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Schleichwege zum Ruhm

Göran Malmqvist, der schwedische Übersetzer von Literaturnobelpreisträger Mo Yan, sitzt im Nobelpreiskomitee. Die schwedischen Medien versuchen daraus einen Skandal zu machen. Ein absurdes Unterfangen, findet Burkhard Müller-Ullrich.

Von Burkhard Müller-Ullrich | 19.10.2012
    Als der Exildichter Gao Xingjian vor zwölf Jahren den Literaturnobelpreis bekam, heulte das offizielle Peking auf und die westlichen Medien wunderten sich, weil sie den Namen des Preisträgers noch nie gehört hatten. Das war noch schlimmer als vor 24 Jahren mit Nadjib Mahfus, dem Ägypter, von dem kein Feuilletonist auch nur eine Zeile gelesen hatte. Eine Schande war das freilich in beiden Fällen nicht. Es gibt ja auch im Literaturbetrieb eine Grenze zwischen Allgemeinbildung und Spezialwissen, und eine der nobelsten Aufgaben des Nobelpreises besteht gerade darin, Autoren, die vor dem Preis unter Spezialwissen fielen, durch den Preis in die Abteilung Allgemeinbildung zu verpflanzen.

    Wie ging das nun in Sachen Gao Xingjian vor sich? Ganz einfach: Göran Malmqvist, seit 27 Jahren Mitglied der schwedischen Akademie, hat es gedeichselt. Der heute 88-jährige Malmqvist hatte nicht nur den Lehrstuhl für chinesische Sprache und Kultur an der Stockholmer Universität inne, er war zuvor auch Professor für Sinologie in Australien und Kulturattaché an der schwedischen Botschaft in Peking gewesen. Er ist, um es in den Worten seines Heidelberger Kollegen Rudolf Wagner zu sagen, "einer der besten Kenner der modernen chinesischen Literatur überhaupt".

    Unter den achtzehn Stockholmer Akademikern, die über die Nobelpreisvergabe zu befinden haben, ist Göran Malmqvist der einzige, der Chinesisch kann. Weil er Chinesisch kann und den chinesischen Autoren so nahe ist, übersetzt er auch deren Werke. Und da beginnt nun ein Gebiet, auf dem es immer wieder Rangeleien und Tumulte gibt: Darf ein Übersetzer im Nobelpreiskomitee zugleich für einen Schriftsteller votieren, den er selber übersetzt hat? Schnell ist der Vorwurf der Korruption bei der Hand, und rasch war vor allem die schwedische Presse damit zugange.

    Zwölf Jahre sind vergangen, und mit dem neuen Laureaten Mo Yan wiederholt sich die Geschichte. Es besteht kein Zweifel: Göran Malmqvist hat ihn ‘gemacht’. Er hat seine Komitee-Kollegen von der künstlerischen Qualität der Werke Mo Yans überzeugt, indem er sie übersetzt hat. Anders ging es ja nicht. Und jetzt wird ihm angekreidet, dass er sie übersetzt hat.

    Die schwedischen Medien versuchen daraus einen Skandal zu machen. Es ist ein absurdes Unterfangen. Denn die Schwedische Akademie stellt für die Anliegen von Transparency International ein äußerst undankbares Objekt dar. Bis auf gelegentliche Kräche und Intrigen, die von den Akademiemitgliedern selber an die Öffentlichkeit getragen werden, geht deren Arbeit in ziemlich perfekter Verschwiegenheit vonstatten. Nicht mal die schwedische Presse hat einen privilegierten Zugang zu Insider-Informationen. Und vielleicht fühlen sich die Stockholmer Journalisten dadurch besonders gekränkt: schließlich haben sie eine Welt-Institution in der Stadt und nicht den kleinsten Vorteil davon, denn wenn diese Welt-Institution spricht, dann spricht sie gleich zur Welt-Presse.