Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Schlupfwespe gegen Mehlmotte

Mehlmotte, Brot- und Kornkäfer sind nur einige der ungebetenen Gäste in den Vorratskammern. Geradzu magisch angezogen werden sie von den klassischen Zutaten für die Weihnachtsbäckerei - wie Mandeln, Trockenfrüchte und Gewürze. Eine Firma aus Berlin gibt Tipps für eine Schädlingsbekämpfung ganz ohne Chemie.

Von Maren Schibilsky | 18.12.2007
    "Biologische Beratung. Prozell. Guten Tag."

    Die Telefondrähte glühen in der Biologischen Beratung. Die europaweit einzigartige Firma residiert in einem Berliner Hinterhof in der Hosemannstraße:

    "Wir verkaufen kleine Tiere. Das sind Wespen, und die parasitieren die Motteneier, so dass sie einige Zeit kleine Wespen in ihrer Wohnung herumlaufen haben. Und anschließend sterben diese Wespen nach sechs Tagen ab - und sie haben ihr Mottenproblem damit gelöst."

    Sabine Prozell und ihr Kollege Matthias Schöller betreiben ein gefragtes Geschäft. Sie beraten Kunden aus Privathaushalten, Großbäckereien, Restaurants, dem Lebensmittelhandel, der Landwirtschaft und Betreiber riesiger Getreidelager. Vor Ort und am Telefon. Immer dann, wenn Kornkäfer, Mehlmotte und Co. zuschlagen:

    "Die Nachfrage ist steigend. Wir haben ja auch in den letzten Jahren unsere Nützlingspalette erweitert in dem Sinne, dass wir jetzt auch noch mehr gegen Vorratsschädlinge anbieten können. Insgesamt haben wir sechs Gegenspieler, die wir anbieten, die im Vorratsschutzbereich angewendet werden können."

    Seit fast zehn Jahren züchten die beiden Biologen ihre Nützlinge in einer Brutkammer auf dem Hinterhof. Bekannt ist die Trichogramma-Schlupfwespe gegen Mehlmotte, Dörrobstmotte und Speichermotte. Später kamen Lagererzwespe und andere Nützlinge gegen den Brot- und Kornkäfer dazu - Hauptproblem in Getreidelagern und Bäckereien. Je nach Anwendung verschicken die beiden Biologen die wenige Millimeter großen Nützlinge in kleinen Schachteln. Die werden dann aktiv und vernichten die Eier oder Larven der Schädlinge. Sabine Prozell erklärt es am Beispiel Schlupfwespe gegen Mehlmotte:

    "Die Motte legt das Ei ab, die Schlupfwespen patrollieren durch die Regale, finden diese Eier und legen in die Eier ihr Ei hinein. Dann gibt es keine Mottenlarve mehr, sondern eine Schlupfwespe, die sechs Tage lebt und dann abstirbt. Da die Wespe das Ei außerhalb der Lebensmittel findet, kommt es auch zu keiner Produktberührung. Weder Wespe noch Motte gehen in das Lebensmittel hinein."

    Diese Bekämpfungsmethode marktfähig gemacht hat die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft. Schließlich liegt der volkswirtschaftliche Schaden durch Kornkäfer und Co. allein in Deutschland beim Getreide im Millionen-Euro-Bereich. Doch keiner möchte öffentlich darüber reden.

    Hinzu kommt, dass das Vernichten der Schädlinge mit Kontaktchemikalien kaum noch zugelassen wird - aufgrund gesundheitsschädigender Rückstände, die sich dann in den Lebensmitteln befinden. Seit über zehn Jahren spüren Vorratsschutzexperte Cornel Adler und sein Team heimische Nützlinge auf, untersuchen ihre Biologie und testen eine Massenzucht im Parasitenlabor. Sie sind europaweit führend:

    "Da liegt der Teufel im Detail. Die Bedingungen so wählen und finden, dass man diese Tiere massenhaft vermehren kann. Das heißt also unter optimalen Bedingungen und unter Vorhandensein des Schädlings kann man den Nützling dann hoffentlich auch züchten."

    Fast ein Dutzend Vorratsnützlinge hat Cornel Adler marktfähig gemacht. Brandneu ist der Gegenspieler des Reismehlkäfers. Ein Hauptschädling der Mühlenindustrie:

    "Es ist das Ameisenwespchen. Es ist etwa drei Millimeter groß. Dieses Tier legt seine Eier an die Larven des Reismehlkäfers und die saugt dann nach und nach die Larve des Reismehlkäfers aus."

    Immer mehr Großbetriebe setzen bei der Bekämpfung ihrer Vorratsschädlinge auf natürliche Gegenspieler. Nicht nur die Biobranche. Voraussetzung für diese Strategie sei aber eine genaue Kenntnis des Schädlingbefalls und ein anschließendes Hygieneprogramm, betonen die Vorratschutzexperten.