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Schiffs-Expedition
Süßwasser unter dem Meer gesucht

Malta leidet besonders stark unter Wassermangel. Auch um weniger von Entsalzungsanlagen abhängig zu sein, suchen Forscher vor der Inselgruppe nach neuen Quellen und stechen dafür in See. Denn unter dem Salzwasser des Meeres vermuten sie bisher unbekannte Süßwasservorräte.

Von Tamara Worzewski | 04.12.2018
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    Geologe Aaron Micallef diskutiert über die Schiffsroute (Deutschlandradio/Tamara Worzewski)
    In seinem Büro an der Universität Malta hat Aaron Micallef Karten gesichtet, und Gesteine analysiert. Ganze Stapel von Proben lagern hier. Der Geologe ist Drahtzieher eines Europäischen Forschungsprojektes, das Offshore Aquifere gezielt finden und erforschen will.
    "Für Malta gibt es verschiedene Hinweise, dass es Offshore Grundwasser geben könnte oder gegeben hat. Am Ozeanboden sieht man viele eingestürzte Höhlen, die auf Karst-Systeme deuten – also Risse, die heute mit Landgrundwasser verbunden sind. Noch bedeutender sind die über 20 sogenannten Box Canyons. Diese Art von Schluchten bringt man mit Grundwasser in Verbindung, das aus Gesteinen, Sedimenten, Poren und Rissen ins Freie austritt."
    Europas wasserärmstes Land kann den Bedarf der wachsenden Bevölkerung längst nicht mehr durch natürliche Grundwasserressourcen decken. 60 Prozent stammen aus kostenintensiven Entsalzungsanlagen, die Meerwasser in Trinkwasser umwandeln. Diese Abhängigkeit macht Vincent Attard nervös. Er ist Präsident des Naturschutzbundes Nature Trust Malta:
    "Sollte unserem Land jemals eine Ölkatastrophe widerfahren – und hoffentlich passiert das nie - , müssten die Entsalzungsanlagen stoppen und die Insel könnte die Menschen nur noch für maximal drei Tage mit Wasser versorgen. Das ist besorgniserregend."
    Mit dem "Pig" auf Wassersuche
    Im Oktober legt das Forschungsschiff Herkules erstmals von Maltas Küste ab. An Bord: Experten vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanwissenschaften, und von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Mit sogenannter Mariner Elektromagnetik wollen sie das Grundwasser unter dem Meer finden. Aaron Micallef zeigt den deutschen Projektpartnern, wo er Süßwasser vermutet und wo der steinige Meeresboden wegsam ist.
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    Auf dem Forschungsschiff "Herkules" wird die Sonde "Pig" auf den Einsatz vorbereitet (Deutschlandradio/Tamara Worzewski)
    600 Meter Seil mit Antennen und Elektroden warten bereits am Meeresgrund. Jetzt soll die Sendeelektronik hinabgelassen werden: in einem robusten Metallgehäuse, genannt "Pig". Dabei erinnert nur die Vorderseite dieser Regentonne an eine Schweineschnauze. Sie wird die Messapparatur am Boden halten und den Weg für einen Elektrodenschwanz freipflügen, erklärt die Geophysikerin Katrin Schwalenberg:
    "Jetzt hängt das Pig am Kran, der hebt das jetzt an. Vier Leute sichern das, dass es nicht anfängt zu schwingen. Zum Glück haben wir heute ideale Bedingungen, die See ist ruhig."
    Auf halbem Weg ins Wasser kommt die Messeinrichtung kurz ins Trudeln:
    "Whopwhopwhop…, was du vermeiden willst, ist, dass das Pig anfängt zu schwingen. Wenn das Pig anfängt zu schwingen, hast du keine Chance es zu halten."
    Die Wissenschaftler zeichnen sich mit ihren Sonnenbrillen, ihren gelben Helmen und roten Schwimmwesten malerisch vor der blauen See ab, während sie hochkonzentriert die Leinen auf Zug halten.
    Während der Messung schleppt das Schiff die elektrische Messeinrichtung am Meeresboden hinter sich her – genau wie man eine Ultraschallsonde über die Haut zieht. Nur, dass sie keine Schallwellen, sondern niederfrequente elektromagnetische Signale am Ozeanboden erzeugt. Dadurch entstehen im Untergrund elektrische Ströme, deren Stärke von der elektrischen Leitfähigkeit abhängt. Ein Gestein mit Frischwasser in seinen Poren leitet wesentlich schlechter, als wenn seine Poren mit Salzwasser gefüllt wären.
    "Ich bin jedes Mal froh, wenn alle Babys wieder im Trockenen sind."
    Offshore-Grundwasser wäre ein Segen
    Die Messfahrt selbst dauert nur eine Woche. Doch es wird Monate brauchen, solche Leitfähigkeitskontraste von den Messdaten abzuleiten. Und auch wenn unter Maltas Meeresboden wirklich Süßwasservorkommen schlummern, ist längst nicht abzusehen, ob man es problemlos fördern kann. Das Grundwasser an Land könnte beispielsweise mit dem Offshore verbunden sein:
    "Also, die Geologie hört ja nicht einfach an Land auf, dann kommt die Küste, sondern sie geht offshore weiter. Eine Problematik wäre, ob die miteinander verbunden sind. Wenn sie miteinander verbunden sind, dann gibt es ein 'Recharge': Wenn es an Land regnet, füllt der sich wieder auf. Wenn sie eher fossil sind, dann könnten sie isoliert sein, dann ist das ein abgeschlossenes Reservoir. Und wenn man das dann anzapfen will und nutzt, dann ist es halt irgendwann empty. Solche Fragestellungen müssten zum Beispiel noch komplett geklärt werden, um das wirklich zu nutzen. Man möchte das ja auch nachhaltig nutzen dann."
    Auch Geologe Micallef mahnt:
    "Falls wir Offshore Grundwasser finden, so löst das nicht unser großes Problem. Das Hauptproblem liegt in unserer Nutzungsweise. Das ist also nur ein Back-Up-Plan."
    Dem kann sich Naturschützer Attard nur anschließen:
    "Wir müssen verantwortungsbewusster werden. Wasser, das wir finden - das wäre ein Segen für uns, ein Geschenk des Himmels! Das müssen wir weise nutzen, damit es letztendlich nicht so kommt, wie es heute ist: dass wir in voller Abhängigkeit von Entsalzungsanlagen."
    Ab Januar 2019 startet ein Helmholtz-Projekt mit dem GEOMAR und der Universität von Malta, um Offshore Aquifere interdisziplinär auf nachhaltige Nutzbarkeit zu untersuchen. Angesichts der internationalen Trinkwasserprobleme wohl ein brisantes neues Forschungsfeld.