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Schicksalswahl in Baden-Württemberg

In fünf Tagen wird in Baden-Württemberg gewählt und allen Beteiligten - auch den Parteispitzen in Berlin - ist klar, dass diese Landtagswahl eine ganz besondere ist. Das erste Mal seit 57 Jahren - seit die CDU im Land den Ministerpräsidenten stellt - haben Grüne und SPD wohl eine realistische Chance, an die Macht zu kommen.

Von Michael Brandt | 22.03.2011
    Stefan Mappus, erst seit dem 10. Februar des vergangenen Jahres Regierungschef, muss um sein Amt zittern. Denn die Zustimmung für die Koalition von CDU und FDP, die seit 15 Jahren in Baden-Württemberg regiert, ist in den Umfragen massiv eingebrochen. Genau zwei Wochen und einen Tag vor dem 27. März explodiert im fernen Japan Block 1 des Atomkraftwerks Fukushima 1. Und auf einen Schlag ist die Atompolitik, die bis dahin nur ein Punkt von vielen im Landtagswahlkampf war, das alles bestimmende Thema. Der CDU-Spitzenkandidat reagiert: In einer Sondersitzung des Stuttgarter Landtages kündigt Stefan Mappus vor genau einer Woche an, dass von nun an alles anders sein soll mit der Atomkraft im Ländle:

    "Was in Japan passiert, hat mich erschüttert und es hat mich nachdenklich gemacht und es lässt mich zweifeln an mancher Gewissheit, auf die ich vertraut habe. Auch das gebe ich offen zu."
    Noch wenige Wochen zuvor war der 44-Jährige innerhalb der Union einer der profilierten Befürworter der Atomkraft. Mappus hatte sich massiv dafür eingesetzt, den rot-grünen Atomkompromiss aufzukündigen und die Laufzeiten der Kernkraftwerke um 15 Jahre zu verlängern. Dafür legte er sich öffentlich sogar mit seinem Parteifreund, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, an:

    "Jeder weiß, dass ich dafür eingetreten war, die Laufzeiten für unsere Kernkraftwerke für eine bestimmte Anzahl von Jahren zu verlängern. Es stimmt, dass diese Entscheidung strittig war und dass sich daran Kritik entzündet hat."
    Angesichts des drohenden Super-GAUs in Fukushima 1 wandelt sich der CDU-Politiker zum Atomgegner. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass seine Bundesvorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, das dreimonatige Moratorium verkündet. Bis Mitte Juni werden alle deutschen Atommeiler auf ihre Sicherheit hin überprüft, die Laufzeitverlängerung ausgesetzt und die Reaktoren, die vor 1980 gebaut worden sind, sofort heruntergefahren. In Baden-Württemberg sind das: Neckarwestheim 1 und Phillipsburg 1. Mappus nennt diesen Schritt zwar folgerichtig, tut sich aber in der Bundespressekonferenz in Berlin schwer, seinen Kurswechsel zu begründen:

    "Ich mach keine Kehrtwende. Aber glaube das, was wir tun, ergibt sich aus sich selbst heraus. Sie können doch nicht alle Ernstes, nach dem was am Wochenende passiert ist, quasi beklagen, dass das, was die Menschen erwarten und was man tut, nämlich dass man auf die Leute und ihre Ängste eingeht, dass das praktisch eine Kehrtwende aus Wahlkampfgründen ist."
    Seitdem versucht sich der Ministerpräsident als den besseren Atomkraftgegner darzustellen: Was der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2002 beim Atomkompromiss nicht gelungen sei - nämlich die Altreaktoren sofort abzuschalten – seine CDU hätte es geschafft. Doch ein mögliches Kalkül hinter der Kursänderung ist leicht zu durchschauen: Wäre die CDU im Wahlkampf bei Mappus' bisherigen Pro-Atom-Kurs geblieben, würde sicherlich die politische Konkurrenz - Grüne und SPD - davon profitieren. Es geht dabei um die entscheidenden Prozentpunkte, die der Opposition für einen Regierungswechsel in Baden-Württemberg fehlen könnten. Also zieht der CDU-Spitzenkandidat die atompolitische Notbremse. Ob sie glaubwürdig ist, werden am kommenden Sonntag die Wähler entscheiden. Derweil nutzt die Opposition die Steilvorlage: Der Spitzenkandidat der Grünen, Winfried Kretschmann, wirft Mappus vor, das Moratorium "soll eine Beruhigungspille sein, um Sie über die Wahlen zu retten."
    Und der Herausforderer der SPD, Nils Schmid, verlangt die sofortige Rückkehr zum 2002 vereinbarten rot-grünen Ausstiegsszenario:

    "Entscheidend ist, dass wir wieder die stabile Rahmenbedingungen von Gerhard Schröder und Rot-Grün herstellen, und dann können wir aus der Atomenergie aussteigen, so wie wir es geplant haben seit 2000."
    Auch in den Wählerumfragen spiegeln sich die Ereignisse in Japan wieder: Sahen die Meinungsforschungsinstitute die schwarz-gelbe Koalition unter Mappus' Führung vor den Katastrophenmeldungen in Fukushima 1 noch leicht vorne – ändert sich das nun. In einer Anfang der Woche im Nachrichtenmagazin "Focus" veröffentlichten Emnid-Umfrage kommt Grün-Rot auf 47 Prozent und liegt damit drei Punkte vor einer Koalition aus CDU und FDP. Auch die Tübinger Politologin Gabriele Abels stellt fest, dass es in Baden-Württemberg eine Wechselstimmung gibt:

    "Es gibt sicherlich Indizien dafür, dass es hier tatsächlich zu einem Wechsel kommen könnte, zumindest wird es Schwarz-Gelb sehr viel schwerer fallen, diese Landtagswahl zu gewinnen. Weil ja nicht nur durch Stuttgart 21 eine gewisse Wechselstimmung da war, die zwar abgeebbt ist. Aber die Ereignisse in Japan befördern sicher im Moment noch einmal eine höhere Wechselbereitschaft als bei früheren Wahlen."
    Ursachen für die höhere Wechselstimmung im Land sieht die Politikwissenschaftlerin im Thema Stuttgart 21 und der Atomwende. Beides sind Punkte, wegen derer Mappus an Zustimmung verlor. Zum einen gehe es dabei um die Sache. Zum anderen um die Art, wie der Ministerpräsident agiere. Zunächst, so erklärt es Gabriele Abels, habe der CDU-Politiker klare Positionen vertreten: Er stand für die Laufzeitverlängerung und für die Tieferlegung des Bahnhofs. Dann aber habe sich, so Abels, herausgestellt, dass beide Positionen weder haltbar noch vermittelbar sind: Bei Stuttgart 21 nach der Eskalation im vergangenen Jahr am 30. September, als die Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorging.

    Atmo: "Mappus weg, Mappus weg!"

    Bei der Atomkraft nach der Katastrophe von Fukushima 1. Abels sieht in seinem Handeln durchaus Parallelen: In beiden Fällen habe Mappus eingelenkt. Bei Stuttgart 21 mit der Schlichtung, bei Fukushima mit dem Moratorium. Das Problem sei aber, glaubt die Politologin zu wissen, dass er so an Glaubwürdigkeit verliert:

    "Mappus hat ja im Zusammenhang mit Stuttgart 21 mehrfach verkündet, er hat verstanden, es muss sich was ändern. Aber es ist die Frage, ob die Leute dann das Gefühl kriegen, es passiert tatsächlich was."
    Die Tatsache, dass sich viele Baden-Württemberger nicht leicht mit dem Machtpolitiker Mappus tun, ist ein möglicher Grund für den Vertrauensverlust der CDU im Land. Darüber hinaus hat die Union im Südwesten ein strukturelles Problem: Zum einen hat sie in den Städten an Zustimmung verloren. In Mannheim, Ulm und Reutlingen sind die Stadtoberhäupter Mitglieder der SPD an; in den Universitätsstädten Freiburg und Tübingen bestimmen mit Dieter Salomon und Boris Palmer grüne Politiker die Geschicke der Stadt. Die CDU dagegen, so die Analyse von Abels, habe den Anschluss ans städtische Milieu verloren:

    "Die Universitätsstädte haben da natürlich eine besondere Rolle. Aber auch wenn man zum Beispiel Stuttgart anschaut, wie stark sich Stuttgart von der Demografie her gewandelt hat, das schlägt sich natürlich auch im Parteiensystem nieder. Dass sich viele Menschen dann nicht mehr durch eine konservativ-christliche Partei repräsentiert fühlen."

    Die CDU Baden-Württemberg ist deutlich konservativ-christlich geprägt. Repräsentanten wie der langjährige frühere Ministerpräsident Erwin Teufel, Bundesbildungsministerin Annette Schavan oder auch Stefan Mappus stehen für ein traditionelles Familienbild, für ein dreigliedriges Schulsystem und für Werte wie Fleiß oder Gottesfurcht. Zwar gibt es in der Landespartei auch eine andere Strömung, für die etwa die ehemaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth oder Günter Oettinger stehen. Analysen haben aber ergeben, dass sich auch unter Oettinger die Zustimmung der CDU in den Städten nicht merklich verbessert hat -, was als ein Grund dafür gesehen wird, weshalb ihn Kanzlerin Merkel nach der vergangenen Bundestagswahl als EU-Energiekommissar nach Brüssel weglobt hat.
    Mit dem Wahlkampfbus tourt Stefan Mappus seit Wochen unermüdlich über die Dörfer. Der 44-Jährige steht - anders als sein Vorgänger Oettinger – für das konservative Profil der Südwest-CDU. Nicht überall macht sich der Landesparteichef damit nur beliebt. Sogar auf seinen Wahlveranstaltungen kritisieren langjährige Parteimitglieder, der Ministerpräsident sei zu wenig liberal und weltoffen:

    "Sie haben genau das gesagt, was mir fehlt."

    "Mir war es zu viel Länderfinanzausgleich und zu viel Polemik und einfach zu wenig die ansprechen, die eben vielleicht noch schwanken zwischen SPD und CDU."
    Mappus stehe für eine Politik, wie sie in den 1980-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gemacht worden ist, nicht aber für eine moderne Politik in einer modernen Gesellschaft. Nach wie vor den größten Rückhalt hat die Mappus-CDU in den ländlichen Gegenden. Insbesondere in Oberschwaben, dem noch immer landwirtschaftlich geprägtem Gebiet zwischen Schwäbischer Alb und Bodensee. Die Region hat sich zwar in den vergangenen Jahrzehnten durch die erfolgreiche Strukturpolitik der CDU verändert, immer häufiger entstehen zwischen Kuhweiden und Hopfenfeldern auch Hightech-Betriebe oder innovative Automobilzulieferer - die Strukturen aber sind konservativ geblieben. Und genau in diesen Gegenden erwuchs der CDU mit den Grünen eine starke politische Konkurrenz. Einerseits haben sich in den vergangenen Jahren viele Bauern der ökologischen Landwirtschaft zugewandt, andererseits ist die Ökopartei an ihrer Basis eher konservativ als ideologisch. Die Politologin Gabriele Abels:

    "Angesichts dessen, dass die baden-württembergischen Grünen im Bundesvergleich stärker konservative Wurzeln haben und an der Stelle auch mit ihrem ökologischen Programm christlich gebundene Wähler gewinnen können, die gerade an ökologische Fragen ein hohes Interesse haben."
    Winfried Kretschmann, der Spitzenkandidat und womöglich erster grüner Ministerpräsident, repräsentiert genau diese Strömung. Er stammt aus dem oberschwäbischen Sigmaringen, ist Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken und war schon 1979 bei der Gründung der Partei dabei. Aus Liebe zur Natur, wie der 62-Jährige heute sagt:

    "Das klingt jetzt ein bisschen pathetisch, aber mein Anspruch war die Liebe zu Natur. Deswegen bin ich den Grünen beigetreten. Mein Anspruch war, den Artenreichtum und die Vielfalt der Natur zu erhalten."
    Damit ist Kretschmann gar nicht so weit weg von einer Grundüberzeugung in der ländlichen CDU: dem Wunsch, die Schöpfung Gottes zu bewahren. Es gibt also sowohl was die Wählerschaft, als auch was die Überzeugungen angeht, in Baden-Württemberg eine gar nicht so kleine Schnittmenge zwischen Schwarz und grün. Eigentlich eine perfekte Grundlage für eine schwarz-grüne Koalition, meint Oswald Metzger. Er saß früher für die Grünen im Deutschen Bundestag; 2007 trat er aus Verärgerung über einen Linksruck seiner Partei bei den Grünen aus und ein Jahr später bei der CDU ein. Heute stellt Metzger zwischen beiden Parteien eine breite Basis für eine Zusammenarbeit fest:

    "Die Landespolitik wird natürlich auch künftig von einer Option schwarz-grüner inhaltlicher Schnittmengen bestimmt sein. Die Grünen in Baden-Württemberg sind in ihrer kommunalen Basis sehr wertkonservativ, gelten auch bei den Unionspartnern als zuverlässig. Übrigens auch umgekehrt gelten Grüne bei den Christdemokraten als zuverlässiger als Sozialdemokraten."
    Auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer meint:

    "In der Sache ist Zusammenarbeit zwischen CDU und Grünen ohnehin jederzeit möglich."
    Dennoch ist eine schwarz-grüne Koalition ist in Baden-Württemberg zurzeit völlig undenkbar. Denn eine ganze Reihe von Ereignissen hat zwischen beiden Parteien einen tiefen Graben gerissen: erstens die Tatsache, dass Oettinger und Kretschmann nach den Landtagswahlen im Jahr 2006 kurz vor schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen standen. Was dann aber ausgerechnet der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus mit einem Interview verhindert hat. Zweitens haben sich die Parteien in der Auseinandersetzung um den geplanten Bau eines unterirdischen Bahnhofs in der Landeshauptstadt derart verhakt, dass auch beim Thema Stuttgart 21 keinerlei Zusammenarbeit mehr möglich ist. Boris Palmer:

    "Das Klima für Schwarz-grün ist denkbar schlecht. Der Ministerpräsident hat mit Brachialgewalt gegen die Bürgerschaft dokumentiert, dass ihm Argumente nicht wichtig sind, dass er im Zweifelsfall die Knüppel einsetzen lässt. Und die CDU hat uns zum Hauptfeind erkoren. Das ist schlicht keine Basis, auf der man Koalitionen begründen kann. Ich sehe für Schwarz-Grün bei der Landtagswahl wirklich schwarz."
    Denn die CDU hat im Landtagswahlkampf die Grünen zum Hauptgegner erkoren. Bundeskanzlerin Angela Merkel nennt sie eine "Dagegen-Partei" und Ministerpräsident Stefan Mappus lässt bei seinen Wahlkampfauftritte kaum eine Gelegenheit aus, die Ökopartei und ihren Spitzenkandidaten Kretschmann verbal niederzumachen:

    "Im Landtag, im Plenarprotokoll nachlesbar, hat der Grünen-Fraktionsvorsitzende unser Land Baden-Württemberg mit dem fallenden Troja verglichen. Man hat manchmal den Eindruck, die freuen sich über Krisenmeldungen für dieses Land. Und solchen Miesmachern darf man das Land nicht überlassen."
    Für weitere schwarz-grüne Verstimmungen hat ein Vorwurf gesorgt, der im Wahlkampf aus der zweiten Reihe der CDU immer wieder zu hören war. Dass der 62-jährige Kretschmann gesundheitlich angeschlagen sei und keine volle Legislaturperiode als Ministerpräsident durchhalten könne, dass er obendrein von Parteichef Cem Özdemir ferngesteuert sei. Der so Angegriffene ist über die Attacken empört:

    "Das sind wirklich perfide Kampagnen."
    Der Wahlkampf hat sich folglich zu einem regelrechten Lagerwahlkampf zwischen den bürgerlichen und linken Kräften entwickelt - und sich immer weiter zugespitzt. Auf der einen Seite die CDU mit ihrem Wunschpartner FDP, die sich in ihrem Stammland Baden-Württemberg nach der Führungskrise an der Spitze ihrer Bundespartei in den Umfragen wieder stabilisiert hat. Auf der anderen Seite SPD, Grüne und Linke. Ob die Linkspartei den Sprung über die Fünfprozenthürde und damit erstmals in den Stuttgarter Landtag schafft, ist jedoch noch nicht ausgemacht.

    Genauso wenig wie die Frage, wer den Ministerpräsidenten stellt, falls Grüne und SPD am kommenden Sonntag in Baden-Württemberg Schwarz-gelb ablösen sollten. Vor einigen Monaten noch lagen die Grünen mit mehr als 30 Prozent in den Umfragen deutlich vor den Sozialdemokraten. Seine Partei feierte Winfried Kretschmann beinahe schon als den ersten grünen Ministerpräsidenten in Deutschland. Als dann aber Stuttgart 21 nach der Schlichtung durch Heiner Geißler ein wenig aus den Schlagzeilen geriet, holten die Genossen auf. Wochenlang sah es nun so aus, als wäre es der Spitzenkandidat der SPD, Nils Schmid, der ein rot-grünes Bündnis anführen könnte:

    "Ich will ein Ministerpräsident sein, der zuhört, nachdenkt und dann entscheidet. Das Problem beim Herrn Mappus ist, dass er allzu oft das umgekehrt macht und die Folgen können wir dann besichtigen. Und ich will auch ein Ministerpräsident sein, der den Bürgern mit Respekt gegenübertritt und nicht als Schaumschläger oder Blender – so wie Guttenberg und Mappus es tun."
    Der promovierte Jurist ist 38 Jahre alt und damit nur sechs Jahre jünger als der amtierende Ministerpräsident. Schmid gehört seit zehn Jahren dem Landtag an und hat sich Ruf als fundierter Finanzpolitiker erarbeitet. Er wirkt auf den ersten Blick ein wenig farblos, im Wahlkampf hat sich jedoch als Gegenentwurf zu Stefan Mappus positioniert: Er sei kein Rambo, der durchregiert, sondern ein Bürger-Versteher, der zuhören kann.

    Nach zwei öffentlichen Veranstaltungen, in denen die beiden Kontrahenten direkt aufeinandertrafen, kommen alle Beobachter zu dem Schluss, dass Schmid auf Augenhöhe mit dem Ministerpräsidenten diskutiert hat. Während Mappus in der Bildungspolitik mit den Erfolgen des Landes punkten konnte, profilierte sich der Akademiker Schmid mit klassisch sozialdemokratischen Themen:

    "Jetzt müssen die Früchte des Aufbruchs auch bei den Beschäftigten ankommen. Es kann nicht sein, dass Seite an Seite am selben Band einer von der Stammbelegschaft arbeitet und einer von einer Fremdfirma, der weniger Geld und weniger Urlaub bekommt. Das stört den Betriebsfrieden und ist auch kein Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Deshalb bin ich dafür, dass wir die Leiharbeit wieder stärker einschränken."
    Was das Wählerspektrum links der Mitte angeht – buhlt neben SPD und Grünen auch die Linkspartei um Stimmen. Ihr Spitzenkandidat, der Gewerkschaftssekretär Roland Hamm, hat rot-grün bereits ein unmissverständliches Angebot gemacht:

    "Wir werden den richtigen Inhalten, damit es in Baden-Württemberg an vielen Stellen wieder besser wird, wie es im Programm der SPD und im Programm der Grünen steht, wir werden es daran nicht scheitern lassen. Und wir werden auch unter Beweis stellen, dass wir für die richtigen Positionen auch in der Lage sind, regierungsfähige Politik zu machen."
    Während CDU-Ministerpräsident Mappus nicht müde wird, das Gespenst einer grün-rot-dunkelroten Koalition an die Wand zu malen, versuchen SPD und Grüne die Linken fast krampfhaft zu ignorieren. Eine Koalition wollen sie zwar nicht definitiv ausschließen - SPD und Grüne hätten aber ein großes Problem, wenn sie den Regierungswechsel nur mit Hilfe der Linkspartei erreichen könnten. Denn beide Parteien haben sich der Sparsamkeit verpflichtet, die Linken hingegen fordern laut Wahlprogramm ein zehn Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm. Wie es am kommenden Sonntag in Baden-Württemberg auch ausgehen mag – die wirklich großen Fragen sind offen: Wie wird sich die Atomdebatte auf das Wahlverhalten der knapp elf Millionen Baden-Württemberger auswirken? Können die Grünen als "Atomkraft-Nein-Danke"-Partei davon profitieren? Was passiert, wenn die CDU um Stefan Mappus verliert? So nah an einem politischen Wechsel war das Land, das zu den wirtschaftsstärksten in Deutschland zählt, in den letzten 57 Jahren jedenfalls noch nie. Wenn man den jüngsten Umfragen Glauben schenken darf, könnte die CDU ihre Regierungsmehrheit verlieren – und zwar an die Grünen, die derzeit deutlich vor den Sozialdemokraten liegen. Und auch in Berlin steigt die Nervosität im Regierungslager. Denn ein Ende von Schwarz-gelb in Stuttgart – könnte auch der Anfang vom Ende von Schwarz-gelb unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Guido Westerwelle besiegeln.
    Stefan Mappus (CDU) und Nils Schmid (SPD) beim TV-Duell
    Stefan Mappus und Nils Schmid - Duellanten auf Augenhöhe. (picture alliance / dpa)