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Schiefergas und Atomkraft: Frankreichs plötzlicher Kurswechsel

Zu den Wahlversprechen der Regierung unter Francois Hollande zählte unter anderem eine neue Umweltpolitik. Doch nun gibt es erste Anzeichen, die auf eine Abkehr der Linken von ihren umweltpolitischen Ambitionen schließen lassen.

Von Margit Hillmann | 10.09.2012
    Vor dem Eingang eines alternativen Kulturzentrums am Pariser Stadtrand. Mehrere Aktivisten treffen in kleinen Gruppen ein. Der etwas sperrige Name ihrer Bürgerinitiative. "Nein zu Schiefergas und Schieferöl".

    Heute gibt es eine Lagebesprechung. Es geht um neue Strategien und Aktionen.

    Damit reagiert die Bürgerinitiative auf den plötzlichen Kurswechsel der Sozialisten. Die hatten während des Wahlkampfs ein striktes Abbauverbot für Schiefergas- und Öl versprochen. Und damit auch ein Verbot des umstrittenen Frackings mit seinen Bohranlagen. Heute, in der Regierungsverantwortung, gehen die Sozialisten auf Distanz zu ihren Versprechen: Die Regierung stehe dem Abbau nicht grundsätzlich feindlich gegenüber, erklärte kürzlich Premierminister Jean-Marc Ayrault. Für die Aktivistin Rose De la Fuente ist klar: Die Sozialisten beugen sich damit der mächtigen Industrielobby. De la Fuente kommt aus einer betroffenen Gemeinde, rund 70 Kilometer südlich von Paris. Dort soll noch in diesem Jahr mit Schieferölbohrungen begonnen werden.

    "Wir machen uns große Sorgen. Die Bohranlage wird schon gebaut und die Logistik organisiert für erste Bohrungen Anfang November. Mit der gefährlichen Technik, die wir beanstanden. "

    Ein Gemisch aus Wasser, Sand und hochgiftigen chemischen Zusätzen wird mit Druck ins Erdreich gepumpt und sprengt tief liegende Gesteinsschichten, in denen Schiefergas oder Schieferöl eingeschlossen sind - das ist Fracking. Zwar wurde das Verfahren in Frankreich nach wiederholten landesweiten Bürgerprotesten im Juli 2011 verboten, bereits erteilte Bohrgenehmigungen wurden auf Eis gelegt. Doch vom Verbot ausgenommen sind sogenannte "wissenschaftliche" Bohrungen. Diese Lücke, so der Verdacht der Bürgerinitiativen, wolle die Regierung nutzen, um den Abbau zu legalisieren. Aktivistensprecherin Mylene Roche:

    "Damit wird das Förderverbot schlicht aufgehoben. Deswegen sind wir jetzt besonders wachsam, vor allem im Pariser Becken, wo die Vorbereitungen für wissenschaftliche Bohrungen in mehreren Gemeinden in vollem Gange sind."

    Frankreichs Umweltschützer sind enttäuscht, viele misstrauen der rot-grünen Regierung. Seitdem mehrere sozialistische Minister Atomstrom öffentlich als – so wörtlich - "unverzichtbare und moderne Energie der Zukunft" lobten, macht sogar das Wort vom Wahlbetrug die Runde. Tatsächlich hatten die Sozialisten im Regierungspakt mit den französischen Grünen die Reduzierung des Atomstroms festgeschrieben: von aktuell 75 Prozent des Stromverbrauchs auf 50 Prozent bis 2025. Dabei werde es auch bleiben, beteuert inzwischen Premierminister Ayrault.

    "Es gibt nur eine Regierungspolitik: die des Präsidenten François Hollande und den Verpflichtungen, die er den Franzosen gegenüber eingegangen ist."

    Auch der Uralt-Meiler Fessenheim soll, wie versprochen, noch in dieser Legislaturperiode abgestellt werden. Delphine Batho, sozialistische Umweltministerin, am vergangenen Freitag:

    "Das Versprechen des Präsidenten der Republik wird gehalten: Fessenheim wird so bald wie möglich geschlossen, auf technisch- und sozialverantwortliche Weise."

    Aber Details, wann und wie das alles geschehen soll, gibt es nicht. Die sollen nun auf einer großen Umweltkonferenz diskutiert werden. Eingeladen sind mehrere Umweltverbände, darunter Greenpeace. Deren Vorsitzender in Frankreich, Jean-François Juillard, ist allerdings mehr als skeptisch.

    "Wir gehen mit sehr vielen Vorbehalten in diese Konferenz, nicht mit Vertrauen. Zu viele Fragen, auf die wir bisher von der Regierung keine Antwort bekommen haben. Wir hatten drum gebeten, dass neben der Energiepolitik auch Themen wie Landwirtschaft, Artenvielfalt und Wasser auf der Konferenz zur Sprache kommen. Ohne Erfolg, die stehen nicht auf der Tagesordnung. Wir sind also schon im Vorfeld der Konferenz als andere als zufrieden."

    Für Greenpeace ist es ganz einfach: Sollte sich die Umweltkonferenz als politischer Bluff der Regierung erweisen, werde man schlicht aussteigen, droht Juillard.