss. Ob das nun Koreanisch, Japanisch, Spanisch, Französisch oder eben Deutsch ist, können die Schulen selbst entscheiden.
    "Das ist eine interessante Zeit für uns, um zu erkennen: Für welche Sprache interessieren sich die Eltern, damit die Kinder das später einmal lernen." "Das ist eine ganz andere Sprache, als das Chinesische. Akkusativ, Dativ und 'der, die, das' - das ist alles schwieriger für mich. Aber ich lerne fleißig Deutsch!"