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Schleichender Verfall

Der Klimawandel birgt unzählige Gefahren. Was muss getan werden, um beispielsweise unsere Nationalparks oder Korallenriffe zu schützen? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer UNESCO-Konferenz in Paris.

Von Siegfried Forster | 17.03.2006
    Als die Taliban in Afghanistan die riesigen Buddha-Statuen sprengten und die Tsunami-Flutwelle Menschen und Natur zerstörten, erlebten wir eine weltweit beispiellose Mobilisierung der Öffentlichkeit und ein emotionales Nachbeben. Anders sieht die Situation aus, wenn Weltkulturgüter durch langsam fortschreitenden Klimawandel bedroht werden, berichtet Greg Terrill, Experte im australischen Ministerium für Umwelt und Kulturerbe. Die Korallenriffe im Indischen Ozean wurden beispielsweise durch den Tsunami erheblich weniger zerstört als dies durch alltägliche menschliche Aktivitäten und den Klimawandel der Fall ist – ohne große Anteilnahme der Weltöffentlichkeit:
    "Die Anteilnahme gibt es hier nicht. Denn Klimawandel ist in gewisser Hinsicht Bestandteil einer ständig existierenden Herausforderung und nichts, was in den Medien wie eine Bombe einschlägt, wie die Taliban in Afghanistan. Insofern ist der Klimawandel äußerst bedeutend, aber nur langfristig und als eine von vielen Herausforderungen für das Weltkulturerbe."
    Bislang werden von den insgesamt 812 von der UNESCO als schützenswert anerkannten Weltkulturgütern nur 34 als existentiell gefährdet eingestuft – bei keinem dieser Naturlandschaften und Kulturdenkmäler wurde bislang der Klimawandel als die entscheidende Gefahrenursache definiert. Das UNESCO-Treffen könnte insofern eine Revolution einläuten. Denn praktisch alle offiziellen Weltnatur- und Weltkulturstätten gelten im nächsten Jahrhundert als durch den Klimawandel bedroht.

    Standpunkt der UNESCO: Die Situation ist dramatisch, aber nicht ausweglos. Wie der Gefahr konkret begegnet werden soll, darüber sind sich die Experten in der UNESCO allerdings noch nicht einig geworden. Für Ali Ould Sidi vom Weltkulturerbe Tombuktu im afrikanischen Mali gilt es, keine Zeit mehr zu verlieren. Die Oasenstadt aus Lehmbauten und mittelalterlichen Moscheen hat durch den Klimawandel mit zunehmenden Trockenzeiten, Versandung und sintflutartigen Regenfällen zu kämpfen. Es sei sinnlos zu warten, bis eine Entscheidung auf weltweiter Ebene getroffen werde, sagte er. Besser als große Rettungspläne bezeichnet er kleine Aktionen vor Ort:

    "Der Klimawandel stellt nicht nur eine Gefahr dar für die Weltnaturschätze und das Weltkulturerbe, sondern das ist eine Gefahr für die gesamte Menschheit. Das ist eine gute Sache, dass nun internationale Organisationen wie die UNESCO für ein Erwachen sorgen. Die UNESCO unternimmt große Anstrengungen, um die öffentlich Verantwortlichen dazu zu bringen, sich dieser Gefahr bewusst zu werden. Jetzt ist die Frage, wie man sich dieser Frage auf der Ebene der Vereinten Nationen annehmen kann. Denn so wie die Aids-Pandemie eine Gefahr für die Menschheit darstellt, so ist auch der Klimawandel eine extrem große Gefahr."

    Fest steht, dass es sich um ein hochsensibles Thema mit weitreichenden Folgen handelt. Kein Wunder also, dass die UNESCO-Verantwortlichen sich dazu derzeit nicht öffentlich äußern wollen, um einflussreiche Geldgeber wie die USA nicht vor den Kopf zu stoßen. Die USA haben sich bekannterweise bislang erfolgreich gesträubt, das Klimaschutzabkommen von Kyoto zu unterzeichnen. Als einer von 181 Unterzeichnerstaaten der UNESCO-Konvention zum Schutz des Weltkulturerbes müssen die USA jedoch befürchten, als Umweltsünder wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt zu werden.

    Im Mittelpunkt der Debatte steht der weltweit erste Internationale Glacier Friedenspark an der Grenze zwischen den USA und Kanada, der von der UNESCO 1995 zu einem Natur-Welterbe erklärt wurde. Infolge des Klimawandels werden die aus der Eiszeit stammenden Gletscher voraussichtlich 2030 komplett abgeschmolzen sein. Eine schleichende Zerstörung, für die Umweltschützer die Tatenlosigkeit der US-Regierung im Kampf gegen die Treibhausgase mit verantwortlich machen. Ein Präzedenzfall, der einen weltweiten Dominoeffekt nach sich ziehen könnte.

    Bis fest steht, ob vielleicht bald schon Regierungen für schmelzende Gletscher, versandete Tempel oder von Stürmen beschädigte Kathedralen haften müssen, gibt es jede Menge einfache Aktionen zu starten: internationale Kooperation, Aufklärung der Öffentlichkeit und Forschung, so May Cassar vom Zentrum für Nachhaltiges Weltkulturerbe UCL in London:

    "Eines der Dinge, die mich überrascht haben, ist, dass es bislang keine großartigen Kontakte gibt zwischen jenen, die über das Wissen verfügen, also die UNESCO-Experten und jenen, die die Gelder verwalten. Für den Schutz des Weltkulturerbes brauchen Sie Geld und Gutachten. Warum also nicht beides zusammenbringen?"