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"Schmähkritik"
Landgericht Hamburg verbietet Teile von Böhmermann-Gedicht

Das Landgericht Hamburg hat mehrere Aussagen aus dem "Schmähgedicht" des Satirikers Jan Böhmermann verboten. Die Richter erließen auf Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine entsprechende einstweilige Verfügung. Böhmermann darf die betroffenen Passagen damit nicht wiederholen.

17.05.2016
    Der Moderator Jan Böhmermann
    Gegen Jan Böhmermann laufen Verfahren wegen des "Schmähgedichts" (dpa-Bildfunk / Henning Kaiser)
    Im Fall einer Zuwiderhandlung drohen nach Angaben des Gerichts ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Das Gericht stufte besonders die Teile des Gedichts als "schmähend und ehrverletzend" ein, die einen Sexualbezug haben. Zwar gelte für Satire ein großzügiger Maßstab, dieser berechtige aber nicht zur völligen Missachtung der Rechte des Antragstellers. "Durch das Aufgreifen rassistisch einzuordnender Vorurteile und einer religiösen Verunglimpfung sowie angesichts der sexuellen Bezüge des Gedichts überschritten die fraglichen Zeilen das vom Antragsteller hinzunehmende Maß." Grundsätzlich stuft das Gericht Böhmermanns Gedicht aber als Satire ein.
    Böhmermann hatte das Gedicht "Schmähkritik" in der Sendung Neo Magazin Royale vorgetragen und vorher darauf hingewiesen, dass der Inhalt des Textes in Deutschland strafbar sei. In dem Artikel wird Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger mit den Worten zitiert: "Ich bin sehr beglückt über die gute Rechtssprechung in Deutschland."
    Böhmermann-Anwalt kritisiert Entscheidung
    Der Anwalt des Satirikers, Christian Schertz, sagte zu der Entscheidung des Gerichts: "Wir halten den Gerichtsbeschluss in der konkreten Form für falsch, wenngleich er insbesondere die Aussagen, die den Umgang von Erdogan mit der Meinungsfreiheit in der Türkei betreffen, für zulässig erachtet hat."
    Schertz betonte, das Gericht gehe richtigerweise davon aus, dass es sich bei dem Gedicht um Kunst und eine Satire handle. Es mache dann aber den Fehler, bestimmte Aussagen solitär herauszugreifen und zu verbieten, die es als herabwürdigend empfinde. "Das geht im Bereich der Kunstfreiheit nicht." Schertz kündigte an, er werde Rechtsmittel prüfen und auch überlegen, "Herrn Erdogan zur so genannten Hauptsacheklage aufzufordern, um notfalls eine Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht zu erwirken. So kann die Entscheidung keinen Bestand haben." Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg ist nicht rechtskräftig.
    Jan Böhmermann reagierte mit Humor: Er twitterte einen Link zum Song "(You Gotta) Fight For Your Right (To Party)" von den Beastie Boys.
    Keine einstweilige Verfügung gegen Döpfner
    Wegen des Schmähgedichts hatte Erdogan bei der Staatsanwaltschaft Mainz zudem die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches verlangt. Dafür gab die Bundesregierung grünes Licht. Kanzlerin Angela Merkel setzte sich dabei über das Votum ihrer SPD-Minister hinweg. Der Bundesregierung war daraufhin ein Einknicken vor dem türkischen Präsidenten vorgeworfen worden, auf dessen Unterstützung sie in der Flüchtlingspolitik setzt.
    Der Chef des Axel-Springer-Medienkonzerns, Mathias Döpfner, hatte in einem offenen Brief Partei für Böhmermann ergriffen und sich die Aussagen der "Schmähkritik" zu eigen gemacht. Den Antrag Erdogans auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Döpfner hatte das Landgericht Köln aber zurückgewiesen. Die Richter hatten das mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung begründet.
    (hba/tj)