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Schiedsvereinbarungen
Niederlage für die Sportverbände?

Der Bundesgerichtshof hat eine für den deutschen Sport weitreichende Entscheidung gefällt. Es geht um Schiedsvereinbarungen, die unter anderem festlegen, dass bei Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln ein Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig über einen Fall entscheidet. Wer darf sich einmischen?

Von Ralf Meutgens | 28.07.2018
    Ein Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug "Bundesgerichtshof", aufgenommen beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Der BGH verkündete das Urteil über das bundesweit erste Mordurteil gegen Raser. Das Berliner Landgericht hat zwei Männer nach einem illegalen Autorennen zu lebenslanger Haft verurteilt. Dagegen haben die beiden Revision eingelegt. Der BGH hat das Mordurteil aufgehoben.
    Schiedsvereinbarungen: Am 19. April hat der Bundesgerichtshof eine für den deutschen Sport weitreichende Entscheidung gefällt. (dpa / picture alliance / Uli Deck)
    Geklagt hatte ein Sportler, dem im Jahre 2016 ein Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln vorgeworfen worden war. Zwar lag bei ihm keine positive Probe vor, aber er habe eine unerlaubte Methode angewendet: Eine Infusion möglicherweise mit mehr als 50 Millilitern. Das würde als Doping gelten, unabhängig von der Substanz.
    NADA hakte nach
    Der zuständige Verband fand keine Beweise für einen Regelbruch und sprach den Sportler frei. Für die Nationale Anti-Doping-Agentur, NADA, war dieser Freispruch ein Fehlurteil. Sie legte Berufung vor dem Deutschen Sportschiedsgericht ein. Die NADA sah sich zuständig, gehört doch das Verfolgen von Dopingfällen in ihren Aufgabenbereich. Das Problem: Die Nada war nicht Partei der sogenannten Schiedsvereinbarung, die das Vorgehen bei einem Dopingfall regelt. Diese Vereinbarung hatten nur der Sportler und sein nationaler Verband miteinander geschlossen. Ein Punkt darin: kommt es zu Rechtsstreitigkeiten, schließt die Vereinbarung den Gang vor ein staatliches Gericht aus. Die NADA empfand den Freispruch des Sportlers durch den Verband als Fehleinschätzung und leitete ihrerseits ein Schiedsverfahren ein. Grundlage: die Schiedsvereinbarung enthält einen Verweis auf die Anti-Doping-Ordnung des Spitzenverbandes und die wiederum besagt: Bei Dopingverstößen ist die NADA zuständig.
    Athlet bekam recht
    Das sah der Sportler anders. Er klagte gegen diese Einmischung der NADA zuletzt vor einem Oberlandesgericht. Das wies seinen Antrag ab. Vor dem Bundesgerichtshof bekam der Athlet nun aber Recht.
    "Die Entscheidung des BGH kam für uns recht überraschend. Zumal das Oberlandesgericht es zuvor in stetiger Rechtsprechung anders gesehen hat."
    Sagt NADA-Chefjustiziar Lars Mortsiefer: Die nationale Anti-Doping Agentur muss nach diesem Urteil Änderungen vornehmen.
    "Wir haben darauf umgehend reagiert und zusammen mit Schiedsrechtsexperten hat die NADA eine Handlungsempfehlung für die Verbände vorbereitet und auch Musterschiedsvereinbarungen erstellt. Maßgeblich ist, dass auch weiterhin robuste Schiedsgerichtsverfahren für die einheitliche Verfolgung von Verstößen gegen die Anti-Doping-Bestimmungen etabliert werden."
    Die Zuständigkeit der NADA ist inzwischen in den betroffenen Regelwerken festgelegt. So heißt es in der Verfahrensordnung des Deutschen Sportschiedsgerichts:
    NADA kann Schiedverfahren einleiten
    "Ist zwischen den Parteien die Durchführung eins Schiedsverfahrens vereinbart, kann die NADA auch dann das vorgesehene Schiedsverfahren einleiten, wenn sie NICHT Partei der Schiedsvereinbarung ist."
    Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung im konkreten Fall war dies noch anders.
    Der Bremer Rechtsanwalt und frühere Leichtathlet, Lars Figura, sieht weitere Aspekte, die durch den organisierten Sport entsprechend bearbeitet werden müssen. Insbesondere die Frage, ob der Sportler im entschiedenen Fall als Verbraucher oder als Unternehmer zu behandeln war, habe der BGH offengelassen. Diese Frage wird in zukünftigen Entscheidungen relevant werden:
    "Hier ist absehbar, dass in Individualsportarten die Unterscheidung von Profis und Amateuren - die insbesondere in so genannten Randsportarten noch heute auch in die Weltklasse vorstoßen - zu verschiedenen Beurteilungen führen wird. Des Weiteren dürfte die Vielzahl der Mannschaftssportler jedenfalls keiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit nachgehen – beispielsweise, wenn Arbeitsverträge mit einem Fußballclub bestehen."
    Verschiedene Motivationen der Sportausübung
    Die Motivationen zur Sportausübung sind unterschiedlich. In vielen Sportarten begreifen die Sportler den Sport als ihren Beruf. Dabei können sie selbstständig sein oder Angestellte eines Clubs. Die gesetzlichen Auswirkungen sind dann jeweils unterschiedlich.
    "Hier sind intelligente Lösungen gefragt, weshalb die BGH-Entscheidung für die Verbände nicht nur eine Niederlage, sondern eine Chance darstellt."