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Schleichender Abbau der Medienfreiheit in Polen

In der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PIS gilt Tomasz Markowski als der Mann fürs Grobe. Immer wenn PIS-Parteichef Jarosław Kaczyński oder dessen Zwillingsbruder, Staatspräsident Lech Kaczyński, auf hartnäckigen politischen Widerstand stoßen, dann wird Markowski von der Leine gelassen. So wie unmittelbar nach den gewonnenen Wahlen im Herbst 2005, als die polnischen Medien mit ihrer Kritik am Alleinherrscheranspruch der Kaczynski-Brüder den Zorn der Regierenden auf sich gezogen hatten. Und Markowski polterte los - künftig, nahm der Nationalkonservative kein Blatt vor den Mund, werde in Funk, Fernsehen und Zeitungen mit anderer politischer Elle gemessen:

Von Thomas Rautenberg | 04.06.2007
    " Wir, die polnische Rechte, hatten nie realen Einfluss auf die Medien. Jetzt aber wollen wir ihn. Und trotz all des Jammers, der Schreie, und des Lärms, wir werden einen stärkeren Einfluss auch bekommen."

    Nur wenig später hatte die Kaczynski-Partei bereits das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen unter ihre Kontrolle gebracht. Alle Programmchefs wurden praktisch über Nacht durch PiS-Parteigänger ersetzt, erinnert sich Roman Czejarek, einst Topmoderator des 1. Radioprogramms und inzwischen zu einem Privatsender gewechselt:

    " Im Herbst des vergangenen Jahres wurde ich selbst Zeuge von Redaktionskonferenzen, bei denen die neuen Chefs kamen und ohne jede Scham oder Tarnung erklärten, diese und jene Personen seien im Programm unerwünscht. Auf die Liste kamen vor allem Oppositionspolitiker. Wir waren schockiert über die Unverfrorenheit mit der einfach "Nein und Schluss!" gesagt wurde."

    Die polnischen Radiojournalisten wollten die staatlichen Programme nicht der Alleinherrschaft der neuen Regierungsansager überlassen. Czejarek organisierte ein Treffen mit dem Intendanten von Polskie Radio, immer noch in der Hoffnung auf die Freiheit der journalistischen Arbeit:

    " Bei dem Treffen fragte uns der Intendant, ob wir nicht alle Tassen im Schrank hätten. Vielleicht seien wir ja auch alle Agenten gewesen, Vertreter des alten Systems. Das war doch absurd! Wir sagten, wir hatten früher keinen politischen Druck und wollen auch jetzt keinen parteipolitischen Einfluss. Als das nichts nützte, sagte ich laut, dass ich mich daran nicht beteiligen werde, und kündigte meinen Vertrag."

    Über 300 polnische Radiojournalisten sind beim staatlichen Rundfunk inzwischen rausgeflogen. Viele persönlich gefeuert vom Chefsäuberer und damaligen Vizedirektor Jerzy Targalski. Er wolle das polnische Radio von den politischen Ablagerungen der früheren Kommunistenchefs Gomułka und Gierek reinigen, erklärte Targalski seine politische Mission. Die Stimme Polens, den Moderator Tadeusz Sznuk schickte er mit den Worten nach Hause: "An schöne Stimmen würde man sich sogar im Konzentrationslager gewöhnen". Der politische Durchgriff in den Medien hat der Meinungsfreiheit in Polen bereits schwer geschadet, ist Jerzy Szygiel von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" überzeugt:

    " Im vergangenen Jahr ist Polen in der Weltklassifizierung der "Reporter ohne Grenzen" auf den letzten Platz in der Europäischen Union zurückgefallen. Wir stehen jetzt sogar noch hinter einigen afrikanischen Ländern. Die negativen Tendenzen zeigen sich vor allem in jenen Medien, die direkt von der polnischen Regierung gesteuert werden. Es geht um die öffentlich-rechtlichen Medien, die von der Regierung abhängig sind. "

    Doch nicht nur in den polnischen Redaktionsstuben bemüht sich die Kaczyński-Regierung, die Meinungshoheit zu behaupten. Auch einigen Satirikern ist das Lachen längst vergangenen. Darstellung, wie die Kartoffeln in der deutschen "Tageszeitung" oder künstlerische Events, wie das Markieren von Tausenden Hundehaufen mit weiß-roten Fähnchen, ziehen derzeit allesamt staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nach sich.

    Die Kaczyńskis kommen und gehen, aber der Schaden für polnische Meinungsfreiheit wird auch nach der politischen Besetzung bleiben, fürchtet der Journalist Roman Czejarek:

    " In den 90er Jahren meinten die Politiker, jetzt ist die Demokratie gekommen, da darf man die Medien in Polen nicht mehr kontrollieren. Danach aber begannen die Parteien Schritt für Schritt Einfluss zu gewinnen. Und das führt dazu, dass jede nachfolgende Regierung immer noch ein Stück weiter geht - mit den Folgen, wie wir sie jetzt erleben."