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Schlussverkauf in der Innenstadt

Nach der Insolvenz des Handelskonzerns Arcandor bangen nicht nur die 43.000 Beschäftigten um ihre Stellen. Auch selbstständige Einzelhändler fürchten in Kleinstädten wie dem rheinländischen Wesseling um ihre Existenz - die Warenhäuser locken Kunden ins Zentrum. Doch gegen das Angebot spezialisierter Ketten haben Kaufhäuser heute oft keine Chance mehr.

Von Michael Braun, Sabine Lachmann und Friederike Schulz | 09.06.2009
    Morgens um elf ist nicht viel los in der Fußgängerzone von Wesseling. Nur am Obststand vor der Hertie-Filiale hat sich eine Schlange gebildet. Die Schaufenster des eingeschossigen weißgetünchten Betonklotzes sind mit Sportkleidung dekoriert. Noch öffnen sich die automatischen Schiebetüren für die Kunden. Wie lange, weiß niemand. Seit Mai ist klar: Hertie ist pleite, einige der 54 Häuser haben bereits geschlossen, andere, wie das in Wesseling, sollen bald folgen. Dennoch sammeln die Mitarbeiter an den Kassen weiter tapfer Unterschriften. Auch die von Gabriele Wessel und ihrem Mann.

    "Es ist schade, dass sie das jetzt alles zumachen wollen. Das ist das einzige, was wir hier noch haben, wo man ein bisschen einkaufen kann. In Wesseling ist ja sonst hier nichts."

    In der 36.000-Einwohner-Stadt, die genau in der Mitte zwischen Köln und Bonn liegt, ist Hertie, das bis vor fünf Jahren noch zu Karstadt gehörte, das einzige Warenhaus. Davon abgesehen dominieren seit Jahren Billigketten das Straßenbild. Auch in der Ladenzeile des Hochhauses gegenüber von Hertie - einzig der Optiker und der Juwelier gehören nicht zu irgendeiner Kette. Seit 13 Jahren verkauft Eberhardt Behrendt hier Uhren und Schmuck und profitiert von der Laufkundschaft, die nach dem Shoppen bei Hertie vor seinem Schaufenster stehen bleibt.

    "Es ist der Hauptanziehungspunkt hier in der Innenstadt. Ich habe weiterhin meine Stammkunden, auf die ich mich verlassen kann, aber es sind auch die schnellen kleinen Geschäfte, sozusagen das tägliche Brot, Batteriewechsel, kleine Reparaturen, das würde dann deutlich zurückgehen."

    Das große Kaufhaus als Kundenmagnet - von dem auch der umliegende Einzelhandel profitiert. Viele Jahre waren Hertie, Woolworth oder Karstadt feste Größen in den deutschen Innenstädten. In vielen mittleren und kleineren Städten oftmals als einziges Warenhaus. Jetzt aber stecken die Unternehmen tief in der Krise. Erst heute Mittag hat der Handelskonzern Arcandor seine Rettungsversuche aufgegeben und Insolvenz angemeldet.

    Gestern noch wird vor den Kaufhäusern von Karstadt getrommelt, geklatscht, gekämpft. Passanten sollen mit ihrer Unterschrift ihre Solidarität bekunden. Die Listen werden immer länger. Unterstützung für die Verkäuferinnen, die für ihren Arbeitsplatz demonstrieren:

    "Also, Karstadt kenn' ich durch mein ganzes Leben, und die Beschäftigten, die jetzt möglicherweise um ihre Arbeitsplätze bangen müssen, die können nix dafür, das sind Managementfehler, die zu der Situation geführt haben. Und deswegen: Karstadt muss erhalten bleiben."

    Noch Mitte März, drei Wochen nach seinem Amtsantritt, hatte der Vorstandsvorsitzende, Karl-Gerhard Eick, den Aktionären auf einer Hauptversammlung Hoffnung gemacht. Hoffnung darauf, dass es noch Werte gebe bei Arcandor, die zu mehren seien:

    "Ich habe den Vorstandsvorsitz der Arcandor AG übernommen, weil ich davon überzeugt bin, dass dieser Konzern Substanz und Potential hat."

    Wenige Wochen später ist klar: Arcandor hat keine Substanz und keine Perspektive, Arcandor kann ohne Staatshilfe nicht überleben. Aus dem Deutschlandsfonds wollte Arcandor zuerst 650 Millionen Euro Kredit verbürgt haben. Dann sollten 437 Millionen Rettungsbeihilfe genügen - man nimmt, was man kriegen kann. Aber Arcandor bekommt die Hilfe nicht. Anders als bei Opel lehnt die Bundesregierung finanzielle Hilfen ab. Fordert mehrfach Eigentümer, Banken und Vermieter der Kaufhäuser auf, einen höheren Sanierungsbeitrag zu leisten, als bisher angeboten.

    Nun die Insolvenz: Sie könnte eine Chance sein, weil aus der Insolvenz heraus schuldenfreie Teile von Arcandor an Konkurrenten verkauft werden können. Das halten Analysten für eine mögliche tragende Idee. Hans-Peter Wodniok von "Fairsearch" glaubt, dass Karstadt und Kaufhof zusammen größere Chancen haben als jeder für sich allein.

    "Als Einzelhändler, je größer ich bin, je größer meine Einkaufsmacht ist, um so bessere Preise kann ich ja erzielen. Und das wird ja nicht nur im Einzelhandel gesagt, dass der Gewinn im Einkauf liegt, und, ja also eine deutsche Warenhaus AG würde sicherlich ertragsmäßig besser dastehen als die beiden Unternehmen separat."

    Damit wäre das Traditionsunternehmen zumindest teilweise gerettet. Nur eines würde verschwinden. Der Name - und damit eine 128-jährige Firmengeschichte.

    Am 14.Mai 1881, einem Samstag, eröffnet Rudolph Karstadt sein "Tuch-, Manufaktur- und Confectionsgeschäft". In Wismar, in der Krämerstraße 4.

    Mit einem Möbelwagen voller Tuch und Kleidung war der 25-Jährige aus Schwerin hergezogen. 1000 Taler hatte er sich von seinem Vater geliehen, um seine neue, revolutionäre Geschäftsidee zu verwirklichen: "Bar, aber billig". Bei Rudolph Karstadt wird nicht angeschrieben oder gefeilscht. Sondern es wird bar bezahlt - die offen angeschlagenen Preise gelten für alle.

    Karstadt-Werbung: "Alles, was zur Frau gehört, alles, was der Mann begehrt, gibt’s bei Karstadt immerdar, alles geht drum zu RK"

    Das Prinzip "Bar, aber billig" setzt sich durch. Nach dem dritten Jahr macht Karstadt Gewinn. Durch die Barzahlung kann er besser kalkulieren, vereinbart mit seinen Lieferanten günstige Konditionen und kann die Ware deshalb billiger anbieten als die Konkurrenz.

    Karstadt-Werbung: "Leider zwingt uns heut' das Leben, viel Moneten auszugeben, für das, was man dringend braucht, weil´s zum Wohl behaget auch. Doch von allen armen Deibeln braucht nicht einer zu verzweibeln, weil man jetzt für wenig Geld alles bei RK erhält."

    Alles - für wenig Geld. Das ist auch die Idee des Amerikaners Frank Winfield Woolworth. Sie bleibt bis ins 21. Jahrhundert gültig - auch in Deutschland.

    Woolworth-Werbung: "Wir von Woolworth sind der Meinung, dass Geld allein nicht glücklich macht – man braucht auch eine Bratpfanne, einen Autoschwamm, einen Dreifachstecker, einen Kopfhörer, Bleistifte, eine Thermoskanne, Babypotties und dieses schöne Hemd! Und das alles zusammen für unter 30 Euro!"

    Doch es sind nicht nur die kleinen Preise, die die Menschen, auch in Deutschland, in die großen Kaufhäuser locken.

    Verkaufsberaterin: "Bei uns ist alles happy: happy spirit, happy bright. Bei diesem hier handelt's sich halt um 0,38 Karat Brillanten, auch wieder alles 18 Karat mit einem Happy Diamant noch zusätzlich. Da liegen wir bei 2555.- Euro."

    Kundin: "Nun ja, das ist ja nicht besonders viel, finde ich, für so ein Stück..."

    Das Kaufhaus des Westens. 1907 gegründet, schon in den 20er Jahren erschien es vielen in Berlin, in Deutschland, als der Mittelpunkt einer schönen, glitzernden Welt - der Inbegriff des Konsumtempels.

    Kundin: "Kann ich mich jetzt nicht entscheiden, ich komme mit meinem Freund, ja und…"

    Verkaufsberaterin: "Gerne, einfach ein bisschen Zeit mitbringen, auf ein Glas Champagner..."

    Der Kunde fühlt sich hier als König.

    Kunde: "Und wenn du mit der Kauftasche 'rausgegangen bist, auf der draufstand: "KaDeWe", hast du dich selber elegant gefühlt."

    An die glanzvollen Zeiten im KaDeWe erinnert sich Gad Granach noch heute gut. Seine Tante Rosel war Chefeinkäuferin. Ihr verdankte der damals 10-, 11-Jährige manchen neuen Anzug und einen Einblick in die Welt des schönen Scheins.

    "Die Fahrstuhlführer waren junge Männer, hatten Uniformen an, ich glaube es waren braune, mit rot abgesetzt, ein bisschen mit Silber, mit Gold, braun mit Gold war, glaube ich, abgesetzt. Die Schaufenster waren ein Fest, absolut. Die modernsten Puppen waren im Schaufenster. Da fingen ja die ersten Charakterpuppen an, dass die Puppen Gesichter hatten."

    24.000 Quadratmeter auf fünf Etagen boten in den 20er Jahren im Kaufhaus des Westens allen erdenklichen Luxus.

    "Eine Orgie glänzenden Schuhwerks, eine Fata Morgana aus Mänteln, eine elegante Flucht von Hüten, Handschuhen und Spazierstöcken und ein Sonnenparadies aus Sportartikeln", schrieb Vladimir Nabokov. Szenen seines Romans "König, Dame, Bube" spielen im KaDeWe.

    "Und dort kauften, wie man so schön sagt, auf Deutsch - ich weiß nicht, ob ich’s sagen soll? Hoch und niedrig, Arsch und Friedrich. Schauspieler kamen, Künstler kamen, Boheme kamen, Damen der oberen Welt und wahrscheinlich auch der Halbwelt kauften im KaDeWe."

    Konsumtempel, Einheitspreise. Bar und billig, alles unter einem Dach. KaDeWe, Karstadt, Woolworth, Wertheim, Hertie, Kaufhof. Die Kaufhäuser haben das Angebot in den deutschen Innenstädten demokratisiert, der Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs war nur eine vorübergehende Zäsur. Schon 1950 wurde das KaDeWe mit zunächst zwei Etagen neu eröffnet - ein Symbol des Wiederaufbaus.

    Wochenschau "Welt im Film": "Die schwersten Schäden werden behoben. Schutt und Trümmer fortgeräumt. Die Straßenzüge sind wieder erkennbar. Das Geschäftsleben beginnt sich wieder zu regen. Auch, wenn die oberen Stockwerke ausgebrannt sind, kann der Laden im Erdgeschoss wieder aufmachen."

    In den 50er Jahren werden die Kaufhäuser zum Schauplatz des Wirtschaftswunders. Zum Barometer des Wachstums, denn, so Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard 1954:

    "Wir müssen den Mut zum Verbrauchen aufrecht erhalten, denn ein Volk, das den Mut zum Verbrauch verliert, verliert auch die Kraft zur Produktion…"

    Die Deutschen gehen mutig ihren Weg im Wirtschaftswunderland. Er führt direkt in die neu entstehenden Fußgängerzonen, zu den alten, neuen Königen. Zu KaDeWe, Hertie, Woolworth, Karstadt, Horten, Wertheim.

    "…der vielleicht augenfälligste Beweis des sogenannten Wirtschaftswunders: Fast alle Wünsche können Sie erfüllen. Ja, Massenkonsum, Massenluxus ist die Devise unserer Zeit."

    Doch im Aufschwung steckt auch der Niedergang. Neue Geschäftsideen entstehen - die Konkurrenz wächst. Supermärkte mit Selbstbedienung entstehen, Discounter und Einkaufszentren, Fachmärkte auf der grünen Wiese, mit besserer Auswahl und noch besseren Preisen. Und der Kunde folgt, im eigenen Auto.

    Mitte der 80er Jahre ist eigentlich nicht mehr zu übersehen, dass die Kaufgewohnheiten sich geändert haben. Durch den Boom nach der deutschen Einheit wird diese Entwicklung aber noch einmal für ein paar Jahre überdeckt. Doch die Wirklichkeit kommt schnell zurück. Die großen Warenhausketten haben erkennbare Probleme. Der Anteil der Warenhäuser am Einzelhandelsumsatz sinkt zwischen 1999 und 2007 von 5,1 auf 3,3 Prozent.

    Bei Karstadt scheinen die Reserven im Herbst 2004 endgültig aufgezehrt. Ein "weiter so" scheint nicht mehr möglich. Volker Hergert analysierte damals für die Bankgesellschaft Berlin die konzeptionellen Fehler des Managements in der Vergangenheit:

    "Die Problem resultieren letztendlich aus der Positionierung der Vertriebsform Warenhaus, insgesamt in Deutschland eine überkommene Vertriebsform. Einkauf unter einem Dach - nach einer längeren Phase der Entbehrung, damals sicherlich ein großes Thema, inzwischen längst überholt."

    Spezialisierte Ketten im Textil- oder Elektronikbereich und in allen Preissegmenten machen dem Traditionsunternehmen zu schaffen. Und auch der Versandhandel, der bei Arcandor mal Quelle hieß und nun Primondo, hat sich verloren, wusste nicht mehr, wen er als seine Kunden ansprechen sollte. Harald Pinger, bis 2006 Chef der Versandhandelssparte bei Arcandor, gestand vor vier Jahren ein:

    "Wir sind momentan in einer Situation, dass wir im Universal-Versand, und über das reden wir ja, eigentlich Sortimente anbieten, die keine klare Zielfokussierung mehr haben. Weder, was die Sortimentsstruktur angeht, noch was die soziodemographische Struktur der Kunden angeht. Da wollen wir einen deutlich stringenteren Zielgruppenfokus erzielen."

    Unter Thomas Middelhoff als Arcandor-Chef in den Jahren 2005 bis 2009 wurde viel Substanz verkauft: die Immobilien, in denen die Warenhäuser untergebracht waren, die Parkhäuser, die Logistik, der Einkauf, die Kette Golf House, die Sporthäuser Runners Point, die Beteiligung an Starbucks und und und. Arcandor senkte zwar die Schulden, aber Gewinne brachte das laufende Geschäft nicht. Kurz bevor Middelhoff ging, im Dezember vorigen Jahres, macht er noch auf Optimismus:

    "Karstadt liegt absolut so, wie wir uns das erhofft haben."

    Gerade einmal sechs Monate später hat das Unternehmen Insolvenz angemeldet. Für Kunden soll es keine Einschränkungen geben. "Alle Geschäfte laufen ungehindert weiter", sagte Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski. Für die Beschäftigten seien die Gehaltszahlungen bis August gesichert.

    Für die Bürgermeister kleinerer oder mittlerer Städte, die sich um die Zukunft ihrer Fußgängerzonen sorgen, ein kleiner Aufschub.

    In Wesseling schlendert Günter Ditgens am Eingang von Hertie vorbei, vor dem Schaufenster mit der Sportkleidung bleibt der Bürgermeister stehen und schüttelt besorgt den Kopf.

    "Hertie ist das einzige Warenhaus am Ort und hat eine Magnetfunktion, eine sogenannte Ankerfunktion, das heißt, Hertie ist für viele Menschen der Grund, überhaupt erst in die Innenstadt zum Einkauf zu kommen."

    Ein Problem, das Günter Ditgens mit so manchem Amtskollegen teilt. In vielen deutschen Innenstädten sieht es ähnlich aus. Deswegen will Wesselings Bürgermeister das Warenhaus auch nicht kampflos aufgeben. Gemeinsam mit 40 anderen Kommunalpolitikern aus mehreren Bundesländern ist er heute nach Frankfurt am Main zur Deutschen Bank gefahren. Die hatte den Kauf der ehemaligen Karstadt-Filialen an den britischen Immobilieninvestor Dawnay Day mitfinanziert. Diesem Investor hat selbst der Insolvenzverwalter inzwischen vorgeworfen, Hertie mit überhöhten Mietforderungen in die Pleite getrieben zu haben und sowieso nur an den Filetstücken unter den Immobilien interessiert zu sein.

    An die Finanzhaie in London kommt man als Bürgermeister einer deutschen Kleinstadt aber nicht ran, sagt Ditgens. Dann schon eher an die Herren in der Chefetage der Deutschen Bank. Deswegen appelliert Günter Ditgens an das Gewissen des Vorstands, sich für eine Weiterfinanzierung der insolventen Warenhäuser einzusetzen. Denn wenn Hertie weg ist, geht es mit Wesselings Innenstadt bergab, da ist sich der Bürgermeister sicher.

    "Hier ist schon ein bisschen Traffic, hier tut sich noch was. Diese Fußgängerzone ist noch lebendig. Wir haben jetzt Montagmorgen, das sollte man nicht vergessen, das ist eher ruhig, aber schon meine ich, ein ganz guter Publikumsverkehr. An anderen Tagen ist das deutlich mehr. Die Fußgängerzone ist lebendig, sie hat die Chance zu überleben. Aber wir brauchen halt auch diese Anker wie Hertie, damit wir eine echte Chance haben, das auf Dauer zu stabilisieren."

    Günter Ditgens schlendert die Fußgängerzone entlang in Richtung Westen. Den breiten gepflasterten Weg säumen Handy-Shops und Ein-Euro-Discounter.

    "Hier ist Blumen-Risse, also ein Filialist. Und dort drüben haben wir noch einen Blumenhändler, der noch Einzelunternehmer ist, aber schon angekündigt hat, in einem oder zwei Jahren den Geschäftsbetrieb einzustellen. Und so verlässt uns einer nach dem anderen und wird immer wieder ersetzt durch Filialisten."

    Im Rathaus hat Günter Ditgens im Moment eine Ausstellung organisiert. Zu sehen sind die Pläne eines Architekturbüros zum Umbau der Fußgängerzone. Denn die möchte der Bürgermeister nur zu gerne umgestalten. Mit rund einem Kilometer Länge wurde sie Mitte der 70er Jahre viel zu groß geplant. Die Stadtverwaltung wollte damals den großen Nachbarn Köln und Bonn etwas entgegensetzen. Nun soll die verkehrsberuhigte Zone verkleinert werden. Die Fußgängerzone wird neu gepflastert und mit mehr Bänken ausgestattet. Rund 20 Millionen Euro wollen das Land und die Stadt investieren. Sie hoffen, dass sich dann auch wieder mehr Einzelhändler ansiedeln. Doch als die Pläne entworfen wurden, hatte der Bürgermeister noch die Hoffnung, dass Hertie eine Zukunft hat.

    Am anderen Ende der Fußgängerzone liegt die Metzgerei von Renate Kleesattel. Seit 30 Jahren verkaufen sie und ihr Mann hier Wurst und Fleisch. Die Inhaberin erinnert sich noch gut daran, wie es hier aussah, als sie Ende der 70er Jahre ihren Laden eröffnete.

    "Ja, da hatten wir schon noch einen Aldi hier, wir hatten Kaisers Kaffee hier, wir hatten einen Woolworth hier, was hatten wir noch? Ringkauf, Hausmann, ein großes Geschäft, ein Kindermode-Geschäft. Der tägliche Bedarf war gedeckt. Und ich meine, das fehlt einfach. Und alles, was natürlich in die Peripherie fährt, die finden Wurst und Fleisch, die finden Kosmetiksachen, die finden Schuhe und Strümpfe, das gibt es ja im Prinzip alles bei den Discountern. Und das ist, was nicht okay ist. Wenn jetzt halt Karstadt oder Hertie noch weggeht, ist das bisschen, was dadurch noch abgedeckt wird, natürlich auch noch weg."

    Deswegen hoffen Renate Kleesattel und die wenigen verbliebenen anderen Einzelhändler von Wesseling, dass der Besuch ihres unerschrockenen Bürgermeisters und seinen Kollegen in Frankfurt bei der Deutschen Bank Wirkung zeigt. Damit die Fußgängerzonen von Wesseling und vieler anderer kleiner und mittelgroßer Städte in Deutschland nicht demnächst komplett den Ein-Euro-Shops und Handy-Läden gehören. Und dann womöglich die Kunden ganz ausbleiben. Denn auch der Bürgermeister weiß: Wenn der Publikumsmagnet weg ist, nützen auch neue Parkbänke und schöne Pflastersteine herzlich wenig.