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Schiffsverkehr
Die Tücken des Eises

Die Arktis verändert sich durch den Klimawandel schneller als jede andere Region des Planeten. Die Temperaturen steigen und das Meereis zieht sich immer stärker zurück. Je zugänglicher die Region wird, desto interessanter wird sie auch für Schiffe. Allerdings gibt es bislang keinerlei verbindliche Richtlinien für den Schiffsverkehr in polaren Gewässern - das soll sich jetzt ändern.

Von Monika Seynsche | 27.04.2015
    Eisschollen schwimmen auf dem Meer
    Das Meereis zieht sich immer weiter zurück. (dpa / picture-alliance / Jim Yungel)
    Ein Eisbrecher malmt seinen Weg durch das Meereis nördlich von Alaska. Rechts und links des Bugs schießen kaum einen Meter dicke Eisschollen durch die Wellen. Für Peter Wadhams ist das ein vertrauter Anblick. Der britische Ozeanphysiker der Universität von Cambridge untersucht seit vielen Jahrzehnten das Meereis des Arktischen Ozeans.
    "Bis vor etwa 10 Jahren gab es fast nur mehrjähriges Eis. Etwa 60 Prozent des Ozeans waren also mit Eis bedeckt, das mehr als ein Jahr alt war. Solches Eis ist im Schnitt drei Meter dick und sehr stabil, da es kaum noch Salz enthält. Es zu durchbrechen, ist sehr schwierig. Da brauchen Sie einen kräftigen Eisbrecher."
    Heute aber sei fast das gesamte mehrjährige Eis verschwunden, sagt Peter Wadhams. Übrig geblieben ist einjähriges Eis, das wesentlich dünner ist und noch viel Salz enthält.
    "Dadurch ist es recht instabil und kann sehr leicht von einem normalen, für Eisfahrten gerüsteten Schiff aufgebrochen werden. Es stellt kein großes Hindernis dar."
    Je dünner das Eis wird, je seltener Schiffe auf die Hilfe von teuren Eisbrechern angewiesen sind, desto attraktiver wird der Arktische Ozean für die Schifffahrt.
    Allerdings gibt es bis heute kein international verbindliches Regelwerk zur Benutzung der arktischen Gewässer. Das sei aber dringend notwendig, da sich dieser Ozean stark von allen anderen unterscheide, sagt Lawson Brigham, Professor für Geografie und Arktispolitik an der Universität von Alaska in Fairbanks.
    "Sie brauchen spezielle Rettungssysteme an Bord, weil es so kalt ist. In einem offenen Rettungsboot etwa würden die Menschen sehr schnell erfrieren. Also muss das Boot über ein Schutzdach und Heizungen verfügen. Und sie brauchen isolierte Überlebensanzüge. Außerdem stellt die Navigation in polaren Gewässern besondere Anforderungen. Der Kapitän und die Offiziere müssen also extra geschult sein, sie müssen mit Meereis und Eisbergen zurecht kommen und mit unvollständigen Seekarten. Es ist beides wichtig, die technische und die menschliche Dimension, um ein Schiff sicher durch diese sehr entlegenen, kalten und gefährlichen Gegenden zu steuern, in denen es kaum Infrastruktur gibt, kein Sicherheitsnetz und kaum Such- und Rettungsdienste für den Fall eines Unglücks."
    Deshalb hat Lawson Brigham gemeinsam mit Kollegen aus aller Welt im Auftrag der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO den Polar Code entwickelt, ein Regelwerk für den Schiffsverkehr in der Arktis. Im Mai diesen Jahres soll er veröffentlicht werden.
    "Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation wird dann die Implementierungsphase verkünden. Das heißt, alle Staaten unter deren Flaggen Schiffe fahren, müssen den Polar Code in ihre nationalen Gesetze einarbeiten. Am 1. Januar 2017 tritt der Polar Code in Kraft. Wenn Sie danach mit ihrem Schiff in arktische oder antarktische Gewässer fahren wollen, müssen Sie ein Polar-Zertifikat vorweisen können, das zeigt, dass Ihr Schiff und Ihre Mannschaft die Anforderungen des Polar Codes erfüllen."
    Lawson Brigham und auch der Meereisforscher Peter Wadhams vermuten, dass der zukünftige Verkehr in der Arktis hauptsächlich aus Schiffen der Rohstoffindustrie bestehen wird, die Öl und Gas aus dem Boden der Arktis bergen wollen.
    Für Containerschiffe dagegen sei eine eisfreie Arktis wahrscheinlich wesentlich weniger reizvoll, als bislang vermutet, sagt Peter Wadhams.
    "Die Containerschiff-Reedereien sind nicht besonders wild auf die Arktis, denn sie haben ihre Routen so gelegt, dass sie auf der Reise eine Reihe von Häfen ansteuern, in denen sie Waren aus- und einladen. Auf einer Route durch den Arktischen Ozean, sagen wir mal von Japan nach Europa, gibt es aber keine Häfen, an denen sie stoppen könnten. Es wäre eine direkte Fahrt von A nach B. Unseren Umfragen zufolge ist das wirtschaftlich nicht sehr attraktiv für die Reedereien. Sie wollen Containerrouten mit zahlreichen Stopps auf dem Weg."