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Schlacht bei Königgrätz
Preußens Sieg über Österreich

Vor 150 Jahren besiegte die preußische Armee das österreichische Heer bei Königgrätz. Es ging darum, ein kleindeutsches Reich unter preußischer Führung zu etablieren. Österreich wehrte sich entschlossen, aber militärisch schlecht vorbereitet. Die Schlacht bei Königgrätz wurde zu einem der größten Triumphe der preußischen Geschichte - mit großen Verlusten auf beiden Seiten.

Von Bernd Ulrich | 03.07.2016
    Das Denkmal für die Gefallenen der österreichischen "Batterie der Toten" in der Schlacht von Königgrätz im tschechischen Chlum, aufgenommen 2016
    Das Denkmal für die Gefallenen der österreichischen "Batterie der Toten" in der Schlacht von Königgrätz im tschechischen Chlum (picture alliance / dpa / Michael Heitmann)
    "Unser Sohn, Friedrich Rühmland, Gefreiter, ist in der Schlacht bei Königgrätz, wie es heißt, im Rücken verwundet worden, bis heute haben wir aber noch keine Nachricht von ihm. Wir sind über sein Verschwinden untröstlich und bitten Alle, die von seinem Leben oder von seinem Tode Kenntniß haben, uns ungesäumt hiervon Nachricht geben zu wollen. Kosten werden wir gern erstatten."
    Ob Friedrich Rühmland zu den Überlebenden der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 gehörte, wie es seine Eltern in ihrer Anzeige in der "Gartenlaube" erhofften, wissen wir nicht. Aber dass von den knapp 450.000 beteiligten preußischen und österreichischen Soldaten am Abend dieses neblig-trüben Sommertages über 40.000 tot und verwundet waren, das ist leidvolle Gewissheit. Tausende blieben vermisst oder für ihr Leben verkrüppelt an Leib und Seele. Helmuth von Moltke selbst, Chef des preußischen Generalstabes und der eigentliche Sieger von Königgrätz, hat eine einfühlsame Beschreibung des Schlachtfeldes hinterlassen:
    "An manchen Stellen war das Feld förmlich bedeckt mit Leichen von Mensch und Pferd. Gewehre, Tornister, Mäntel und so weiter lagen überall herum. Es gab schreckliche Verwundungen, niemand konnte helfen. Ein Offizier flehte uns an, ihn totzuschießen, die Krankenträger arbeiteten ohne Unterlass, aber die Zahl der Verstümmelten war zu groß."
    Die größte Schlacht des 19. Jahrhunderts
    Königgrätz, heute Hradec Králové, 100 Kilometer östlich von Prag gelegen, steht für die größte Schlacht des 19. Jahrhunderts. Vormoderne Kampfweisen wie Kavallerie-Attacken gehören ebenso dazu wie die telegrafische Lenkung der Truppen, der schnelle Aufmarsch der Preußen per Eisenbahn und die präzis schießende Artillerie auf österreichischer Seite. Als entscheidend erwies sich indessen das preußische Zündnadelgewehr, ein sogenannter Hinterlader. Der konnte von den Infanteristen im Stehen und im Liegen, also in Deckung bleibend, nachgeladen werden und verfügte über eine hohe Schussfolge pro Minute. Dieses Gewehr vor allem und sein eingedrillter Gebrauch garantierten den Sieg. Die Österreicher hingegen hätten statt mit ihren altertümlichen Vorderladern auch mit Dreschflegeln kämpfen können – der Effekt wäre der gleiche gewesen.
    Und wofür das alles? Gewiss – die kühl-kalkulierende Eskalationspolitik des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck gegen Österreich hatte nur ein Ziel: die Durchsetzung der kleindeutschen Lösung, die Gründung eines deutschen Nationalstaats unter preußischer Führung. Dabei war ihm früh klar, was er schon als preußischer Gesandter bei der Versammlung des Deutschen Bundes in Frankfurt am Main im Juli 1851 formuliert hatte:
    "Der Gordische Knoten der deutschen Verhältnisse ist nicht durch einen friedlichen Dualismus zu lösen, sondern muss mit dem Schwert durchschnitten werden."
    Oder, wie es kürzlich Herfried Münkler in der Sprache des Politikwissenschaftlers sagte:
    "Österreich möchte im Prinzip seine Vormachtstellung innerhalb des mitteleuropäischen Raumes aufrecht erhalten, Preußen möchte – unter Herausdrängung des Wiener Kaiserhauses aus Deutschland – auf die preußische Hegemonie in Deutschland, ja, man muss wohl schon sagen, auf die Reichseinigung zu – und da man das nicht auf friedlichem Wege hinbekommt, lässt man nunmehr die Waffen sprechen."
    Bedeutung für die Zukunft
    Unvermeidlich wurde so der Konflikt, den manche als Bruderkrieg begriffen – zumal auch einige kleinere deutsche Monarchien wie das Königreich Hannover oder Sachsen aufseiten Österreichs kämpften. Aber, so Helmuth von Moltke am 20. Mai 1866 in einem Brief:
    "Ich glaube nicht, dass es in eines Menschen Hand liegt, den Krieg zu vermeiden. Der Kampf wird furchtbar werden. Österreich hat gerüstet wie nie zuvor, und auch wir stellen unsere ganze Macht ins Feld."
    Der Korrespondent der "Illustrated London News" hatte schon recht als er bemerkte, dass sich in Königgrätz:
    "Ereignisse von so erschreckender Art und, wie anzunehmen ist, von solcher Bedeutung für die Zukunft zugetragen haben, dass man bei dem Versuch, ihre wahre Tragweite abzuschätzen, schwindelig wird."
    Dem Leitartikler des englischen "Spectator" wurde indessen nicht schwindelig, vielmehr konstatierte er nüchtern:
    "Das politische Gewicht der Welt hat sich verändert, wie es sich sonst nur nach einem Menschenalter des Kriegs zu verändern pflegte. In einem Augenblick hat sich Preußen auf den Platz der ersten Großmacht Europas geschwungen."
    Knapp vier Jahre später hatte diese Großmacht nach dem Krieg gegen Frankreich die Gestalt eines Deutschen Reiches angenommen. Königgrätz hatte dafür den Grundstein gelegt.