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Schlechtes Essen und hohe Mieten

Mit einer Negativkampagne versucht Großbritannien, bulgarische und rumänische Einwanderer fernzuhalten. Damit soll eine Wiederholung des Einwandereransturms von 2004 verhindert werden. Kritiker monieren Unglaubwürdigkeit, die britischen und rumänischen Medien nehmen es mit Humor.

Von Jochen Spengler | 04.02.2013
    Womit könnte man Großbritannien möglichst glaubhaft mies machen? Mit dem bescheidenen Essen oder den hohen Mieten? Tatsächlich brüten britische Beamte derzeit darüber, ob man nicht mit einer Negativkampagne rumänische und bulgarische Bürger von einer Einwanderung auf die Insel abschrecken sollte.

    Was die Medien mit britischem Humor aufgreifen: so schlägt etwa die Times vor, die Pop-Hymne "Streets of London" umzudichten in eine neue Version, um potenzielle Migranten zu einem Meinungswandel zu bewegen. Kostprobe:

    Hast du unser Wetter gesehen? – Letzte Woche hat’s hier geschneit.
    Heute sind die Straßen überflutet – das macht deine Schuhe kaputt.
    Jobs sind kaum zu kriegen – Weißt du, wo es boomt? In Shanghai!
    England ist nicht das Land – das ein schlauer Migrant wählen würde…


    Der Guardian bittet seine Leser um die besten Ideen und steuert selbst welche bei:

    Britain - die Straßen sind nicht mit Gold gepflastert – auch nicht unter dem Erbrochenen.

    Ernsthaftere Zeitgenossen wenden ein, dass eine Negativkampagne ziemlich unglaubwürdig sei, wo doch das Land erst im letzten Jahr mit Thronjubiläum und Olympischen Spielen kräftig die Werbetrommel gerührt und der Premierminister gewohnt bescheiden verkündet hat:

    "This is still the greatest country on earth."

    Negativwerbung, glaubt der Labour-Politiker Keith Vaz, Vorsitzender des Parlamentsinnenausschusses, bewirke oft das Gegenteil:

    "Man hat vor 40 Jahren versucht, Menschen die aus Idi Amins Uganda ausgewiesen worden, mit Anzeigen abzuhalten - tatsächlich kamen dadurch noch mehr hierher.

    Was wir brauchen sind verlässliche Schätzungen über die Einwanderung, und die Beamten im Innenministerium hatten dafür sieben Jahre lang Zeit."

    Doch Großbritannien ist ein gebranntes Kind.

    Und gerade die Labour-Partei, die bis vor drei Jahren an der Macht war, hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Als 2004 im Zuge der Osterweiterung zehn Staaten EU-Mitglied wurden, da schottete Premierminister Tony Blair anders als Bundeskanzler Schröder den heimischen Arbeitsmarkt nicht rigide ab, sondern öffnete ihn auch für Bürger der neuen Staaten. Und so kamen statt der erwarteten 15.000 Polen mehr als eine dreiviertel Million über den Ärmelkanal.

    Seither ist Polnisch die am zweitmeisten gesprochene Sprache und Großbritannien hat endlich vernünftig ausgebildete Handwerker.

    Die Konservativen fürchten eine neue Einwandererwelle. Und der jetzige Labour-Chef Ed Miliband zeigt sich reumütig:

    "Wir haben das in der Regierung nicht gut gemacht. Weil wir nicht nur die Zahlen und die Folgen unterschätzt haben, sondern auch die Probleme der Menschen mit den Einwanderern."

    Vor allem die rechte Unabhängigkeitspartei von Nigel Farage schürt heute deren Ängste vor einer neuen Einwanderungswelle:

    "Wir reden über die Folgen der EU-Mitgliedschaft für unser Leben. Wir werden dieses Jahr immer wieder davor warnen, dass wir am 1. Januar die Tore nicht nur des Arbeitsmarktes sondern auch des Sozialstaats öffnen für 29 Millionen Menschen aus den sehr armen Staaten Bulgarien und Rumänien."

    Noch hat die britische Regierung keine Schätzung der zu erwartenden Immigranten veröffentlicht. Immigrationskritiker machen derweil Stimmung und behaupten, jährlich könnten 50.000 zusätzliche Arbeitssuchende aus den Schwarzmeer-Staaten über Großbritannien herfallen.

    Das erscheint übertrieben, denn anders als für Polen im Jahr 2004, stehen Bulgaren und Rumänen ab 2014 alle EU-Staaten offen – auch Deutschland. Der britische Einwanderungsminister Mark Harper untersucht dennoch, ob man nicht Sozialleistungen für sie zusammenstreichen könnte:

    "Was wir nicht wollen, sind Leute, die in unser Land kommen, und von Sozialhilfe und vom Staat leben. Unser National Health Service ist ein Nationaler und kein Internationaler Gesundheitsdienst. Wir prüfen deswegen, ob wir genügend Schutzregelungen haben."

    Was die Außenminister Bulgariens und Rumäniens alarmiert; sie weisen diplomatisch verstimmt darauf hin, dass solche Diskriminierungen gegen EU-Recht verstoßen.

    Die rumänischen Medien nehmen die britischen Ängste dagegen mit Humor.

    "Ihr habt schlechtes Wetter, keine Jobs und keine Häuser? Das klingt übel. Warum kommt ihr dann nicht lieber zu uns?"

    … fragt eine rumänische Internet-Seite. Und eine Zeitung wirbt mit folgendem Spruch um britische Touristen:

    ""Die Hälfte unserer Frauen sieht so aus wie Kate. Und die andere Hälfte wie ihre Schwester!""