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Schlafmedizin
Die gravierenden Folgen von Schlafmangel

Schlaf als vertane Zeit? Von wegen. Die Forschung hat immer neue Belege für die gesundheitliche Bedeutung erbracht. In Dresden kam nun die Zunft der Schlafmediziner zusammen. Und beklagte ein weiterhin bei Patienten - und Ärzten - fehlendes Bewusstsein für Schlafprobleme.

Von Bastian Brandau | 06.12.2016
    Eine Frau liegt in einem Bett und schläft. Sie liegt dabei auf dem Bauch und streckt einen Arm zur Seite aus.
    Gut ein Drittel unseres Lebens verbringen wir im Schlaf (imago stock&people)
    Mit einer App auf dem Smartphone lässt sich die Schlafqualität ganz einfach zu Hause messen – geben zumindest die Hersteller solcher Programme an. Die technische Fortentwicklung ist ein aktueller Schwerpunkt der Schlafforschung. So hofft man, in Zukunft in den Schlaflaboren auf die Verkabelung der Patienten verzichten zu können. Die Ergebnisse der Handy-Apps werden von den Schlafforschern kritisch gesehen. Denn sie seien in der Regel nicht wissenschaftlich getestet, sagt Alfred Wiater, Kinderarzt und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, über die Schlaf-Apps:

    "Sodass die Aussagen, die ihnen eigentlich zugeschrieben werden, nicht nachvollziehbar gemacht werden können. Und das führt dazu, dass Menschen sich dann mit Fakten auseinandersetzen, die vielleicht gar nicht zutreffend sind und sich Gedanken machen über Schlafstörungen, die sie vielleicht gar nicht haben und in Folge dieser Gedankenflut eine Ein- oder Durchschlafstörung erst entwickeln."
    Doch woran merke ich als Patient, ob ich möglicherweise Probleme mit dem Schlaf habe? Schlaf- und Tagesaktivitäten hingen sehr dicht zusammen, erläutert Wiater:

    "Wenn man tagsüber auffallend müde ist, wenn man dazu neigt, in monotonen Situationen einzuschlafen, ist das zum Beispiel ein ganz wichtiger Hinweis, einmal nachzuschauen, ob der Schlaf erholsam genug ist. Natürlich kommen die typischen schlafbezogenen Symptome hinzu, das Schnarchen, die Atempausen, die unruhigen Beine, so gibt es viele Faktoren, die den Schlaf stören."
    Schlaf bleibt etwas hochindividuelles
    Dazu gehören auch die modernen Lebensumstände. Eine Gesellschaft im ständigen sozialen Jetlag, wie es bei den Schlafforschern heißt. Zu früher Schul- oder Arbeitsbeginn, Nacht- und Schichtarbeit, dazu Lärm und Lichtbelästigung. Dabei seien die Folgen von Schlafmangel gravierend, warnt Schlafmediziner Alfred Wiater:
    "Wenn man bedenkt, wie viele tödliche Unfälle es gibt durch Sekundenschlaf am Steuer, wenn man bedenkt, wie viele Krankheitssymptome in Folge einer nicht den Bedürfnissen der Menschen gerecht werdenden Schichtarbeit entstehen."
    Schlaf sei trotz aller gesellschaftlichen Einflüsse etwas Hochindividuelles, sagt Andrea Bosse-Henk, Leiterin des Schlaflabors am Uniklinikum Leipzig. Als Beispiele aus ihrer Sprechstunde nennt sie Manager, die weniger als vier Stunden schlafen, oder Künstler, die es selten vor fünf ins Bett schafften.
    "Also die einen schlafen zur falschen Zeit, haben aber eigentlich gar keine Schlafstörung. Die anderen schlafen einfach nur zu wenig und das ist wenn man so will auch noch keine Krankheit. Und umgekehrt, Frauen, ältere Menschen kommen und sagen, ich werde immer um drei Uhr in der Nacht wach, ich habe eine Durchschlafstörung. Wenn wir genau fragen, dann haben die mittags schon mal zwei Stunden geschlafen, die schlafen abends um acht vor dem Fernseher ein. Sie gehen dann vielleicht um acht oder neun ins Bett und wundern sich, wenn sich dann um drei aufstehen."
    Bosse-Henk hat eine Studie über Sarkoidose-Patienten vorgelegt. Zwei Drittel der Patienten dieser chronischen Bindegewebserkrankung berichteten von schlechter subjektiver Schlafqualität. 25 Prozent schliefen so schlecht wie Patienten mit chronischer Schlafstörung. Nicht immer aber sei diese durch die Sarkoidose ausgelöst, hat Bosse-Henk herausgefunden:
    "Und da sage ich: Okay, wir haben einen Therapie-Ansatz, wir könnten ja zum Beispiel mit der vorhandenen Angst und Depression oder einer Schlafapnoe, die können wir ja auch behandeln, und dann muss der Mensch gar nicht so viel Müdigkeit und Schläfrigkeit am Tag haben, wie er jetzt glaubt, dass das zu der Krankheit gehört."
    Noch wenig Bewusstsein für Schlafprobleme
    Ein Beispiel dafür, dass das Bewusstsein für Schlafprobleme unter Medizinern und Patienten noch ausbaufähig sei. In solch speziellen Fällen wie der Sarkoidose, aber auch in der täglichen Routine unter Zeitdruck.

    "Und dann überlegt man immer, wenn es schnell gehen muss, was ist das ganz wichtige und denkt, warum muss ich jetzt noch nach dem Schlaf fragen, wenn der hier eine Lungenerkrankung oder eine Herzerkrankung hat. Und es muss vor allem noch viel deutlicher in der Ausbildung geklärt werden, dass es da Zusammenhänge gibt, wo man sagt, man kann hier mit einfachen Mitteln doch sehr viel erreichen."
    Patienten, sagt Schlafmedizinerin Bosse-Henk, sollten deswegen Symptome wie Müdigkeit und Sekundenschlaf beim Arztbesuch thematisieren.