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Schatten auf dem Nobelpreis
Macchiarini-Skandal schadet dem Nobelpreis

Das renommierte Karolinska-Institut in Schweden, an dem alljährlich der Nobelpreis für Medizin vergeben wird, ist in diesem Jahr mehrfach wegen eines Forschungsskandals in die Schlagzeilen geraten. Dort hatte der italienische Chirurg Paolo Macchiarini Patienten eine Luftröhre aus Plastik eingepflanzt, zwei der drei operierten Menschen starben. Der Nobelpreis hat spürbar darunter gelitten.

Von Christine Westerhaus | 28.09.2016
    Blick von schräg oben in den Konzertsaal, in dem jedes Jahr die Nobelpreise verliehen werden.
    Es herrscht Uneinigkeit wie der Nobelpreis mit dem Macchiarini-Skandal umgehen sollte (dpa/picture alliance/epa Scanpix Pontus Lundahl)
    "Es ist sehr deprimierend und besorgniserregend, dass dieser Preis, der so ein großes Ansehen genießt, diese Katastrophe erlebt."
    Als Nobelpreisträger weiß Arvid Carlsson, was auf dem Spiel steht. Bereits im Februar hatte er im schwedischen Fernsehsender SVT gefordert, dass alle Mitglieder des Nobelpreiskommitees, die in die Macchiarini-Affäre verwickelt sind, umgehend zurücktreten.
    "Hier muss radikal aufgeräumt werden und ein sehr deutliches Signal in die Welt geschickt werden, um den Schaden zu begrenzen."
    Urban Lendahl, Generalsekretär der Nobelversammlung, war der erste, der im Februar das Handtuch warf. Er sah sich in der Verantwortung, weil er Macchiarinis Berufung im Jahr 2011 vorangetrieben hatte. Doch erst Anfang September, sieben Monate nach Lendahls Rücktritt, räumte die Nobelversammlung in ihren eigenen Reihen auf: Eine Untersuchungskommission hatte einigen stimmberechtigten Mitgliedern massives Fehlverhalten in dem Fall bescheinigt: Sie wurden daher aufgefordert, ihren Posten zu verlassen.
    Auch Anders Hamstén. Im Februar war er schon als Chef des Karolinska-Instituts zurückgetreten. Obwohl ein Gutachter bestätigte, dass Paolo Macchiarini Forschungsdaten gefälscht hatte, stellte sich Hamstén noch 2015 hinter den Chirurgen und verlängerte dessen Anstellung. Das Nobelpreiskomitee hätte schon viel früher reagieren müssen, kommentierte Bo Risberg, ehemaliger Vorsitzender des schwedischen Ethikrats, im Fernsehsender SVT. Nur so hätte verhindert werden können, dass der Nobelpreis nicht beschädigt wird.
    "Das hätte längst geschehen müssen, denn das Vertrauen in das Karolinska-Institut ist so stark angegriffen, dass auch der Nobelpreis darunter leidet. In der ganzen Welt wird der Name Karolinska-Institut eng mit dem Nobelpreis in Verbindung gebracht - das lässt sich gar nicht vermeiden."
    Der Ethiker Bo Risberg hatte mehrfach gefordert, die Vergabe des Medizin-Nobelpreises für ein bis zwei Jahre auszusetzen. So könne man ein deutliches Zeichen setzen und Respekt gegenüber den Angehörigen der verstorbenen Patienten zeigen. Doch der Chef der Nobelstiftung, Lars Heikesten, hält diese Forderung für übertrieben:
    "Ich glaube schon, dass die Affäre dem Ansehen des Nobelpreises geschadet hat. Aber ein derart starkes Signal zu senden, in dem man den Nobelpreis gar nicht vergibt, ist nicht angemessen. Schließlich war es ja nicht die Nobelpreis-Arbeit, die schlecht gemacht wurde. Ich glaube auch, dass der Schaden nur kurzfristig sein wird. Denn der Nobelpreis hat im Laufe seiner 115-jährigen Geschichte auch schon andere Krisen gemeistert."
    Auch der Zellforscher Thomas Perlmann, neuer Generalsekretär des Nobelpreis-Komitees, ist zuversichtlich, dass der Preis keinen Schaden genommen hat.
    "Es wurde an Macchiarinis Forschung kritisiert, dass sie unethisch ist, schlampig durchgeführt wurde und dass Forschungsergebnisse gefälscht wurden. Und das ist ja genau das Gegenteil von dem, was der Nobelpreis belohnt: Nämlich die herausragendste und wichtigste Forschung der ganzen Welt. Deswegen wäre es total unlogisch, die Vergabe dieses Preis wegen dieses Skandals zu stoppen."