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Scheel: Zeit für Zinssenkungen noch nicht gekommen

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christine Scheel, hat den Vorschlag von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zurückgewiesen, die Finanzkrise mit einer konzertierten Aktion von Kreditinstituten, Regierungen und Notenbanken zu bekämpfen. Dass Ackermann dem Staat zutraue, das von den Banken zerstörte Vertrauen wieder herzustellen, sei ein "Paradigmenwechsel". Die Zeit für Zinssenkungen sei nach ihrer Meinung aber noch nicht gekommen, sagte die Grünen-Politikerin.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 19.03.2008
    Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat Christine Scheel, die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Ich grüße Sie!

    Christine Scheel: Guten Morgen Herr Heckmann!

    Heckmann: Frau Scheel, Finanzminister Steinbrück spricht von einer der größten Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte. Wie groß ist die Gefahr, dass die Finanzmarktkrise zu einer echten Wirtschaftskrise auswächst, die die ganze Welt erfassen könnte?

    Scheel: Ich denke schon, dass es so ist, dass es hauptsächlich das Problem im Immobiliensektor in den USA ist. Das heißt in Amerika muss der Häusermarkt sich wieder stabilisieren. Zum zweiten kommt ja dazu dieser Notverkauf der fünftgrößten Investmentbank, die letztendlich auch vom Staat gemanagt wurde, und das muss man auch sehen. Man hat hier anscheinend eingegriffen, weil man gesehen hat, dass die Zentralbanken auch reagieren müssen, wenn es zu solchen Situationen kommt. Es gibt ja auch viel Kritik, denn es gibt Leute die sagen, die Fed hat jetzt den Eindruck erweckt, dass sie für alles zuständig sei. Andere sagen aber, die Fed musste eingreifen. Also das heißt man musste letztendlich auch so reagieren, um zu stabilisieren - sowohl im Immobiliensektor als auch im Bankensektor.

    Heckmann: Auf der anderen Seite ist es ja so, Frau Scheel, dass der Standort Deutschland ja in der Tat schon tangiert ist, wie man an den Milliarden-Abschreibungen der Landesbanken gesehen hat.

    Scheel: Wir sind jetzt in der Situation, dass wir nicht nur darüber reden müssen, sondern auch handeln müssen: Was kann ein Staat denn noch tun? Das Vertrauen in die Finanzmärkte ist das allerwichtigste, was es gibt in dem Zusammenhang. Deswegen bin ich schon auch überrascht über den Paradigmenwechsel von Herrn Ackermann, der jetzt gesagt hat, dem Staat wird praktisch zugetraut, dass das Vertrauen wieder hergestellt wird, das die Banken zerstört haben. Das ist schon eine Ansage, die für viele sehr, sehr überraschend gekommen ist. Die Frage ist nur: was resultiert daraus? Für uns resultiert daraus, dass dieses Stichwort Transparenz, das ja bedeutet, wer weiß eigentlich wo die Risiken eingegangen worden sind, wer weiß eigentlich was in den Banken noch schlummert, zur Geltung kommt. Es müssen jetzt ganz, ganz schnell alle Karten auf den Tisch gelegt werden, damit man die Risiken auch bei den einzelnen abschätzen kann. Und man muss auch wissen, wer welche Risiken eingegangen ist, wie sie weitergeleitet worden sind, wer im Notfall auch zur Verantwortung gezogen wird. All das gehört zur Transparenz und das bedeutet, dass wir das unübersichtliche Finanz-Roulette, was hier stattgefunden hat, beenden müssen - mit schärferen Regeln vor allen Dingen. Da muss man klar sagen, da hat Deutschland gut reagiert gehabt mit Basel II. Das ist ein Prozess, der mit vielen Ländern eingeleitet wurde. Der gilt seit 1. Januar diesen Jahres und da dürfen keine Zweckgesellschaften mehr gegründet werden. Das war ja der Hintergrund der ganzen Problematik auch in Deutschland bei den Landesbanken und bei der IKB, dass die Zweckgesellschaften gegründet haben außerhalb der Bilanz, Geschäfte gemacht haben hoch riskant, nicht mit Eigenkapital ausreichend unterlegt. Dies darf jetzt nicht mehr sein. Das heißt Zweckgesellschaften müssen mit Eigenkapital unterlegt werden. Wir haben aber das Problem, dass sowohl die Rating-Agenturen in Deutschland als auch die Wirtschaftsprüfer diese Risiken nicht gesehen haben.

    Heckmann: Transparenz ist die eine Seite, Frau Scheel, und auch die Regeln, die möglicherweise eingeführt werden sollten, die Sie gerade eben angesprochen haben. Ist denn auch Zeit für so etwas wie eine konzertierte Aktion, für ein wirklich aktives Eingreifen des Staates in Form von Zinssenkungen oder Konjunkturprogrammen?

    Scheel: Es ist natürlich schon so, wenn es Probleme und nach dem Staat gerufen wird, dass immer gleich gesagt wird, jetzt müsst ihr Konjunkturprogramme auflegen. Es ist ganz wichtig, dass unsere Wirtschaft in Deutschland vernünftig versorgt wird mit Geld. Das heißt wenn jemand investieren will, dass der Investor auch an die Kredite kommt. So wie es im Moment aussieht funktioniert das auch. Das Problem ist wohl nur, dass die Banken untereinander ein so großes Misstrauen haben, weil man eben nicht genau weiß, was der jeweils andere in den Büchern hat und damit auch die geschäftlichen Kontakte in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Wir müssen jetzt beobachten - und zwar sehr genau -, ob es gelingt, dass die Investoren ihre Investitionen tätigen können und damit verbunden muss natürlich über Zinssenkungen dann nachgedacht werden. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich das in Deutschland nicht.

    Heckmann: Die Einschätzungen von Christine Scheel, der stellvertretenden Vorsitzenden der Bündnis-Grünen-Bundestagsfraktion. Frau Scheel, danke Ihnen für das Gespräch!

    Scheel: Ja, schönen Tag noch.