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"Schlitzaugen" und "Pflicht-Homoehe"
Umstrittene Rede bringt EU-Kommissar Oettinger weiter in Bedrängnis

Die Kritik an Äußerungen von Günther Oettinger (CDU) über Chinesen, Homo-Ehe und Frauenquote hält an. Manche Politiker-Kollegen bezweifeln seine Eignung als EU-Kommissar. Doch die Kanzlerin steht hinter ihrem Parteifreund.

31.10.2016
    Günther Oettinger spricht bei einer Pressekonferenz in Straßburg
    Soll EU-Haushaltskommissar werden: Günther Oettinger (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
    Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat trotz des Ärgers um die Äußerungen Oettingers volles Vertrauen in den deutschen EU-Kommissar. Das sei "selbstverständlich", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Zudem habe der ehemalige Ministerpräsident Baden-Württembergs seine Bemerkungen mittlerweile eingeordnet. Auf deren Inhalt ging Seibert nicht ein.
    Oettinger ist in Brüssel für Digitalwirtschaft zuständig und soll zum Jahreswechsel EU-Haushaltskommissar werden. Dies sei ein besonders wichtiges Amt, sagte Seibert. Mit seiner Erfahrung sei Oettinger ein "ausgezeichnet qualifizierter" Kommissar.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollte sich nicht zu der Oettinger-Rede äußern. Ein Sprecher verwies nur auf die Erklärungen, die Oettinger am Wochenende in einem Interview der Zeitung "Die Welt" gegeben hatte.
    "Keine Frauenquote, keine Frau, folgerichtig"
    In einer öffentlich gewordenen Rede vor Unternehmern in Hamburg hatte Oettinger unter anderem von "Schlitzaugen" sowie von "Pflicht-Homoehe". Über eine chinesische Regierungsdelegation sagte er außerdem: "Keine Frauenquote, keine Frau, folgerichtig." Oettinger erntete wiederholtes Gelächter seiner Zuhörer, wie ein im Internet veröffentlichtes Video mit Redeauszügen zeigt.
    Im Deutschlandfunk äußerte sich am Abend der Journalist Roland Muschel zum Thema. Er arbeitet als Baden-Württemberg-Korrespondent für mehrere Zeitungen und beobachtet Oettinger seit Jahren.
    "Saloppe Äußerung"
    In der "Welt" verteidigte sich Oettinger gegen den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit. Dass er das Wort "Schlitzauge" verwendet habe, sei nicht anstößig gemeint gewesen. "Das war eine etwas saloppe Äußerung, die in keinster Weise respektlos gegenüber China gemeint war", sagte er der Zeitung.
    Auch die Home-Ehe habe er nicht als solche angreifen wollen. "Ich habe die Homo-Ehe in einer Liste von Themen, Initiativen und Debatten genannt, die in Deutschland die politische Tagesordnung bestimmen", erläuterte er. Ebenso wenig sei er gegen eine Frauenquote.
    "Frau Merkel, ziehen Sie den Mann zurück!"
    Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) bezeichnete die Bemerkungen Oettingers als "rassistisch und homophob". Der EU-Kommissar "sollte sich ernsthaft mit seinen Statements auseinandersetzen und sie jetzt nicht kleinreden, sondern ernsthaft Position beziehen", sagte sie der "Nordwest-Zeitung" aus Oldenburg.
    
Schwesig sitzt lächelnd und mit orange-weißem Halstuch vor einem  liafarbenen Hintergrund.
    Kritisiert Oettinger: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) (Karlheinz Schindler/ dpa)
    SPD-Generalsekretärin Katarina Barley stellte Oettingers Eignung als künftiger EU-Haushaltskommissar in Frage. "Jemand, der offene rassistische und homophobe Ressentiments bedient, disqualifiziert sich für politische Spitzenposten", sagte sie bereits am Wochenende "Spiegel Online".
    Für den Chef der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, ist Oettinger nicht mehr tragbar: "Es ist peinlich, dass ein solcher Rassist und Sexist EU-Kommissar für Deutschland ist". Die Kanzlerin rief er in der "Nordwest-Zeitung" auf: "Frau Merkel, ziehen Sie diesen Mann zurück."