Freitag, 29. März 2024

Archiv

Schiefer und Poesie
Wildes Wales

Wales im Westen Britanniens ist bis heute wild geblieben. Der Landstrich ist dünn besiedelt, einsame Küsten und Berge laden zum Wandern und zum Wassersport ein. Allerdings hat Wales auch eine lange Industriegeschichte. Und das Walisische, welches dort im Norden noch von der Mehrheit gesprochen wird, hat eine ganz eigene Poesie.

Von Thomas Guthmann | 24.04.2016
    Blick auf die normannische Burg in Caernarfon in der Grafschaft Gwynedd im Norden von Wales.
    Blick auf die normannische Burg in Caernarfon in der Grafschaft Gwynedd im Norden von Wales. (picture-alliance / dpa / Hermann Wöstmann)
    "Groeso, Herzlich Willkommen. Wir befinden uns auf der Hauptstraße von Llanberis. Wir werden heute einen philosophischen Spaziergang veranstalten und zu einem meiner Lieblingsorte in Snowdownia gehen. Ich möchte den Rundgang mit einem Lenin-Zitat beginnen. Lenin sagte: Die Aufgabe der bürgerlichen Wissenschaft ist es, den Wald hinter Bäumen zu verstecken. Bei unserem Rundgang werden wir versuchen, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Teilen und Partikeln der Geschichte herzustellen. Oder um es mit dem walisischen Dichter Williams auszudrücken: Schütze uns vor dem Desaster, das in den Händen des Reduktionisten liegt, dem eine Welt durch die Finger rinnt."
    Selwyn Williams schaut mit einem freundlichen Lächeln und verschmitzen Blick in die Runde. Als Dozent an der Universität von Wales fing er vor vielen Jahren an, mit seinen Studenten die Berge von Nordwales sozialhistorisch zu erkunden. Der Rundgang durch das Tal von Llanberis wird, so verspricht er, die ganze Geschichte von Wales zutage treten lassen. Nicht nur lokale Geschichte, sondern Weltgeschichte, wie Williams betont. Die Zusammenhänge zu erklären, die sich hinter der Schönheit der nordwalisischen Berge verbergen, ist dem 70-Jährigen wichtig. Aus diesem Grund nimmt er seine Gruppen auch nicht zur Snowdownia-Eisenbahn, die von Llanberis die Touristen zum beliebtesten Berg der Engländer bringt. Auf Selwyn Williams Touren verlässt man die üblichen Trampelpfade der Touristen aus aller Welt.
    Wir verlassen die Hauptstraße der kleinen Stadt und biegen in eine kleine Seitenstraße ein. Es geht bergauf, an einem Spielplatz und kleinen Reihenhäusern aus Schiefersteindachziegeln und dunklem Mauerwerk vorbei. Bereits nach wenigen hundert Metern machen wir vor einem Straßenschild halt, auf dem Yankee Street steht, Selwyn legt auf Walisisch los:
    "Die Schieferindustrie beherrschte diese Gegend. Es gab Booms und Krisen. Während der Krisen sind die Leute in die USA ausgewandert, insbesondere nach Pennsylvania. Wenn die Wirtschaft zuhause wieder boomte, kamen die Leute zurück. An dieser Stelle baute jemand ein Haus und nannte die Straße Yankee Street. Mein Urgroßvater ging immer für eine Saison in die USA und zu Weihnachten kam er zurück. Wenn man in das Geburtsregister meiner Familie schaut, dann fällt auf, dass alle Kinder Anfang September geboren wurden. Er kam Weihnachten nach Hause, schwängerte seine Frau und ging wieder zurück zum Arbeiten. Wir reden in der Regel über Globalisierung als ein neuzeitliches Phänomen. Die Internationalisierung der Wirtschaft beginnt aber bereits in dieser Zeit."
    Schiefergestein hat die Region geprägt
    Schiefergestein hat die Region geprägt. Obwohl die Gegend in Llanberis ländlich wirkt, hat sie eine sehr lange Industriegeschichte. Bereits vor über 150 Jahren war die Gegend vollständig in den damaligen Weltmarkt integriert. Schiefer, das Gestein, das dafür verantwortlich ist, ist tektonisch gefalteter Fels, der sich entlang von Adern in dünne Platten spalten lässt.
    Der walisische Schiefer hat eine sehr hohe Qualität. Die Vorkommen sind vor über 500 Millionen Jahren aus Tonstein entstanden, der unter gerichtetem Druck und erhöhten Temperaturen im Laufe der Zeit zu den schwarzen Gesteinsfelsen wurde.
    Schön weich sei der walisische Schiefer, meint Garwin Jones, der Schieferplatten im Schiefer-Museum in Llanberis zur Demonstration für die Besucher spaltet:
    "Es gibt eine zentrale Ader, die die Richtung vorgibt. Du kannst sie hier sehen. An dieser Stelle wird der Schiefer gespalten, immer in eine Hälfte, bis die Platte nur noch fünf, maximal zehn Millimeter dick ist. Das zeichnet das walisische Gestein aus. Es ist sehr weich und lässt sich daher sehr gut bearbeiten. Dadurch lassen sich alle möglichen Sachen daraus machen."
    Zwischen den Demonstrationen für die Museumsbesucher macht der Waliser Kunstgegenstände aus den Gesteinsplatten. In der Schieferwerkstatt im Museum sind allerlei Gegenstände aus Schiefer ausgestellt. Neben einem Rugbyball steht ein Drachen aus Schiefer, das Wappentier von Wales. Das Museum ist in einem historischen Bergwerksgebäude untergebracht. Vor hundert Jahren schufteten hier über 3.000 Arbeiter.
    "Ein Steinbrucharbeiter konnte früher 400 bis 500 Schieferplatten spalten. Mit modernen Maschinen schafft man heute bis zu 8.000 Platten. Die Teams arbeiteten in Vierergruppen, zwei brachen die großen Felsbrocken aus dem Steinbruch und zwei verarbeiteten die großen Bruchstücke weiter zu den dünnen Platten. Die Gruppen teilten sich den Lohn."
    Die Arbeit war hart und die Männer arbeiteten 364 Tage im Jahr. Nur am Heiligabend hatten sie frei. Der Schieferabbau hat seine Narben hinterlassen im Tal. Immer wieder trifft man auf tiefklaffende schwarzen Wunden, wenn man durch die ansonsten idyllisch anmutenden grünen Berge im Norden von Wales wandert. Aber nicht nur die Natur wurde verändert, sondern die ganze walisische Gesellschaft wandelte sich durch die Industrialisierung vor 200 Jahren, so Selwyn Williams auf seiner Tour:
    "Es war ein Zusammenstoß zwischen den Besitzern des Schiefers und den Gemeinden. Die Besitzer sprachen eine andere Sprache und hatten eine andere nationale Identität, sie waren Engländer. Die Gemeinden, aus denen die Bergarbeiter kamen, waren stark walisisch geprägt, was die Sprache und ihre Identität anbelangte. Es gab ebenfalls große Unterschiede in der Glaubensrichtung. Die Besitzer gehörten der anglikanischen Kirche an und die Bergarbeiter und deren Familien gehörten weitestgehend nicht-konformistischen Kirchen an, einer relativ radikalen Form des Christentums, verglichen mit der anglikanischen Kirche. Es gab zudem unterschiedliche politische Einstellungen. Die Besitzer der Steinbrüche waren konservativ eingestellt, Tories, die Gemeinden der Bergarbeiter waren liberal und wurden später, im 20. Jahrhundert, Anhänger der Labour Partei und Sozialisten."
    Union Rock als Ausgangspunkt für eine Gewerkschaftsgründung
    Auf dem Rundgang macht Selwyn Williams an einem Felsen halt, dem Union Rock. Der Riesenstein ragt wie ein dicker Zeigefinger der Erinnerung in die Höhe. Hier fochten die Bergleute im 19. Jahrhundert einen historischen Konflikt gegen die Landlords der Steinbrüche aus.
    "Als die Landvermesser kamen, um das Land für die Privatisierung zu vermessen, vergaßen sie einen Felsen. Möglicherweise dachten sie, der Fels hätte keinen wirtschaftlichen Wert. So blieb der Fels für die Allgemeinheit zugänglich. Es wurde der einzige mögliche Treffpunkt der Bergarbeiter. Überall sonst war es ihnen verboten. Hier wurde die Gewerkschaft gegründet. Und hier fanden die Sitzungen statt. Die Besitzer der Steinbrüche versuchten, die Bildung der Gewerkschaft zu verhindern. Sie erklärten, dass kein Arbeiter, der in der Gewerkschaft ist, bei ihnen in den Steinbrüchen arbeiten darf. Trotzdem trafen sich 1885 rund 3.000 Arbeiter am Felsen. Sie stimmten dafür, in der Gewerkschaft zu bleiben und in den Streik zu treten. Nur ungefähr 20 entscheiden sich gegen die Gewerkschaft. Daraufhin wurden die Arbeiter acht Monate lang ausgesperrt."
    Dem Streik von 1885 folgten eine Reihe weiterer Arbeitskämpfe. 1900 traten die Arbeiter in Bethesda, dem Nachbartal von Llanberis, in den Streik. Der Ausstand dauerte über zwei Jahre und ging als weltweit längster Arbeitskonflikt in die Geschichte ein. Erst danach gaben die Landlords der Steinbrüche ihren Widerstand gegen die Gewerkschaften auf. Die Gewerkschaften wurden legal und die Arbeitsbedingungen verbesserten sich.
    Nur wenige Meilen von Llanberis entfernt, am Ufer der Irischen See, befindet sich das Städtchen Caernarfon. Der mittelalterliche Stadtteil wird dominiert von der normannischen Trutzburg, deren sieben Türme den Stadtkern überragen. Im 19. Jahrhundert war Caernarfon ein wichtiger Hafen für die Schieferindustrie
    "Tausende Tonnen Schiefer wurden hier angeliefert und in alle Welt verschifft. Im County-Archiv gibt es schöne Fotos davon, dort sieht man überall Schiefer."
    Caernarfon war zu dieser Zeit eine pulsierende Metropole, meint Emrys Jones. Der klein gewachsene Waliser mit Seemannsmütze und rauer, windgegerbter Stimme organisiert regelmäßig Touren durch seine Heimatstadt.
    "Seeleute aus der ganzen Welt kamen nach Caernarfon. 2.000 Schiffe kamen jedes Jahr in den Hafen. Zum Vergleich: Nach Rotterdam, den größten europäischen Hafen, kommen heute jährlich 12.500 Schiffe; 2.000 Schiffe vor 150 Jahren war also phänomenal. Und was wollen die Seeleute? Ein Pint Bier. Es gab 60 Pubs damals. Eigentlich mehr, aber 60 waren registriert. Und es gab andere Dinge natürlich; die Damen der Nacht."
    In der Northgate Street erinnert noch heute am Black Boy Inn ein Wandgemälde an den Rotlichtdistrikt. Im walisischen Volksmund heißt die Straße Vier-und-Sechs-Straße. Vier Schilling und sechs Pence kostete das Bett: Im Preis mit inbegriffen war eine Flasche Gin und die weibliche Begleitung für den Seemann.
    Direktverbindung nach New York
    Zweimal im Jahr gab es damals eine Direktverbindung von Caernarfon nach New York. Heute legen nur noch Segelboote im Hafen an. Die Stadt ist wieder beschaulich geworden und hat ihren mittelalterlichen Charakter zurückerhalten. Dicke Mauern, kleine Gassen und normannische Wehrtürme dominieren.
    "Das ist der Glockenturm, dessen Glocke um acht Uhr schlug. Damit wurde früher die nächtliche Ausgangssperre eingeläutet. Wer ohne Erlaubnis in der Stadt erwischt wurde, wurde eingesperrt und am nächsten Morgen auf dem zentralen Platz öffentlich mit Hieben bestraft."
    Draußen bleiben mussten die Waliser. Sie hatten nicht die Erlaubnis, die Nacht innerhalb der Stadtmauern zu verbringen. Carenarfon war eine englische Enklave inmitten des walisischen Siedlungsgebiets. Immer wieder kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Walisern.
    "1294 ertönte ein Horn und Madog ap Llywelyn, der Letzte vom Hause der Gwynedd griff an. Die Angreifer fielen in die Stadt ein, zerstörten die Mauer, verbrannten die Häuser und massakrierten die Garnison. Für den englischen König war das ein willkommener Anlass. Er schickte eine große Militärmacht los. Madog floh in die Berge. Er wurde gefasst, enthauptet und sein Kopf wurde in den Tower nach London gebracht. Seit dem sagen wir für gewöhnlich: Wir kämpfen nicht mehr gegen die Engländer. Wir schlagen sie einfach im Rugby."
    "Jeder Eigentümlichkeit unseres Landes wurde einst ein Name gegeben – jeder Fluss, Strom, jede Senke, Weide, Hütte und jedem Hof. Unsere Sprache wurde in die Landschaft eingeschrieben. Diese Namen sind unsere tiefe Identität", singt Gwenan Gibbard. Es ist die Sprache, die das Selbstbild der Waliser wesentlich prägt. In Caernarfon, in den Tälern von Llanberis und Bethesda, spricht bis heute die Mehrheit der Bevölkerung den keltischen Zungenschlag Cymraeg, der bereits lange vor dem Englischen auf den britischen Inseln gesprochen wurde.
    Rhythmisch saust der Druidenstab auf den Boden eines Wohnzimmers, man verspürt ein leichtes Beben. Die Wohnung von Rhys Trimble, einem Druiden, befindet sich in einem alten Steinhaus in Bethesda. Sie hat etwas Höhlenhaftes. Das Licht dringt nur dürftig durch die vom Schmutz milchigen kleinen Fenster, neben dem Kamin steht ein abgewetztes Sofa und ein Couchtisch, auf dem eine alte Druckpresse steht. An der Wand hängen Eichenblätter, auf die Rhys Trimble Gedichte gedruckt hat.
    Trimble selbst sieht nicht unbedingt aus wie ein Druide, zumindest hat er keinen langen weißen Rauschebart und wirkt auch deutlich zu jung. Der geschnitzte Holzstab, die rhythmischen Bewegungen, die er während des Vortrags macht und die unbekannte keltische Sprache lässt jedoch eine mystische Stimmung entstehen, die durch das Ambiente noch verstärkt wird. Bei der Frage, was ihn zu einem Druiden mache, muss er erst einmal lachen.
    "Ich bin nicht wirklich ein Druide. Ich habe mit diesem Stockding angefangen. Und es hat mir sehr gut gefallen. Ich habe dann jede Performance so gemacht und wurde schließlich mit dem Stock in Verbindung gebracht. Da ich immer den Druidenstab hatte, begannen die Leute zu sagen, ich sei ein Barde oder ein Druide."
    Druiden als neuzeitliche Erfindung
    Wenn er nicht mit dem Druidenstab Gedichte vorträgt, arbeitet Trimble an einer Doktorarbeit. Dort beschäftigt er sich mit der Erfindung der walisischen Traditionen. Dazu, so Trimble, gehört auch die Idee des Druidentums.
    "Es gibt nur vage Beweise, dass Dichtkunst in alten Zeiten mit einem Druidenstab oder einer Harfe zusammen aufgeführt wurde. Es gibt aber keine exakten Aufzeichnungen, wie das genau gemacht wurde. Auf der einen Seite gibt es die Gedichte und Schriftstücke. Auf der anderen Seite gibt es alte Bilder, auf der Dichter mit einem Stab zu sehen sind. Wahrscheinlich ist der Stab als Begleitung für das Vortragen von Gedichten benutzt worden. Es ist möglicherweise eine lange Tradition da. Was ich jedoch mache, ist die Tradition nachzuspielen, eine erfundene Tradition."
    Grundsätzlich, so Trimble, sei die Idee des walisischen Druidentums keine 150 Jahre alt, erfunden in der viktorianischen Epoche, als auch in Wales die Menschen die Sehnsucht nach uralten Traditionen verspürten.
    "Die Druiden, die sich heute auf dem nationalen Eisteddfod, dem walisischen Kulturfestival, inszenieren, basieren auf dem Fantasiereichtum eines Typens Namens Iolo Morganwg im frühen 19. Jahrhundert. Er erfand eine komplette Mythologie des Druidentums."
    Was dagegen nicht erfunden ist, ist die walisische Poesie. Das Walisische hat eine spezielle Verslehre, das als Strict Meter bezeichnet wird. Es sei furchtbar schwer, so Rhys Trimble, ein langes Gedicht in einem Strict Meter zu reimen. Auf dem Eisteddfod, dem walisischen Festival der Dichtkunst, wird deswegen Derjenige mit höchsten Ehren ernannt, der es schafft, den längsten Reim in der traditionellen Form des Strict Meters vorzutragen. Er wird zum Dichterkönig ernannt. Angaharad Price, Professorin an der Universität von Wales in Bangor, beschreibt den Strict Meter folgendermaßen:
    "Strict Meters ist ein komplexes Regelwerk, das im Mittelalter entstand. Grundsätzlich geht es darum, Silben, Reime und Alliterationen in einer bestimmten Form zu zählen. Um ein Beispiel für das Englische zu nehmen: Think before you drink, before you drive. Dann muss sich das -ink von think und drink reimen und das DR am Anfang von drink bildet eine Alliteration mit drive. Es geht um die Wiederholung von Konsonanten und Reimen."
    Im Englischen wie im Deutschen sei die Einhaltung des Strict Meters nur auf sehr kurzen Strecken möglich. Das keltische Walisisch ist dagegen derart gestrickt, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, Konsonanten innerhalb eines Gedichtes zu wiederholen und lediglich die Vokale auszutauschen und so lange Gedichte im Strict Meter zu schreiben.
    Besonderes poetisches Potenzial des Walisischen
    Für Nicht-Waliser ist es schwer, die Harmonie von gleichlautenden Konsonanten und wechselnden Vokalen herauszuhören. Für Druide Rhys Trimble hat das Walisische deswegen ein besonderes Potenzial, weil es dadurch auf eine Art sehr abstrakt und mystisch zugleich wirke:
    "Es ist eine Mischung aus Sound und Bedeutung, die anders ist als in der englischen Poesie. Ich nenne das experimentell, aber innerhalb der Tradition von Wales, die Jahrhunderte alt ist."
    Experimentell klingt nicht nur die walisische Poesie. Wales ist bekannt für seine lebendige Künstlerszene. Ob Performance, Dicht- oder Klangkunst: Die Melange aus Walisisch und Englisch, Natur und Industriekultur scheint die Kreativität anzuregen. Ein Musikprojekt, dass diese unterschiedlichen Facetten in ihrer Musik verbindet, ist Parking Non-Stop. Zoe Skoulding startete das Projekt mit Alan Holmes vor einigen Jahren. Inspiriert wurden sie von der deutschen Band Einstürzende Neubauten. Sie wollten deren experimentellen Sound, den Industrial, mit der walisischen Landschaft verbinden.
    "Wir überlegten, was der industrielle Sound von Nordwales sein könnte? Es ist Schiefer. Wie kann man mit Schiefer Lärm machen? Indem man es wirft. Und so sind wir zu den Steinbrüchen gegangen und haben Schiefersteine durch die Steinbrüche geworfen. Fast alle unsere Rhythmen bestehen aus Aufnahmen von Schiefer, die Alan geduldig zu Collagen verarbeitet hat."
    Skoulding kam vor rund 20 Jahren als junge Dichterin nach Nordwales. Ihre Muttersprache ist Englisch, Walisisch beherrscht sie nur ein paar Brocken. Dennoch zog sie der Landstrich an.
    "Zum einen Teil ist es so, weil Wales eine starke Literaturszene hat. Ich habe hier andere Leute gefunden, die literarisch arbeiteten. Ich fand auch Anschluss an die Musikszene und traf dabei Alan. Es war nicht nur Poesie, sondern es gab insgesamt eine sehr lebendige kulturelle Szene."
    Daher sei es ihr auch nicht schwer gefallen, in Nordwales Anschluss zu finden. Trotz der fehlenden Sprachkenntnisse im Walisischen. Natürlich, so die Wahlwaliserin, gab es auch Schwierigkeiten bei der Integration.
    "Ich fand Wales sehr aufregend, wegen der beiden Sprachen, wegen der interessanten Landschaft und vielleicht auch wegen der schwierigen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Es ist in vielerlei Hinsicht unbequem, als Engländerin in Wales zu leben. Aber es ist eigentlich gut, sich unbequem zu fühlen, wenn du eine Dichterin bist. Es ist gut, wenn es kompliziert ist. Es ist auch gut, nirgendwo dazu zu gehören. Ich habe mir hier die Zugehörigkeit zwar erarbeitet, es ist jedoch keine Zugehörigkeit durch Verwurzelung, es ist eine komplexe Zugehörigkeit. Mein Schreiben hat das beflügelt, insbesondere die Poesie, weil es in Wales sehr wichtig ist. Es hat eine so lange Geschichte in Wales. Vielleicht war das auch ein Grund, warum ich hier herziehen wollte."