Freitag, 29. März 2024

Archiv

Schlechte Lebensqualität
Ausländern vergeht die Lust auf China

Früher galt es als lukrativ und schick, für einige Monate oder Jahre in China zu arbeiten. Inzwischen hat sich der Trend umgekehrt: Immer mehr deutsche Arbeitgeber haben Probleme, gute Leute für ihre Posten zu finden. Schuld sind die schmutzige Luft, das zensierte Internet und die enorm gestiegenen Lebenshaltungskosten.

Von Steffen Wurzel | 05.04.2017
    Die Nanjing-Einkaufsstraße in Shanghai.
    Die Nanjing-Einkaufsstraße in Shanghai. Das Leben dort ist so teuer wie in Europa, sagen Ausländer, die in China arbeiten. (Imago)
    "Sehr viele Leute in Deutschland wissen glaube ich gar nicht, was sie hier alles Gutes bekommen."
    Ende vergangenen Jahres ging es für Robin Niethammer zurück. Aus dem westchinesischen Chengdu zog er mit seiner Familie wieder nach Deutschland. Der Abschied kam nicht plötzlich. Er hat China auch nicht im Groll verlassen, sagt er - ganz im Gegenteil.
    "Das war eine bewusste Entscheidung für die gute Luftqualität und die gute medizinische Versorgung in Deutschland."
    Niethammer hat drei Jahre lang als Manager eines großen Dax-Konzerns in Chengdu gearbeitet, außerdem hat er sich in der Europäischen Handelskammer in China engagiert. Generell habe er das Leben in China sehr genossen, betont der 43-Jährige, beruflich und privat.
    Seit seinem ersten Praktikum in China vor mehr als 16 Jahren sei er Fan des Landes. Ein neues Jobangebot aus Peking lehnte Niethammer trotzdem ab. Gründe: dreckige Luft, zensiertes Internet und Probleme mit der Lebensmittelsicherheit.
    "Für mich war klar: Mit einem einjährigen Kind und einem achtjährigen Jungen, dass man in China nicht bleiben möchte. Zumindest nicht in Peking oder Chengdu."
    "Sehr, sehr schwer, Interessenten zu finden"
    Nicht nur in der Privatwirtschaft haben immer weniger Arbeitnehmer Lust, für einige Zeit nach China zu ziehen und dort zu arbeiten. Auch der öffentliche Dienst hat zunehmend Probleme. Als deutscher Lehrer in China zu arbeiten: Vor einigen Jahren galt das noch als ausgesprochen attraktiv. Heute ganz anders.
    "Aktuell haben wir gerade eine sehr attraktive Stelle in Chongqing ausgeschrieben. Eine Fachschaftsberaterstelle. Es ist sehr, sehr schwer, dafür einen Interessenten zu finden."
    Gundula Meyer-Oehring von der Zentralstelle fürs Auslandsschulwesen, sie koordiniert von Shanghai aus deutsche Lehrer, die an chinesischen Schulen unterrichten.
    "Ich kann das auch nachvollziehen. Wenn jemand wenig über China weiß und dann zum Beispiel Chongqing googelt. Was dort dann angezeigt wird, ist nicht gerade motivierend, dass man sofort sagt: Wow, da will ich sofort hin."
    Grund für das abnehmende Interesse an China sind aber nicht nur die oft sehr dreckige Luft oder die Einschränkungen beim Internet. Vor allem in der Privatwirtschaft wird deutlich weniger gezahlt für eine Entsendung nach China. Und das bei stark gestiegenen Kosten.
    Gutes Leben für wenig Geld ist nicht mehr
    "It’s also about the money. Eating in a nice restaurant in Shanghai costs the same as in Europe.”
    Line Bertheussen, die Norwegerin arbeitet für eine Headhunter-Firma in Shanghai. Das Leben sei hier teilweise so teuer wie in ihrer Heimat. China sei kein Billiglohnland mehr.
    "Compared to Norway it is more or less the same. So people end up spending a lot of money here. It’s not a low cost country - in any way - any more.”
    Gestiegene Preise, geringere Attraktivität für Ausländer – Personaler besetzen immer häufiger auch höhere Positionen in China mit Einheimischen statt mit Ausländern. Dafür steigt dann die Zahl der Dienstreisen nach China. Auf diesem Wege will auch Robin Niethammer China verbunden bleiben.
    "Ich finde China weiterhin spannend und faszinierend und denke deswegen, dass ich auch in Zukunft öfter in China sein werde."