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Schlafende Autobahnbaustellen

Kurz vor der Bundestagswahl will Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) alle Autobahnbaustellen kennenlernen, bei denen nichts vorangeht. Die Länder seien schuld, heißt es. Ganz so einfach scheint scheint es aber nicht zu sein, wie eine Fahrt zwischen Brühl und Köln zeigt.

Von Marlene Petermann | 24.07.2013
    Rot-weiße Pfosten soweit das Auge reicht. Die Baustelle auf der Autobahn 553 zwischen Brühl und Bliesheim bei Köln ist sechs Kilometer lang. Die beiden Fahrspuren Richtung Süden sind abgesperrt. Dahinter wechselt Asphalt mit Sand, Bagger stehen still, am Fahrbahnrand liegen zwei ausgebeulte Tonnen. Nur vereinzelt sieht man ein paar Bauarbeiter. Solche Bilder machen viele Autofahrer wütend. Auf einem Rasthof in der Nähe machen sich einige Luft über Baustellen, die scheinbar brach liegen:

    "Maschinen stehen rum, keiner da, man fährt ewig bei 80, 60 durch die Baustelle, aber keine Maschine ist im Laufen, kein Mensch ist zu sehen, nichts."

    "Wenn’s dann Stau gibt, dann schaut man hin und wieder mal und fragt sich: Ist denn hier einer? Arbeitet hier jemand? Und wenn man niemanden sieht, fragt man sich: Ja, warum ist denn hier eigentlich keiner. Wird heut nicht gebaut? Morgen nicht gebaut? Oder überhaupt nie? Und der Ärger ist dann eigentlich umso größer, je länger man steht."

    Schlafende Baustellen auf Autobahnen – weiträumig abgesperrt, Fahrbahnverengung, Überholverbot und Tempodrosslung und man sieht weit und breit keinen Bauarbeiter. Wenn sich dann der Verkehr dort staut, ist der Ärger groß. Auch der ADAC verfolgt die Baumaßnahmen auf den Autobahnen kritisch. Roman Suthold, Leiter der Abteilung Verkehr und Umwelt vom ADAC Nordrhein fällt sofort ein Beispiel ein:

    "Also, wir haben eine Baustelle, die seit Jahren auffällig ist: Das ist die Baustelle auf der A1 zwischen Wermelskirchen und Remscheid. Da haben wir schon vor drei Jahren ungefähr gemutmaßt, dass es da nicht so rund läuft, wie wir uns das wünschen. Es ist jetzt aber so, dass ich vorige Woche persönlich vor Ort war, mir die Baustelle angeguckt habe und an der Baustelle selber kein einziger Bauarbeiter vorgefunden worden ist."

    Um Schlafbaustellen entgegenzuwirken, hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer schon 2011 den sogenannten Baustellenmelder eingerichtet. Jetzt – kurz vor der Bundestagswahl hat er Autofahrer nochmals aufgerufen, Baustellen zu melden, auf denen nicht oder nur vereinzelt gearbeitet wird. Sie können eine telefonische Hotline anrufen oder Schlafbaustellen per Mail beim Bundesverkehrsministerium anzeigen. Ein ganz so großes Anliegen scheint es dem Minister dann aber doch nicht zu sein. Aus seinem Ministerium war über mehrere Tage zu diesem Thema kein Interview zu bekommen. Kürzlich sagte Ramsauer dazu aber im Bayrischen Rundfunk:

    "Wir gehen allen Hinweisen aus der Bevölkerung nach und haben in einigen Fällen schon beträchtliche Erfolge erzielt."

    Diese Erfolge kann der Landesbetrieb Straßen NRW allerdings nicht bestätigen. Der Betrieb plant, baut und betreibt die Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen in Nordrhein-Westfalen. Dem Baustellenmelder zufolge haben Autofahrer in diesem Bundesland bis heute mehr als 900 Beschwerden abgegeben. Darunter sei allerdings keine einzige Schlafbaustelle, sagt der Geschäftsführer von Straßen NRW, Harald-Friedrich Austmeyer. Wenn auf längeren Baustellen nur vereinzelt gearbeitet wird, so habe das seinen Grund:

    "Ja, weil da gar nicht gearbeitet werden soll. Sie müssen wissen, dass wir Baustellen ja einrichten müssen, sodass der fließende Verkehr noch funktioniert. Und da müssen wir manchmal weit vor der eigentlichen Baustelle den Verkehr schon überleiten. Dann sieht das aus, als hätten wir da eine Baustelle eingerichtet. In Wirklichkeit haben wir aber nur eine Verkehrsführung eingerichtet, die es uns ermöglicht, den Verkehr auf die andere Fahrtrichtungsfahrbahn umzulenken."

    Auch die Baustelle zwischen Wermelskirchen und Remscheid sieht Straßen NRW nicht als schlafende Baustelle. Dort wurden auf der A1 in den vergangenen Jahren zwei neue Talbrücken gebaut. Während der Bauzeit mussten die alten Bogenbrücken den gesamten Verkehr in beide Richtungen auffangen. Später sollte der Verkehr dann in eine Richtung über die alten Brücken fahren, und in der Gegenrichtung über die neuen Brücken laufen. Dazu erklärt Austmeyer:

    "Jetzt hat sich aber nachträglich, nachdem die neuen Bauwerke fertig waren, herausgestellt, dass diese alten Bogenbauwerke doch sehr stark in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Zu allem Überfluss sind diese Bauwerke auch noch denkmalgeschützt. Deswegen konnten wir eigentlich, wie geplant, nicht anfangen, diese Brücken Instand zu setzen, sondern müssen jetzt noch die Konzeptentwicklung endgültig abwarten. Da sind wir von den Ereignissen überrollt worden."

    Solange also mit den Denkmalschützern nicht geklärt ist, wie die Brücken restauriert werden sollen, liegen die Baustellen zwischen Wermelskirchen und Remscheid brach. Der ADAC hält Straßen NRW aber entgegen, dass die Verkehrsbelastung der alten Brücken schon früher hätte berücksichtigt werden können. Dennoch kann der ADAC, von dieser Baustelle einmal abgesehen, keine andere Baustelle in NRW als Schlafbaustelle einstufen. Denn Schlafbaustellen seien kein flächendeckendes Phänomen, betont der ADAC.

    "Ob dieser Baustellenmelder jetzt was bringt, ist die andere Frage. Ich denke, wir haben ein Problem bei der einen oder anderen Baustelle, aber insgesamt gibt es nicht so viele Baustellen, wo ich jetzt sagen würde, dass da nicht gebaut wird oder dass es nur sehr schleppend voran geht."